Der Wettkampf

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Amalia, Bruno

Es war wieder soweit. Der alljährliche Sportwettkampf der Schule fand statt. Bruno hasste ihn. Aus für ihn unerklärlichen Gründen war dieser Wettkampf nur für die Jungs der Schule, die Mädchen durften sich währenddessen auf die Tribüne setzen und zusehen. Er hasste Sport und dank seiner Ungeschicklichkeit, wurde er bei jedem Wettkampf letzter. Und das ließen ihn seine Kontrahenten auch spüren. Besonders Cristiano, der sowieso der beste im Sport war, verspottete ihn nach jedem gewonnenen Wettkampf und machte Amalia dann schöne Augen. Das konnte Bruno gar nicht leiden. Der Dreizehnjährige musste sich eingestehen, dass er wohl heimlich in seine beste Freundin verliebt war und jedes Mal eifersüchtig wurde, wenn Cristiano ganz offensichtlich mit ihr flirtete. Amalia ging zwar nie darauf ein, sie konnte diesen arroganten Schnösel einfach nicht leiden, aber trotzdem wurde Bruno jedes Mal grün vor Eifersucht, wenn Cristiano mit seiner Freundin flirtete. Und nun blamierte er sich auch noch vor ihren Augen beim Sport! Er schwitzte im Moment selbst in seinen dünnen Klamotten und strich sich eine nassgeschwitzte Locke aus den Augen. Wieso hatte er heute nicht eine Krankheit vorgespielt? Dann wäre ihm das alles hier erspart geblieben! Andererseits hätte Julieta ihm dann eine Arepa gebracht und spätestens dann wäre seine Lüge wirkungslos gewesen. Gerade eben hatte er gnadenlos beim Fußball mit seiner Mannschaft verloren und als er sich auf die kleine Bank setzte, um etwas zu trinken, kam Cristiano, der einmal wieder gewonnen hatte, sofort zu ihm.
"Na, Wahrsagerlein? Machen dich die ganzen Niederlagen müde?", spottete er und sah zu Amalia, die zwischen Julieta und Pepa auf der Tribüne saß.
"Verschwinde, Cristiano", fauchte Bruno nur genervt zurück. "Und lass Amalia endlich in Ruhe! Sie kann dich nicht leiden, das hab ich dir doch schon hundert Mal gesagt!" Cristiano lachte spöttisch.
"Du bist doch nur eifersüchtig, Kleiner! An mich wirst du schließlich nie rankommen!", spottete er und sah wieder zu Amalia hoch. "Hey, Amalia, querida! Willst du mal richtige Muskeln anfassen?" Amalia drehte sich zu den beiden Jungs um und verdrehte dann die Augen, während Cristiano seinen Arm beugte, um seine Muskeln größer wirken zu lassen.
"Ach, fahr zur Hölle, Cristiano!", schrie sie ihm zu, worauf diesem das Gesicht für wenige Sekunden abzustürzen schien. Doch er fing sich gleich wieder und wandte sich wieder Bruno zu.
"Wir sehen uns gleich beim Hundert-Meter-Lauf. Wenn du überhaupt noch bis dahin gelaufen kommst, ohne hinzufallen!", fauchte er ihm zu, bevor er auf die andere Seite des Feldes verschwand. Bruno seufzte. Es war zwecklos, gegen Cristiano würde er immer verlieren, dazu brauchte er nicht einmal eine Vision. Und im Laufen war er sowieso miserabel, also brauchte er sich auch gar nicht erst anzustrengen! Seine Mühen wären vollkommen umsonst gewesen! Wie sehr er diesen blöden Sporttag doch hasste!
"Hey." Bruno drehte sich um. Amalia schlüpfte unter dem Zaun hindurch, der das Sportfeld von der Holztribüne trennte. Sie setzte sich zu Bruno und legte ihm ihren Arm um die Schultern, wobei es ihr vollkommen egal zu sein schien, dass er total verschwitzt war. "Mach dir nichts aus Cristiano, der hat nicht mehr alle Latten am Zaun! Und wen interessiert es schon, wer hier gewinnt? Wir sind alle nur hier, weil wir müssen!" Bruno lächelte seine beste Freundin an. Sie wusste immer genau, was sie sagen musste, um ihn aufzumuntern.
"Danke, Lia, er geht mir nur tierisch auf die Nerven", erwiderte er.
"Mir auch", gab Amalia zu. "So toll er auch im Sport sein mag, alles andere an ihm ist schrecklich. Der liebe Gott hat seine Fähigkeiten wirklich seltsam balanciert!" Bruno musste lachen. Amalia war wirklich ein Genie mit Worten, das musste er ihr lassen. "Und weißt du was? Sobald man uns aus dieser Irrenanstalt entlässt, gehen wir zum Fluss, du duscht dich und danach schreiben wir ein neues Stück für deine Ratten!"
"Ja, das wäre gut", stimmte Bruno ihr sofort zu. "Danke, Lia. Das kann ich nach heute wirklich gebrauchen."
"Ich weiß", erwiderte seine beste Freundin lächelnd, als die Jungs bereits zum Lauf gerufen wurden. Die beiden Freunde standen gleichzeitig auf. "Zeig es Cristiano. Du bist nämlich sehr viel besser als er." Amalia drückte ihrem besten Freund einen Kuss auf die Wange, Bruno war davon im ersten Moment so verwirrt, dass er nicht reagieren konnte. Amalia setzte sich derweil zurück zu Pepa und Julieta, während er zur Startlinie des Rennens ging. Cristiano stellte sich direkt neben ihm auf.
"Pass nur auf, dass du dich über deine eigenen Füße stolperst, Kleiner", fauchte er ihm leise zu. "Und erstick nicht an der Staubwolke, in der ich dich zurücklasse." Bruno schnaubte verärgert. So langsam ging ihm das überhebliche Getue dieses Angebers wirklich auf die Nerven. Und er wollte Amalia unbedingt beeindrucken, was ihn zusätzlich dazu motivierte, seine letzten Kräfte zusammenzukratzen. Er sah Cristiano an.
"Ach ja? Ich denk dran, wenn ich dich vom Ziel aus beobachte", konterte er kampflustig, was Cristiano sichtlich zu verwirren schien. So selbstbewusst und ehrgeizig hatte er Bruno bisher noch nie erlebt.
"Netter Spruch, Madrigal", gab er bloß zurück, während die Jungs bereits in Stellung gingen. "Aber deine große Klappe wird dir gar nichts bringen, wenn Amalia mir gleich um den Hals fällt!" Bruno ignorierte diesen Kommentar und als das Startsignal ertönte, rannte er wie von der Tarantel gestochen los. Von der Tribüne wurden Anfeuerungsrufe hörbar, aber alles, was Bruno hören konnte, war Amalia, die seinen Namen schrie und ihn lautstark anfeuerte. Er zog unglaubliche Kraft aus ihrer Stimme und kratzte seine letzten Kräfte zusammen. Cristiano war ihm immer noch einige Meter voraus, die Bruno unbedingt überbrücken musste. Er legte noch einmal einen Zahn zu und schaffte es tatsächlich mit seinem Kontrahenten gleichauf zu kommen. Als Cristiano das bemerkte, schnaubte er gereizt und stieß Bruno ohne zu zögern seinen Ellenbogen in die Seite, sodass Bruno ins Straucheln geriet. Er schaffte es aber wie durch ein Wunder sich gleich wieder zu fangen und schloss erneut zu Cristiano auf. Dieser war so verwirrt vom plötzlichen Kampfgeist seines Kontrahenten, dass er nicht wusste, was er noch tun sollte. In seiner Verwirrung war er kurz langsamer geworden, was Bruno als seine Chance nutzte. Er rannte an Cristiano vorbei und überquerte damit als Erster die Ziellinie. Er hatte es geschafft! Er hatte gewonnen! Atemlos kam er zum Stehen und stützte sich auf seine Knie. Seine Lungen brannten, aber das war es alle mal wert gewesen! Wütend schnaubend und fluchend lief Cristiano davon, während Amalia, Julieta und Pepa jubelnd und schreiend die Tribüne hinab gerannt kamen. Stürmisch umarmte Amalia ihren besten Freund und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
"Ich wusste, dass du es schaffst, Brunito! Du bist ein wahrer Champion!"

Madrigal Kindergeschichten mit meinen CharakterenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt