Der geheime Verehrer

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Carla, Estrella, Luna, Dolores, Isabela

Carla, Isabela und Dolores saßen im Schatten eines großen Baumes auf dem Schulhof. Die dreizehnjährigen Cousinen verbrachten in der Schule eine Menge Zeit zusammen und hielten sich dabei meistens von ihren kleinen Geschwistern fern, die ebenfalls in die kleine Schule in Encanto gingen. Carla strich sich die Falten ihres schwarzen Kleides glatt und versteckte ihre Narbe hinter ihren langen schwarzen Locken. Diese Narbe besaß sie, seit sie fünf Jahre alt war, nachdem ihr eigener Großvater sie mit einem Messer angegriffen hatte. Trotz der Versuche ihrer Tante Julieta, war die Narbe nie vollends verschwunden und Carla schämte sich auch etwas dafür. Die anderen Kinder im Dorf hatten sie deswegen recht lange gehänselt und ausgeschlossen, aber mit der Zeit hatte sie gelernt, darüber zu stehen und war selbstbewusster geworden. Obwohl sie sich immer noch etwas für die Narbe an ihrer Wange schämte, die wie ein teuflisches Grinsen aussah, gehörte sie nun einmal zu ihr und sie hatte gelernt, damit zu leben. Sie lehnte ihren Kopf gegen den Stamm des großen Baumes und schloss müde die Augen. Sie hatte heute Morgen fast verschlafen und wenn Casita sie nicht geweckt hätte, wäre sie vermutlich zu spät zur Schule gekommen. Sie war immer noch müde und wollte nur zurück ins Bett, aber der Schultag ging noch ein paar Stunden und sie musste durchhalten - ob sie wollte oder nicht. In diesem Fall wollte sie nicht. Besonders, weil sie nach der Pause Mathe hatte und darin war sie so begabt wie ihr Vater - nämlich gar nicht. Sie hätte lieber Kunst oder Spanisch, denn damit konnte sie wenigstens etwas anfangen! Oder Kräuterkunde, das fand sie auch sehr interessant. Sie sah ihrer Tante Julieta gerne beim Kochen zu, denn die kannte sich auch sehr gut mit Kräutern aus und Carla sog ihre Weisheiten wie ein Schwamm in sich auf. Sie öffnete ihre Augen wieder, als sie die aufgeregten Stimmen ihrer beiden Schwestern Estrella und Luna hörte. Die Zwillinge waren erst seit einem Jahr in der Schule und waren noch recht wild und verspielt. Carla spielte zwar ab und an mit ihnen, aber in der Schule machte sie das nur ungern. Da wollte sie in den Pausen lieber die Ruhe genießen. Die Zwillingsmädchen, die sich auch heute wieder genau gleich gekleidet hatten, um ihre Lehrer zu verwirren, blieben vor ihrer Schwestern und ihren Cousinen stehen. Grinsend sahen sie ihre ältere Schwester an, die die Augen verdrehte. Was konnten die beiden denn jetzt schon wieder wollen?
"Carla, gerade eben hat ein Junge etwas in deine Tasche gemacht!", rief Luna aufgeregt, Estrella nickte.
"Ja, da war ein Herz drauf!", stimmte sie ihrer fünf Minuten älteren Schwester zu. Verwirrt sah Carla ihre Cousinen an. Isabela bekam ständig Liebesbriefe zugesteckt, sie war schließlich perfekt, und auch Dolores hatte einige Verehrer im Dorf, aber Carla wurde meistens von den Jungs im Dorf gemieden. Konnte es wirklich sein, dass sich ein Junge in sie verliebt hatte? Oder war das nur ein böser Scherz? Wenn ja, dann konnte dieser Junge etwas erleben! Was Carla allerdings wunderte, war, dass sie nichts von einem Jungen gehört hatte, der sie mochte. Dank ihrer Gabe konnte sie Gedanken lesen und hörte jedes gedachte Wort um sie herum, aber von einem Jungen, der für sie schwärmte, hatte sie nichts mitbekommen. Hatte dieser Junge vielleicht seine Gedanken kontrolliert, damit sie es nicht mitbekam? Möglich wäre es. Oder es war nur ein weiterer Beweis dafür, dass es diesen Jungen gar nicht gab und das alles nur ein böser Scherz war? Trotz dieser Zweifel stand sie auf.
"Ich sehe mal nach", entschied sie und sah ihre Schwestern wieder an. "Aber ihr bleibt hier, ja? Ich kann euch dabei nicht gebrauchen!" Aber so leicht ließen sich ihre kleinen neugierigen Schwestern nicht abwimmeln. Leise schlichen sie ihrer Schwester nach, die mit Dolores und Isabela zurück ins Klassenzimmer ging, um nach diesem Brief zu sehen, der vermutlich in ihrer Tasche war. Tatsächlich ragte die Ecke eines kleinen Briefes aus ihrer Tasche, Carla ging neugierig darauf zu und zog den Brief heraus. Es war kein Absender darauf geschrieben, nur ihr Name und ein kleines rotes Herz. Wer konnte diesen Brief wohl geschrieben haben? Luna und Estrella spähten neugierig ins Zimmer, versteckten sich allerdings hinter der Wand, um nicht entdeckt zu werden. Normalerweise wäre Estrella als Fliege in den Raum geflogen, da sie die Gabe hatte, sich in alle möglichen Tiere zu verwandeln, aber in der Schule war es den Madrigal-Kindern untersagt, ihre Gaben zu benutzen. So wollten die Lehrer eine Gleichberechtigung sicherstellen und abgesehen von Dolores und Carla, die ihre Gaben nicht kontrollieren konnten, wurde diese Regel auch streng umgesetzt. Also mussten die beiden neugierigen Kinder sich damit begnügen, von der Tür aus zu beobachten, was im Klassenzimmer der höheren Klasse passierte. Carla öffnete neugierig den kleinen Umschlag, ihre Cousinen sahen ihr neugierig über die Schulter. Ein kleiner Brief kam zum Vorschein, den Carla vorsichtig auseinander faltete, um ihn lesen zu können.

