3 Wochen später

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„Hammonds Physiotherapie, Sie sprechen mit André?", beantworte ich den Anruf und wundere mich, warum Val mich so gespannt ansieht.
„Ja ... äh ... hi", sagt die andere Stimme. „Ich wollte ... äh ..."
„Physiotherapie? Massagen? Manuelle Therapie?", frage ich, um dem nervösen Menschen am anderen Ende auf die Sprünge zu helfen.
„Nein ... ich ... wollte eigentlich fragen, ob du ... Sie ... vielleicht mal was mit mir trinken gehen."

Skeptisch runzle ich die Stirn. „Wer ist da?"
„Aidan."
„Ich kenne keinen Aidan", antworte ich und Vals Augen werden riesig, bevor sie aufgeregt beginnt, mit dem Kopf zu nicken.
„Ich ... wir sehen uns manchmal im Coffee Shop. Du bestellst immer einen doppelten Espresso mit Vanille-Sojamilch."

Die Erkenntnis sickert ein und ich schieße Val einen bösen Blick zu. Sie sieht aus wie ein Wackeldackel, so schnell nickt sie.
„Ach ja ... Aidan", sage ich langgezogen und reibe mir müde über mein Gesicht. „Hör zu, es ist wirklich sehr schmeichelhaft, aber–"
In diesem Augenblick entreißt Val mir den Hörer und plappert aufgeregt ins Telefon: „Hi Aidan, hier ist Valerie. Schön, dass du anrufst ... nein, er ist nur etwas schüchtern."

Nun imitiere ich ihr Gesicht mit den großen Augen von eben, nur dass ich meinen Kopf wild schüttle und nicht nicke. Val beschließt, mich zu ignorieren und redet einfach weiter: „Warum kommst du nicht nach Feierabend vorbei und ihr unterhaltet euch ein wenig? Ja, gegen sechs ist super. Ciao."

Val legt auf und ich starre sie mit verschränkten Armen und finsterem Blick an.
„Was?", tut sie ahnungslos.
„Das ist nicht dein Scheißernst, oder?", knurre ich.
„Nein, André", erklärt sie und legt ihre Hände auf meine Oberarme. „Es ist mein voller Ernst. Du sollst dich nur nett unterhalten. Nicht mehr und nicht weniger."
„Du weißt genau, dass–", beginne ich und will mich ihr entreißen, doch sie hält mich fest.

„Ja, André", beteuert sie. „Ich weiß. Aber ich glaube, etwas Bestätigung tut dir gerade ganz gut."
Ich schnaube abfällig und lasse mir von ihr einen Kuss auf die Schläfe drücken.

•••

Punkt sechs Uhr geht die Praxistür auf und der kleine Barista steckt seinen Kopf zur Tür herein. Okay, so klein ist er gar nicht, vielleicht nur einen halben Kopf kleiner als ich. Und wie zwölf sieht er auch nicht aus. Eventuell war meine ursprüngliche Einschätzung von ihm etwas vorschnell und grob, aber er ist eben nicht–

„H-Hi", stammelt er und ich winke ihn herein. „Komm ruhig rein, ich muss noch ein bisschen Papierkram machen."
Val kommt gerade aus dem Behandlungszimmer und begrüßt ihn freundlich: „Hey Aidan, schön, dass du es geschafft hast."
Er lächelt schüchtern und sieht mich direkt wieder an.
„Ich gehe dann mal, euch noch viel Spaß", flötet meine Kollegin und verschwindet auch schon, ehe ich sie aufhalten kann.

„Cool, sind das solche Logikpuzzle?" Aidan geht zu dem kleinen Tisch, auf dem sich meine Sammlung befindet. Gekonnt macht er sich an einem Stern aus einzelnen Holzteilen zu schaffen, zerlegt ihn und hat ihn innerhalb kürzester Zeit wieder zusammengesetzt.

Verdattert beobachte ich ihn.
„Oh, sorry." Er stellt den Stern schnell wieder auf dem Tischchen ab. „Ich w-wollte nicht einfach ..."
„Nein, nein", beruhige ich ihn und deute auf die anderen Gebilde. „Dafür stehen sie dort. Ich bin nur ... überrascht."
„Wieso?", fragt Aidan nach.
„Weil die Leute sie zwar immer gut auseinandernehmen, aber nur selten wieder zusammensetzen können."
Aidan lächelt und widmet sich einem weiteren Steckrätsel, während ich ihn still dabei beobachte.

Rückblende | ✓Where stories live. Discover now