Babysitten für Anfänger

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Camilo, Luna, Estrella

Zugegeben, sonderlich gerne passte der dreizehnjährige Camilo nicht auf seine kleine Cousinen Estrella und Luna auf. Sie waren gerade mal sechs Jahre alt und stellten jeden nur erdenklichen Mist an. Besonders, seitdem sie ihre Gaben besaßen - fliegen und sich in Tiere verwandeln. Manchmal hasste Camilo ihre Gaben. Sie versteckten sich stundenlang vor ihm oder jagten ihn durch das Haus, während sie fangen mit ihm spielten. Und nun hatten sie sich vor ihm versteckt. Camilo hatte die beiden eigentlich nicht suchen wollen, um ein wenig seine Ruhe zu haben, aber er hörte immer wieder Gekicher und so langsam bekam er Angst vor dem, was die Zwillinge wohl gerade anstellten. Wieso hatte er auch zugesagt, auf die Kinder aufzupassen, während alle anderen auf das Blumenfest in der Stadt gingen? Die Zwillinge sollten nicht mitgehen, denn sie würden nur alles durcheinander bringen und außerdem mussten sie ohnehin bald ins Bett und dann konnte Camilo auch endlich zum Fest gehen. Er wusste nur nicht, wie er die beiden ins Bett bekommen sollte. Die zwei verrückten Mädchen rannten durch die Casita, als wären sie vom Blitz getroffen und riefen immer wieder nach ihrem Cousin. Im Endeffekt wollten sie ihn ohnehin nur ärgern oder ihm einen Streich spielen, also blieb er lieber auf seinem Zimmer. Hier kamen die beiden zumindest nicht rein, ohne, dass er es mitbekam. Aber ewig alleinlassen konnte er die beiden nun einmal auch nicht, sonst ruinierten sie nur die Casita! Und er wollte auch keinen Ärger von seiner Tante und seinem Onkel bekommen, also hatte er wohl keine andere Wahl, als sich die kleinen Monster zu schnappen und ins Bett zu bringen. Er stöhnte genervt und stand schließlich von seinem Bett auf. Es blieb ihm ja nichts anderes übrig, als die beiden zu suchen. Also verließ er sein Zimmer und stolperte prompt über ein Seil, das vor seiner Tür gespannt gewesen war. Mit einem dumpfen Knall fiel er auf die kalten Fliesen und sah auf. Lachend flog Luna davon, Estrella folgte ihr kichernd in der Gestalt eines bunten Vogels. Er schlug mit der Faust auf den Boden. Diese nervigen Kinder! Er rappelte sich genervt wieder auf und machte das Seil ab. Wieso mussten die beiden nur immer Streiche spielen? Genervt warf er das Seil in die nächste Ecke. Wie sollte er die Mädchen nur ins Bett bekommen?
"Luna! Estrella! Kommt sofort her!", schrie er durch die Casita, aber wie erwartet passierte nichts. Camilo verdrehte genervt die Augen. Konnten sie nicht wenigstens ein Mal auf ihn hören?! Er sah das magische Haus hilfesuchend an, aber das zuckte nur mit den Ziegeln. Es schien also genauso ratlos wie der Teenager zu sein. Was nun? Was könnte die Zwillinge noch dazu bringen, zu ihm zu kommen, damit er sie ins Bett bringen konnte? Da fiel ihm etwas ein. Die Mädchen waren genauso hungrig wie er und genauso wie Camilo selbst, lehnten sie nie ein Essen ab. Seine Tante Julieta hatte bestimmt ein paar Arepas übrig gelassen, vielleicht konnte er die Zwillinge damit locken. "Na gut, dann spielt weiter verstecken! Ich hole mir etwas zu essen!" Nichts passierte, aber davon ließ sich der gerissene Teenager nicht beeinflussen. Er ging in die Küche und wie er es vermutet hatte, stand ein Teller mit Arepas auf dem Esstisch. Perfekt. Er nahm sich den Teller und setzte sich damit auf eine Bank im Innenhof. Genussvoll und lauter, als es nötig war, begann er die Arepas zu essen, um die Mädchen anzulocken. Diese saßen auf Casitas Dach und hatten jedes Wort ihres älteren Cousins gehört. Sie wollten ihm noch einen Streich spielen, aber gleichzeitig hatten sie auch Hunger und wollten unbedingt auch eine der leckeren Arepas ihrer Tante haben! Nur wie sollten sie an Camilo vorbeikommen, ohne geschnappt zu werden? Ins Bett wollten sie nämlich noch nicht! Es war ja noch nicht einmal dunkel und es war ohnehin unfair genug, dass sie nicht mit auf das Blumenfest gedurft hatten! Also mussten sie eben zuhause ihren Spaß haben. Da kam Luna eine Idee. Sie beugte sich zu ihrer jüngeren Schwester, die neben ihr auf dem Dach saß und an ihrem Kleid spielte.
"Lita, ich hab eine tolle Idee!", flüsterte sie ihrer Schwester aufgeregt zu.
"Welche denn?", hakte Estrella neugierig nach.
"Du gehst runter und verwandelst dich. Dann lenkst du Camilo ab und ich klaue die Arepas!", antwortete Luna, Estrella nickte.
"Ja, gute Idee!", stimmte sie zu und verwandelte sich prompt in einen kleinen bunten Kolibri. Sie flog nach unten, auf ihren Cousin zu. Dieser ahnte nichts von dem Trick der Zwillinge und stand auf, um sich Estrella zu schnappen, doch der kleine Kolibri war wesentlich schneller als er. Luna flog sofort hinunter und schnappte sich den Teller, worauf Camilo sich umdrehte und nach der älteren seiner Cousinen greifen wollte, aber da flog sie schon wieder davon und Camilo fiel wieder einmal auf den Boden. Genervt knurrend blieb er auf den kalten Fliesen liegen. Diese nervigen Monster! Er brauchte einen neuen Plan! Da kam ihm eine Idee. Wenn die Mädchen ihre Gaben benutzten, um ihn zu veräppeln, dann konnte er das auch! Er hatte mit seiner Gabe schließlich sehr viel mehr Erfahrung als die Kinder! Er rappelte sich auf und als er sich sicher war, dass Estrella und Luna ihn nicht beobachteten, schlich er sich leise aus der Tür und bat Casita, leise zu sein und ihn nicht zu verraten. Das Haus schwieg, was Camilo als Zustimmung sah. Grinsend versteckte er sich im Schatten des großen Daches und sah sich um. Keiner war zu sehen, sehr gut. Dann würde er mit seinem Plan loslegen. Ohne große Mühen verwandelte er sich in seinen Onkel Bruno, dem Vater von Estrella und Luna. Sie liebten ihn abgöttisch und sobald er nur kurz das Haus verließ und wieder zurückkam, wurde er wie verrückt umarmt und geknuddelt. So konnte er die beiden Mädchen vielleicht einfangen und sie ins Bett bringen. Und wenn danach noch Arepas übrig waren, würde er die essen. Als er an sich heruntersah, trug er den abgetragenen grünen Poncho seines Onkels und fühlte sich bereit, die Zwillinge ebenso hinters Licht zu führen wie sie ihn. Als er in die Casita kam, dauerte es nur wenige Sekunden, bis Estrella und Luna nach unten kamen und ihn stürmisch umarmten. Mit ihren kleinen Armen zerquetschten sie Camilo förmlich, er hätte nicht gedacht, dass die beiden so eine Kraft hatten!
"Papá! Du bist wieder da!", rief Luna, aber Camilo antwortete nicht. Stattdessen hielt er die beiden fest und verwandelte sich zurück. Die Zwillingsmädchen sahen ihn beinahe schon schockiert an. "Camilo! Du hast uns reingelegt!"
"Ja, so wie ihr mich. Aber jetzt ist Schluss, wir gehen ins Bett. Na los, vamos, es ist schon spät und ich will keinen Ärger mit eurem echten Vater bekommen!"

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Ist Camilo ein guter Babysitter? Würdet ihr ihn auf eure Kinder aufpassen lassen? Bin neugierig! :)

Cassy

Madrigal Kindergeschichten mit meinen CharakterenWhere stories live. Discover now