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Leyna

Ich war lange nicht mehr Tanzen gewesen, also stürzte ich mich ohne großes überlegen in die Menge. Claire hatte ich dabei zwar aus den Augen verloren, aber Josh passte ja auf sie auf. Er war ihr selbsternannter Bodyguard. Stets zur Stelle, wenn sie etwas brauchte oder wollte. Und sie merkte es nicht einmal.

Der Einzige, der in meiner Nähe blieb, war Eric. Wie verloren stand er in der Menge und schaute stets in meine Richtung.
Ich wollte gerade auf ihn zu gehen, lächelte auf meinem Weg zu ihm, da kam mir jemand zuvor und verdeckte mir mit dem Rücken die Sicht auf sein Gesicht.
Nun, das es nicht nur 'irgendjemand' war. Ayla.
Dieses kleine Miststück musste sich mir ständig in den Weg stellen. Wortwörtlich.
Ich spürte wie mir die Wut bis hoch in den Hals kroch und kniff die Lippen fest aufeinander.

Erst nachdem ich Ayla kennengelernt hatte, wusste ich, was es bedeutete, jemanden wirklich abgrundtief zu hassen.
Wie konnte ich nur jemals mit einem Menschen wie ihr befreundeten gewesen sein?
Wütend kehrte ich ihnen den Rücken zu. Was Ayla konnte, das konnte ich schon lange.


