The hardest part

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„ Und? Was hat die Ärztin gesagt?", fragt Mark neugierig als Lena nach ihrem Arzttermin wieder die Wohnung betritt. Sie lächelt, hängt ihre Jacke auf und widmet sich dann Kiwi und ihrem Sohn Jonas, die sie beide fröhlich begrüßen. „ Mama", sagt Jonas so gut er es eben mit knapp zwei Jahren schon kann. Lena grinst und hebt ihn hoch. Sie murmelt:„ Na mein Schatz? Hat der Papa gut auf dich aufgepasst?". Der Kleine lacht und kuschelt seinen Kopf an Lenas Brust. Er liebt genau diese Position auf ihrem Arm seit er auf der Welt ist. „ Schatz", sagt Mark nur. Er ist sich nicht sicher, ob sie seine Frage überhört hat oder, ob sie ihm gerade keine Antwort geben möchte. Schließlich ist der Grund für ihren Arztbesuch ein sehr sensibles Thema zwischen ihnen beiden, das die letzten Wochen bestimmt hat.
Lena trägt ihren kleinen Sohn auf das Sofa und setzt sich dort mit ihm hin. Kiwi hat sich bereits wieder in ihrem Hundebett zusammengerollt. Jonas spielt mal wieder fasziniert mit den Knöpfen von Lenas Shirt. Dann muss sie sich schon wieder räuspern und hustet. Mark verzieht besorgt das Gesicht. Noch einer dieser wunden Punkte der letzten Monate. „ Ich hab Abendessen gemacht. Es gibt Ofengemüse", sagt Mark. Lena antwortet:„ Wow das klingt aber sehr gut. Genau das brauche ich jetzt. Hhm Jonas? Was hältst von Abendessen?". „ Mjam majm", quietscht Jonas und zappelt sich von Lenas Schoß. Er klettert vom Sofa und läuft schonmal zum Esstisch. „ Er ist so zuckersüß einfach", stellt Mark wieder einmal fest und geht ebenfalls durch das Wohnzimmer zum Esstisch. Lena bleibt noch einen Moment auf dem Sofa sitzen, scheint etwas in ihren Gedanken versunken zu sein. Mark holt das Ofengemüse aus der Küche und hebt Jonas auf seinen Kinderstuhl. Während Mark das Ofengemüse vom Blech auf die drei bereitstehenden Teller verteilt, setzt Lena sich an den Tisch. Sie sieht müde aus, findet Mark. Wie so oft in letzter Zeit.  Jonas patscht mit seinen Händen auf den Tisch. Mark lächelt und stellt seinem Sohn den Teller hin. Dann verteilt er noch einige Gewürze über den anderen beiden Tellern und stellt Lena ihren Teller hin. „ Danke, Schatz. Das riecht toll", sagt sie und fängt sofort an zu essen. Ein kleiner Hauch von Erleichterung macht sich in Mark breit. Eine Erleichterung, die er nie hatte spüren wollen.
Kaum eine halbe Stunde später ist das Ofengemüse leer und die ganze Familie satt. Mark räumt das Geschirr in die Küche, während Lena Jonas langsam fertig fürs Bett macht. Auch, wenn Mark seinen Sohn ebenso gut ins Bett bringen kann, liebt Jonas diese Zweisamkeit mit seiner Mutter auf eine ganz andere Art und Weise.
