18 | Astrid

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Das gesamte Haus roch nach Ei, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Für einen kurzen Augenblick war ich verwirrt, weil ich mir zu Hause mein Frühstück meist selbst machte, doch dann erinnerte ich mich, dass ich gar nicht zu Hause war. Ich war in Hicks' Haus, auf der Insel der Amorlas.

Langsam schlug ich die Decke von mir, stand auf, zog mir Dirfinias Stiefel über und ging hinunter. Hicks stand an dem viereckigen Tisch und kippte gerade Rührei aus der Pfanne auf zwei Teller. Daher also der leckere Geruch. Ohnezahn beobachtete seine Aktion hungrig, leckte sich den Mund und zappelte herum.

»Sieht aus, als hätte dein Drache Hunger«, sagte ich, während er die Pfanne weglegte.

»Der hat immer Hunger«, gab er als Antwort und drückte den Nachtschatten von seinem Stuhl weg. »Du hast draußen ein riesiges Fischbecken als Buffett, das rund um die Uhr geöffnet ist. Da brauchst du mir nicht mein Frühstück klauen.«

Ohnezahn ging dann grummelnd zur Tür hinaus und verschwand aus meiner Sicht. Ich setzte mich Hicks gegenüber, wo der zweite Teller stand und wir fingen beide an zu essen. Zuerst sagten wir nichts, doch es dauerte nicht lange, da hielt ich die Stille nicht mehr aus. Es kam mir zu sehr wie bei meinen Eltern vor.

»Tut mir leid, wenn ich dir gestern irgendwie Angst gemacht oder dich vollkommen verwirrt habe«, sagte ich. »Es war wahrscheinlich zu viel auf einmal, da habe ich nicht nachgedacht, wie das auf dich einwirkt.«

Er hörte auf in seinem Ei herumzustochern und blickte mir in die Augen. »Du hast recht, es war sehr viel auf einmal. Vieles, was ich niemals gedacht hätte. Darüber musste ich zuerst nachdenken, bevor ich dir antworten kann.«

»Hast du letzte Nacht darüber nachgedacht?«, fragte ich und schob mir eine Gabel voll Rührei in den Mund.

Er nickte. »Ich habe lange wachgelegen und mir versucht vorzustellen, wie mein Vater einen Drachen pflegt.« Er lachte auf. »Es kommt mir absurd vor.«

»Glaub mir, wir haben uns auch die ganze Zeit gefragt, was wir da eigentlich machen«, sagte ich lächelnd. »Aber am Ende ging es ihnen besser und sie haben uns vertraut, haben für uns ein Feuer gemacht, damit wir warm bleiben. Es war der erste Moment, in dem wir ihnen so nah waren und ihre echten Wesen sehen konnten.«

Er beobachtete mich für einen Augenblick. »Wart ihr oft beieinander?«

Ich nickte. »Fast die ganze Zeit. Ich habe ihm am meisten bei der Suche geholfen, da haben wir viel zusammen gearbeitet.«

»Warum hast du geholfen? Du hast mich vorher nicht ausstehen können.«

»Das habe ich gestern doch erzählt«, sagte ich leicht verwirrt. Hatte er den Teil etwa vergessen? »Ich mochte dich, ich fand dich interessant wie du im Training gearbeitet hast, aber das konnte ich nicht zeigen. Mein Vater hat immer mit Grobian danach geredet und gefragt, wie ich war oder sogar selbst zugesehen. Er fand deine Tricks sind Betrügereien und hat mir verboten, in deine Nähe zu gehen. Wie gesagt, er mag dich nicht. Du bist ihm zu dünn, zu schwach, zu klein. Kein richtiger Wikinger.

Als du dann weg warst, habe ich angefangen, nicht mehr auf ihn zu hören. Ich war es satt, ständig herumkommandiert zu werden. Dein Vater und ich haben bei der ersten Suche Ohnezahns Schuppen in der Schlucht am Krähenkliff gefunden. Wir haben zusammen Theorien gesponnen und überlegt, was passiert sein könnte und danach haben wir weiterhin zusammengearbeitet. Zu dem Zeitpunkt war es mir egal, was mein Vater von mir wollte. Ich wollte dich finden und das war das Erste in meinem Leben, was von mir aus kam. Es war mein Verlangen, nicht seins, also habe ich nie aufgegeben und bin mit Haudrauf überall hingesegelt.«

Er hatte seine Augenbrauen zusammengekniffen. »Ich dachte früher, dass du gerne bei deinem Vater warst. Dass dir das Training so viel Spaß macht.«

»Am Anfang hat es Spaß gemacht«, sagte ich. »Irgendwann hat er jedoch angefangen, mir Sachen zu verbieten und vorzuschreiben, obwohl ich das gar nicht wollte.«

Was wäre wenn?Where stories live. Discover now