Claire

Komischerweise hatten sich alle in der Mitte der Tanzfläche versammelt und bildeten dort einen großen Kreis. Gab es etwas Umsonst? Ich durfte das auf keinen Fall verpassen.
Schnell drängelte ich mich durch die Menge, bis ganz nach vorne. In der Mitte des Kreises standen zwei Mädchen. Eine der beiden hatte lange schwarze Haare, die andere blonde. Tag und Nacht, dachte ich, als ich bemerkte, wie sie sich stritten. Ich verstand nicht genau, worum es ging.
Hinter dem blonden Mädchen stand Eric und flüsterte ihr hektisch ins Ohr. Moment mal.
Ich kniff die Augen zusammen. Eric?
Das Mädchen vor ihm, verwandelte sich vor meinen Augen in Leyna!
Sofort bahnte ich mir einen Weg zu ihr durch und stellte mich neben die beiden.
"Was ist los?" wollte ich wissen und hielt mich an Erics Arm fest. Die Welt fing plötzlich an sich zu drehen.
"Hast du zu viel getrunken?" fragte er und sah kurz zu mir herunter.
„Nein?" Ich ließ ihn wieder los. „Ich bin ja kein Baby mehr!"
Ich torkelte zur Seite und Eric packte mich am Arm. „Das hat mir gerade noch gefehlt." Er wollte ebenfalls nach Leyna greifen, doch sie wich zur Seite.
"Tut mir wirklich leid, dass ich dir etwas wegnehme, das nicht dir gehört!" höhnte das schwarzhaarige Mädchen und Leyna machte einen wütenden Laut, bevor sie erwiderte; "Eric gehört niemanden du kleine Schlampe. Hast du das verstanden?" Ich merkte sofort, dass sie betrunken war. Hätte sie sich lieber ein Beispiel an mir genommen und nicht so viel getrunken.
"Ich soll die Schlampe sein?" Die Schwarzhaarige machte einen Schritt auf Leyna zu. Der Kreis verkleinerte sich. Das sah gefährlich aus. Ich riss mich von Eric los und stellte mich neben Leyna.
"Eine schlampige Schlampe, so schlampig, dass es schlampiger gar nicht geht!" Ich stemmte wütend die Arme in die Hüfte. Was redete ich da bloß?
Das Mädchen zog eine Augenbraue in die Höhe und sah herablassend zu mir herunter. Sie war sehr groß. "Und wer bist du, du kleiner Troll? Ein armseliger beste Freundinnen Ersatz?"
Ich wollte etwas erwidern, auch wenn mir nicht wirklich etwas zu meiner Verteidigung eingefallen war, da tauchte Jake zwischen uns auf und hob die Arme in beide Richtungen. "Bitte Ladys!" sagte er „beruhigt euch jetzt bitte!"
Wir drei starrten ihn böse an und er machte ein hilfloses Gesicht.
„Die Einzige, die hier armselig ist, bist du Ayla." Leyna sprach einfach an Jake vorbei. „Halte Claire gefälligst da raus, sonst...-"
"Was dann? Spannst du mir dann meinen Freund aus?" Das Mädchen schob Jake beiseite. „Oh ja, ich vergaß, dass hast du ja schon längst getan."
Die Menge machte johlende Geräusche und Leyna, die nach meiner Hand griff, zerdrückte diese vor Wut schmerzhaft. Ich wollte nichts sagen, doch als ein weiteres Mädchen, sich neben das, mit den schwarzen Haaren stellte, dessen zerzaustes Haar in alle Berge stand, drückte sie fester zu und ich quickte auf. Das ich mich losriss bemerkte Leyna kaum.
"Was ist denn hier los?" fragte das neu dazugekommene Mädchen pikiert und hielt dabei ein sehr kleines Weinglas in die Höhe.
"Nur eine kleine Diskussion, nichts wildes" Jake, der erneut böse Blicke erntete.
Das neue Mädchen warf Leyna und mir einen angewiderten Blick zu und Eric fing wieder an, auf Leyna einzureden. "Was kann ich denn dafür, dass du ihm nicht gut genug warst?"
Eric schlug sich mit der Handfläche dumpf auf die Stirn, als die Schwarzhaarige erwiderte; "Was hast du gerade gesagt?" Jetzt kam sie kam noch näher.
"Sie hat gesagt, dass du ihm nicht gut genug warst." wiederholte ich „Und dass diese Diskussion jetzt übrigens vorbei ist."
„Ja! Ja genau, sie ist vorbei!" Eric.
„Wir sollte jetzt wirklich alle auf Claire hören!" Jake.
"Du weißt doch ganz genau was ich gesagt habe." Leyna. Provozierend.
Ich musste mir das Lachen verkneifen, als das Mädchen den Wein in dem Glas hin und her schwenkte, bevor sie einen Schluck nahm. Sie war nicht auf Jakes Party. Sie war auf Jakes Luxus Event. Ich prustete los.
"Ich will es noch mal hören" sagte die Schwarzhaarige.
"War das eine mal denn nicht genug?" antwortete Leyna.
"Weißt du was mir gerade NICHT genug ist?" Der Snob mit dem Wein.
"Was denn?" fragte ich, weil mich die Antwort wirklich interessierte. Sie schaute mir ins Gesicht und sagte mit bedrohlicher Stimme; "Euch anschauen zu müssen, ohne dabei in eure hässlichen Visagen schlagen zu können!"
"Versace Visage." sagte ich und Leyna hielt sich prustend die Hand vor den Mund.
Ich stimmte mit ein und merkte nicht, wie die Schwarzhaarige mit ihrer Hand ausholte und Leyna beinahe ins Gesicht geschlagen hätte, wäre Noah nicht blitzschnell dazwischen gegangen um ihren Arm in der Luft zu stoppen, indem er sie am Handgelenk gepackt hielt. Er stand plötzlich mitten im Geschehen und sah mehr als nur genervt aus.
"Hi lieber Noah" sagte ich "lange nicht gesehen."
Weinglas-snob schaute verwirrt zwischen mir und ihm hin und her.
Noah ließ den Arm des Mädchens los und hob warnend eine Braue, weil sie ihn weiterhin erhoben hielt. Langsam ließ sie ihn sinken.
"Ja Claire, wirklich sehr lange nicht gesehen." Ich lächelte.
"Kommt lasst uns endlich gehen." Eric schaltete sich wieder ein und Leyna nickte diesmal zustimmend.
„Wir sind hier fertig" sagte sie und zog mich an dem Weinglas-snob, der Schwarzhaarigen und Noah vorbei, aus der Menge.
Die klebrige, rote Flüssigkeit auf meinem Kleid spürte ich erst, als Leyna mich schon fast aus der Menge manövriert hatte. Ich fuhr herum und riss Leyna, die mich an der Hand hielt, somit ebenfalls zurück.
Jetzt war ich diejenige die ihre Augenbraue hochzog.
"Gibt es ein Problem?" fragte das Mädchen, dessen Weinglas nun leer war, mich lächelnd.
"Keins, dass ich nicht lösen könnte" antwortete ich wimpernklimpernd. Die Leute, die sich bereits zerstreut hatten, weil sie dachten, es würde nichts spannendes mehr passieren, staunten nicht schlecht, als ich auf das Mädchen zusprang und sie mit mir mit auf den Boden riss. Das Glas zersprang in tausend Teile und verteilte sich über dem roten Rest des Weins am Boden.
Genauso plötzlich, wie ich gesprungen war, erinnerte ich mich. Die Scherben, überall verteilt auf dem Boden. Das eingeschlagene Fenster in dem Haus im Wald.
Ich bemerkte nicht, wie sie die Oberhand gewann und mich auf den Boden drückte.
Blut, Kälte, Angst & Schmerz.
Sie schlug mir ins Gesicht, schnürte mir mit ihrem Oberkörper die Luft ab.
Scherben, überall Scherben.
Sie stachen mir in den Rücken und in meine Arme. Ich schrie wie am Spieß.
Die Menge johlte. Sahen sie es denn nicht?
„Hilfe!" schrie ich so verzweifelt, dass mir die Tränen aus den Augen strömten.
Der Druck über mir verschwand. Ich schlug wild um mich.
„Ich bin's Claire." Ich schluchzte. „Es ist vorbei, keiner tut dir mehr weh."
Ich flog. „Keiner tut dir mehr weh."
Eine warme Brust. Ich schloss die Augen.

Lost in a Perfect NightmareWo Geschichten leben. Entdecke jetzt