Nachdem die Küche nun wieder ordentlich aussieht, geht Mark langsam den Flur entlang in Richtung Büro. Dieses war nun kurzfristig das Kinderzimmer für Jonas geworden. Noch nicht perfekt eingerichtet, aber die Umstände der letzten Monate hatten erfordert, dass er nun ein eigenes Zimmer hat. Leise öffnet Mark die Tür. Lena sitzt an Jonas Bett und singt ihm leise ein Schlaflied vor. Eigentlich schläft er schon fast, lediglich ein kleines Grinsen legt sich auf seine Lippen als er merkt, dass sein Vater den Raum betritt. „ Das war schön", flüstert Mark als Lena das Lied beendet hat. Sie dreht sich lächelnd zu ihm um, steht auf und macht das kleine Licht aus, bevor sie gemeinsam den Raum verlassen. „ Danke. Er ist auch gut eingeschlafen dabei", sagt Lena und seufzt. Am liebsten möchte sie gar nicht mit Mark sprechen. In den letzten Wochen fühlt es sich falsch an und...schwierig. Mark scheint ihren inneren Kampf zu spüren und legt einen Arm um sie. Er murmelt:„ Magst du noch auf die Couch? Oder lieber ins Bett? Vielleicht auch in die Badewanne? Ein bisschen Wellness? Ich kann dich auch alleine lassen, wenn du ein bisschen ins Musik Zimmer gehen möchtest und schreiben willst oder so." Lena seufzt. Er ist so unglaublich liebevoll. Er würde alles für sie tun und ist so sehr darauf bedacht, dass es ihr gut geht. „ Ich möchte einfach ein bisschen aufs Sofa und...bei dir sein", sagt Lena schließlich und geht zum Sofa. Mark folgt ihr. Bis vor einiger Zeit hätten sie sich jetzt ohne Zweifel ins Bett gekuschelt und einfach geredet oder herum gealbert. Gerade ist das Bett aber irgendwie ein belastender Ort.
Jetzt gerade, wo er hier mit Lena auf dem Sofa sitzt, mit der Frau, die er über alles liebt, wird Mark das wieder bewusst. Ganz sanft streichelt er ihren Rücken. Lena atmet tief ein und aus und spielt etwas mit ihrem Ehering. Mark möchte schon ansetzen, um etwas zu sagen, merkt aber, dass sie gerade Zeit braucht.
„ Sie hat mich untersucht. Komplett. Sie haben mir Blut abgenommen. Jetzt muss man auf die Ergebnisse warten", sagt Lena. Mark fragt:„ Was hat sie gesagt, als du ihr erzählt hast, warum du da bist?". Lena antwortet: „ Dass sie das sehr wundert und sie eigentlich nicht denkt, dass es medizinische Ursachen hat." Mark streichelt weiter ihren Rücken, denkt einfach nach.
Plötzlich spürt er ein leichtes Beben an seiner Hand und sofort wandert sein Blick zu Lena. Sie sitzt in sich zusammengesunken neben ihm auf dem Sofa und tatsächlich laufen Tränen über ihre Wangen. „ Schatz. Nicht weinen. Wir schaffen das zusammen ok? Ich bin da", sagt Mark leise. Lena drückt sich an ihn und schluchzt:„ W-wenn ich gesund bin, w-warum klappt e-es dann nicht?". Mark seufzt, denn auf diese Frage hat er keine Antwort. Wie vermutlich ein Großteil der Leute, hat er sich nie mit dieser Problematik befasst. „ Ich bin sicher wir kriegen das hin", sagt er so bestimmt wie möglich. Lena schluckt schwer. „ Aber wir haben schon so viel versucht", flüstert sie. Tatsächlich hatten sie das und das ist auch Mark in diesem Moment mehr als bewusst.
Vor fast sechs Monaten war langsam der realistische Wunsch nach einem zweiten Baby in ihnen aufgekommen. Etwas über zwei Jahre Altersunterschied der Kinder hatten sie sich gut vorstellen können.
Nun ist es Herbst und Jonas wird schon bald zwei Jahre alt. In jedem der vergangenen sechs Monate hatten sie es versucht, doch irgendwie wollte es nicht klappen. Lena hatte sich unglaublich gestresst deswegen, was Mark nur noch mehr leid tat und zeitweise für schlechte Stimmung gesorgt hatte.
„ Wir versuchen es weiter", sagt Mark, um sie vielleicht wenigstens ein bisschen zu trösten. Lena schluchzt leise und vergräbt ihr Gesicht in seinem Pullover. „ Ich fühle mich furchtbar. So als hätte ich komplett versagt", flüstert sie und wischt sich eine Träne weg.

Lena One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt