Kapitel 2

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KIARA

Nachdem wir Scooby geputzt hatten, ging ich mit Elsa und Marius auf die Koppel. Ich hob meine kleine Nichte auf den hohen Rücken des Pferdes und gab ihr die Zügel in die Hand. Stolz rückte Elsa im Sattel zurecht und hielt die Zügel fest in ihren kleinen Händchen. Ich musste lächeln. Sie liebte reiten wirklich, das konnte man nicht abstreiten. Obwohl Chris und Tina ihr noch kein eigenes Pferd oder Pony kaufen wollten, bettelte Elsa sie ständig darum an und ich wusste nicht, wie lange sie ihrem Drängen und Betteln noch standhalten konnten. Deswegen versuchte ich auch, Marius von seinen Ermutigungen abzubringen, sonst würde Elsa ihre Eltern nur weiter nerven.
"Na? Bereit?", fragte ich sie, Elsa nickte.
"Ja! Bereit!", antwortete sie begeistert und drückte ihre kleinen Füße in Scoobys Seiten, worauf das große Pferd auch schon loslief. Schnell folgte ich den beiden und hielt Scooby am Zügel fest, nur für den Fall. Es war zwar noch nie etwas passiert, aber ich wollte trotzdem nichts riskieren. Außerdem wollte ich eine Vierjährige nicht komplett alleine auf einem großen Pferd über die Koppel reiten lassen. Marius folgte uns und korrigierte ab und an Elsas Haltung.
"Du machst das wirklich gut, Mäuschen", lobte er sie.
"Danke", meinte sie grinsend und sah mich an. "Schneller!"
"Oh nein, nicht so schnell! Du musst dich erstmal wieder an Scooby gewöhnen, so schnell traben wir noch nicht!", lehnte ich schnell ab.
"Ich will aber!", trotzte sie, aber ich schüttelte den Kopf und sah sie streng an.
"Nein, Elsa. Wenn du jetzt anfängst zu trotzen, dann sitzt du sofort wieder ab! Du weißt genau, dass wir das hier abbrechen, sobald du trotzig wirst! So sind die Regeln und die kennst du!", sagte ich streng. Wir hatten von Anfang an vereinbart, dass Elsa in dem Moment gehen musste, wenn sie anfing zu trotzen. Sonst machte sie nur die Pferde verrückt und das konnte ich wirklich nicht haben. Also hatten wir diese feste Regel vereinbart, an die sie sich immer zu halten hatte, wenn im Stall oder in der Nähe der Pferde war. Und das wusste sie genau. Elsa nickte.
"Ja. Schuldigung", murmelte sie, ich lächelte sie an.
"Schon gut, Süße. Dann machen wir jetzt erstmal noch langsam und dann probieren wir noch mal den Trab, ja?", erwiderte ich, um die Stimmung wieder etwas aufzulockern, sie nickte.
"Ok."
Eine Stunde und mehrere Übungen im Trab später ließ ich Elsa absitzen und führte Scooby zurück in den Stall.
"Du machst das wirklich gut, Elsa", lobte ich meine Nichte. "Du wirst mal eine ganz tolle Reiterin sein, das weiß ich." Sie grinste mich stolz an.
"Danke!", rief sie glücklich, worauf Marius und ich lachen mussten. So sahen wir Elsa am liebsten - glücklich.
"Ja, du bist jetzt ja schon fast besser als ich", grinste Marius und wuschelte ihr durch die blonden Haare. "Hilfst du unsere noch, Scooby sauber zu machen?" Elsa nickte.
"Ja!" Also sattelte ich Scooby ab und überließ Elsa und Marius das Putzen, das die beiden mir nur zu gerne abnahmen. Während ich den beiden dabei zusah, ging ich zu Dy und streichelte ihn, während er an seiner Heuraufe knabberte. Wir zwei waren schon seit Tagen nicht mehr ausgeritten, wir hatten immer nur trainiert, es wurde langsam mal Zeit, dass wir mal wieder zusammen ausritten. Marius konnte ja mit Whiskey mitkommen. Ich gab meinem Pferd einen Kuss auf die weiche Nase.
"Na, mein Süßer, wollen wir später noch mit Marius und Whiskey ausreiten? Wir könnten mal wieder über die große Wiese in Richtung Schloss galoppieren, was meinst du?", fragte ich ihn, worauf er schnaubte und unruhig mit dem Huf scharrte. Ich musste lachen. "Das nehme ich als Ja."
"Mitkommen!", forderte Elsa, aber ich schüttelte den Kopf.
"Nein, tut mir leid, Mäuschen. Onkel Marius und ich wollen ein bisschen Zeit zu zweit verbringen", lehnte ich ab. "Aber ein anderes Mal gerne, versprochen."
"Na gut." Obwohl sie nicht zu hundert Prozent überzeugt klang, wandte sie sich wieder Scooby zu und ließ das Thema ruhen. Gut so.

Nachdem wir Elsa wieder zuhause abgesetzt hatten, machten Marius und ich die Pferde fertig und ritten auf der Straße entlang, um Richtung Bozen zu reiten. In dieser Richtung lag gleich nach Sterzing eine große Wiese, auf deren Hügel ein altes Schloss stand. Wir mochten diese Burg sehr und hatten dort auch unsere Hochzeit gefeiert. Als wir auf die Wiese kamen, fiel mir etwas auf. Das alte Hotel, das bereits seit einigen Monaten leer stand, schien Besuch zu haben. Eigentlich verirrte sich keiner in diese Bauruine, nur ab und an hielten Touristen dort, um ihr Navi neu einzustellen. Aber jetzt standen mindestens zehn Autos auf dem alten Parkplatz und einige Männer schleppten Möbel hinein. Hatte jemand diese Bruchbude gekauft und renoviert? Anders ließ es sich ja kaum erklären. Ich sah Marius an.
"Sieh mal, jemand hat anscheinend das alte Hotel gekauft. Wollen wir mal vorbeischauen?", sagte ich und zeigte auf das große, alte Gebäude, das in einem alten Eigelb gestrichen worden war. Ich konnte aber sehen, dass bereits einige Männer auf einem Gerüst an der Wand standen, um das Eigelb gegen ein angenehmes, helles Blau zu ersetzen.
"Für die Bruchbude hat jemand freiwillig Geld ausgegeben? Ich hätte das Haus nicht mal genommen, wenn ICH dafür Geld bekommen hätte! Aber gut, lass uns mal vorbeischauen. Die sind dann ja schließlich von der Konkurrenz, und da muss man ja immer Bescheid wissen, oder?", erwiderte er und zwinkerte mir zu, ich lachte.
"Ich will sie nicht einschüchtern, nur höflich sein!", wandte ich grinsend ein. "Also komm, lass uns einen kleinen Abstecher machen." Also ritten wir hinüber zum Parkplatz und stiegen dort ab. Eine junge Frau mit blonden, lockigen Haaren kam auf uns zu, sie schien nur wenige Jahre älter zu sein als wir. Sie trug eine schicke Bluse, einen kurzen Rock und hatte ein Klemmbrett in der Hand, während sie in ihren hohen Schuhen zu uns gestöckelt kam.
"Hallo, kann ich Ihnen helfen?", fragte sie höflich.
"Nein, wir wollten nur mal vorbeischauen. Schon seit Jahren hat keiner mehr dieses Haus betreten und wir waren neugierig, was hier vor sich geht", antwortete ich ihr. "Meine Eltern haben auch ein Hotel. Ich bin übrigens Kiara und das ist mein Mann Marius." Die junge Frau lächelte.
"Euch gehört das Hotel gegenüber vom Skilift, oder? Es ist wirklich nett, ich hab es schon ein paar Mal gesehen. Ich bin übrigens Madeleine Meiford", erwiderte sie lächelnd. "Ich kümmere mich hier vor Ort um ein paar Sachen, in wenigen Wochen wollen wir eröffnen."
"Dann bist du also quasi die Chefin?", fragte Marius nach, sie nickte.
"Ja, genau. Zumindest vorübergehend. Meinem Freund gehört das hier eigentlich, aber der ist im Moment auf Geschäftsreise", antwortete sie und musterte Marius genau. "Aber ich hab es so im Gefühl, dass wir uns auch ganz gut verstehen werden."

Südtiroler Problem 5 - Trautes Heim, Glück allein? Where stories live. Discover now