Kapitel 5

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ELSA

Schlafenszeit war doof. Ich war noch gar nicht müde, aber Mama hatte mich trotzdem ins Bett gebracht. Wach lag ich in meinem Hochbett und spielte am Zipfel meiner Bettdecke herum. Ich wollte hier nicht mehr rumliegen, ich wollte zu Tante Kiara und mit den Pferden spielen! Ich schlug meine Decke beiseite und rutschte meine Rutsche hinunter auf den Fußboden, wo ich auf Kuscheltieren landete. Die hatte ich dorthin gelegt, damit ich weich nach unten rutschen konnte. In meinem Schlafanzug tapste ich zur Tür und öffnete sie, bevor ich langsam die Treppen nach unten ging. Unten zog ich mir meine Hausschuhe über und sah ins Wohnzimmer. Mama und Papa saßen dort und sahen Fernseh, wahrscheinlich wieder irgendeinen Film, für den ich noch zu klein war. Aber solange es nicht Die Eiskönigin oder ein anderer Prinzessinnenfilm war, wollte ich ihn auch nicht gucken. Ich lief zur Tür und öffnete sie, bevor ich hinausschlich und über den großen Platz zum Stall von Tante Kiara lief. Ich wusste, dass sie einen Zweitschlüssel für die Tür in einem losen Brett versteckte, das direkt neben der Tür war. Also zog ich das Brett zur Seite, als ich es gefunden hatte und nahm den Schlüssel heraus. Jetzt konnte ich mit den Pferden so spielen, wie ich es wollte! Tante Kiara verbot mir ja immer alles Lustige! Leise schloss ich die Tür auf und ließ sie leise ins Schloß fallen, als ich im Stall war. Die Pferde hoben neugierig die Köpfe, als ich reinkam und Scooby schob sofort seinen Kopf über die Boxenwand, um mich zu begrüßen. Ich lachte und ging zu ihm, um ihn zu streicheln.
"Hallo", sagte ich, worauf er mir durch die Haare pustete. Ich kicherte, weil es mich kitzelte. "Du kitzeln mich." Scooby schnaubte, als hätte er genau das auch vorgehabt. Ich sah zu Whiskey, der ebenfalls neugierig versuchte an meinen Haaren zu schnuppern. Also ging ich zu ihm. "Du auch?" Ich hielt ihm meine Hand hin, die er sanft anstieß und zärtlich daran zu knabbern begann. Ich lachte wieder. "Du bist lieb." Ein Grummeln ließ mich aufsehen. Dy, Tante Kiaras Pferd, hatte die Ohren angelegt und wich vor mir in seiner Box zurück. Ich würde mich jetzt mit ihm anfreunden, wenn Tante Kiara oder Onkel Marius dabei waren, durfte ich nicht mal in seine Nähe! Und dabei wollte ich doch mit dem hübschen Pferd befreundet sein und auf ihm reiten! Ich lief zu seiner Box, doch er wich nur weiter zurück, außerdem reichte ich nicht bis an seinen Kopf heran. Also zog ich den kleinen Heuballen heran, der in der Ecke lag und kletterte darauf, um besser an Dy heranzukommen.
"Hallo, Pferd", sagte ich, weil ich seinen Namen nicht wirklich aussprechen konnte. Neugierig streckte ich meine Hand über die Wand der Box, doch das Pferd legte daraufhin die Ohren an und schnappte nach meiner Hand. Zum Glück konnte ich sie gerade noch rechtzeitig wegziehen. "Nein. Das gemein. Sei lieb. Ich bin auch lieb. Nur streicheln." Er brummte wieder und blieb angespannt stehen. "Komm her. Bitte. Ich will Freundin sein." Ich streckte meine Hand wieder nach ihm aus, worauf er wieder brummte, aber einen vorsichtigen Schritt nach vorne machte. "Brav, Pferd. Komm her." Ich spürte seinen heißen Atem auf meiner Handfläche und musste leise lachen. "Warm." Er pustete mir gegen die Hand, doch lehnte seine weiche Nase schließlich dagegen und spitzte die Ohren. Ich lächelte. Er mochte mich. Wir waren jetzt Freunde.
"Braves Pferd. Ich mag dich. Du bist lieb", sagte ich und streichelte ihn ausgiebig am Kopf, den er zu mir hinuntersenkte. Wir waren Freunde! Tante Kiara würde sich freuen, wenn ich ihr das erzählte! "Wir sind Freunde. Beste Freunde." Er schnaubte und als ich ihn am Hals streicheln wollte, rutschte mein Fuß auf dem Heu aus und ich fiel auf den Boden. Dy wich ängstlich zurück und wieherte, während ich auf dem Boden liegen blieb und mir Tränen in die Augen stiegen. Mein Knie blutete. Ich mochte kein Blut. Dy wieherte immer lauter, bis sich plötzlich die Tür oberhalb der Treppe öffnete.
"Dy? Was ist los?" Tante Kiara und Onkel Marius kamen nach unten gerannt und blieben verwirrt stehen, als sie mich sahen. "Elsa? Was machst du hier?"
"Pferd streicheln", antwortete ich und wischte mir die Tränen aus den Augen.
"Du weißt doch, dass du nicht so nah an Dy rangehen sollst!", mahnte sie, während Onkel Marius zu mir kam.
"Geh mal bitte ein Pflaster holen, Kiara", bat er, Tante Kiara nickte und ging zurück nach oben in die Wohnung, um ein Pflaster zu holen. Onkel Marius setzte mich währenddessen auf den Heuballen, während Dy sich zu mir herunterbeugte. Sofort schob Onkel Marius seinen Kopf beiseite. "Dy, nein! Lass Elsa in Ruhe!"
"Nein, Onkel Marius! Er lieb!", widersprach ich ihm und streichelte Dy vorsichtig, der mich anstupste. Verwirrt sah Onkel Marius mich an.
"Er... lässt sich von dir streicheln?", fragte er fassungslos nach, ich nickte.
"Ja. Wir beste Freunde!", antwortete ich ihm. Verwirrt sah er zwischen dem großen Pferd und mir hin und her, als Tante Kiara auch schon zu mir kam. Sie kniete sich vor mich und sah verwirrt zwischen Dy und mir hin und her, bevor sie mir mit einem kalten Waschlappen über die kleine Wunde wischte und dann ein Pflaster darüber klebte.
"Hab ich das gerade richtig gehört? Dy und du seid beste Freunde und du darfst ihn streicheln?", fragte sie nach, ich nickte.
"Ja. Beste Freunde", antwortete ich.
"Wissen deine Eltern denn, dass du hier bist? Es ist schon nach acht!", fragte Onkel Marius nach, ich schüttelte den Kopf.
"Nein. Ich leise raus und den Schlüssel hier genehmt", antwortete ich, Tante Kiara seufzte.
"Ok, dann bringen wir dich mal wieder rüber, bevor deine Eltern sich Sorgen machen. Gib mir bitte den Schlüssel, Mäuschen", bat sie, ich nickte und gab ihr den Schlüssel. "Danke." Onkel Marius hob mich hoch.
"Na dann, ab nach Hause. Du musst dringend schlafen", sagte er und drückte mich an sich.
"Ich will eigenes Pferd!", brummte ich.
"Vielleicht solltest du deine Eltern danach fragen, wenn du nicht gerade abgehauen bist, ja? Ich glaube, im Moment ist nicht der beste Augenblick, um nach einem eigenen Pferd zu fragen", wandte Tante Kiara ein. "Jetzt gehen wir erstmal schlafen, ja? Über das Pferd unterhalten wir uns ein anderes Mal."

Südtiroler Problem 5 - Trautes Heim, Glück allein? Where stories live. Discover now