Morgen

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Mein Handy klingelt und ich sehe, dass es Val ist. Ich gehe nicht ran. Ich liege auf meinem Bett und starre an die Wand. Ich weiß, ich muss zur Arbeit. Ich habe Patienten, die auf mich warten, aber ich kann mich nicht bewegen.
Irgendwann hört das Klingeln auf und ich starre einfach weiter.

Mein Telefon klingelt erneut.
Bin ich eingeschlafen? Ich weiß es nicht. Ich bin einfach nur leer.
Ich sehe auf mein Display, kenne die Nummer jedoch nicht.
Mason? Mit zittrigen Fingern hebe ich das Gerät an, drücke auf den grünen Button und halte es an mein Ohr.
„Hallo?", krächze ich.
Ist das meine Stimme, die dort spricht? Vom vielen Weinen ist sie kaum noch vorhanden.

„André?", höre ich eine weibliche, samtige Stimme. Es ist nicht Mason.
„Ich war in der Praxis, doch Val sagte–"
Ich drücke auf den roten Button und lasse das Telefon auf das Kissen neben mir fallen.
Ich kann mit niemandem sprechen. Dass ich mit jemandem gesprochen habe, hat mich überhaupt erst in diese Situation gebracht.

Es ist alles meine Schuld.

Es klingelt an meiner Wohnungstür.
Wie spät ist es? Draußen ist es schon dunkel.
Wieder klingelt es.
Mason? Er hat keinen Schlüssel. Hat er etwas vergessen? Will er doch mit mir reden?

Mit zitternden Knien schlurfe ich durch den Flur zu meiner Tür, wo ich bereits jemanden klopfen höre.
„André?", ruft Val. „André, bist du da?"
Ich sacke auf dem Boden zusammen und von irgendwo holt mein Körper wieder ein paar Tränen hervor, die nun über meine Wangen laufen. Natürlich ist es nicht Mason. Wie dumm von mir.

„André, bitte!", ruft Val durch die Tür. „Ich habe gehört, was passiert ist. Können wir reden? Ich mache mir wirklich Sorgen!"
Ich schluchze trocken und schüttle nur meinen Kopf. Ich kann nicht reden.

Irgendwie schleppe ich mich zurück in mein Schlafzimmer und nehme mein Telefon, um Val eine Nachricht zu schreiben. Das Letzte, was ich gerade will, ist ein Schlüsseldienst- oder gar Polizeimitarbeiter, der von Val beauftragt wurde, meine Tür aufzubrechen.

Ich brauche nur Zeit. Zeit, mich zusammenzusetzen, zumindest gerade so, dass es reicht, um zu funktionieren.

Val

Bin morgen wieder da.
Versprochen.

Ich lege mein Handy ab und sehe wie auf dem Display mehrere Nachrichten von Val erscheinen. Ich drehe mich um und ignoriere sie.
Ich kann nicht reden.

Rückblende | ✓Where stories live. Discover now