Liebe Carla,
Du kennst mich vielleicht nicht, aber ich kenne dich. Du bist das schönste Mädchen der Stadt und ich kann nicht aufhören an dich zu denken, obwohl ich mich dazu zwinge, damit du es nicht hörst. Ich mag dich wirklich sehr, aber ich traue mich einfach nicht, dich anzusprechen. Ich weiß, dass das eine sehr seltsame Bitte ist, aber ich würde gerne mit dir ausgehen. Ich kann verstehen, dass du nicht mit einem Fremden ausgehen willst, aber bitte, sollte deine Antwort dennoch Ja sein, dann leg diesen Umschlag auf den roten Schrank am Eingang der Schule. Ich würde mich sehr darüber freuen und ich werde dir meine Idenität offenbaren, wenn du zustimmst. Am nächsten Tag wird der Brief wieder auf dem Schrank liegen, mit meinem Namen und dem Ort, wo wir uns treffen werden. Ich hoffe, dass du kommst!

Dein geheimer Verehrer

Isabela und Dolores quietschten aufgeregt auf, während Carla krampfhaft nachdachte. Sollte sie sich wirklich darauf einlassen? Eigentlich wollte sie sich nicht mit einem Fremden treffen und das alles könnte wieder nur ein böser Scherz sein. Andererseits war sie wirklich neugierig und wäre froh darüber, zu erfahren, wer dieser Junge war.
"Und? Wirst du mit ihm ausgehen?", fragte Dolores aufgeregt, Carla nickte.
"Ja, ich glaube schon", antwortete sie. "Ich bin zu neugierig, ich muss wissen, wer das ist." Sie faltete den Brief sorgfältig zusammen und ging mit ihren Cousinen zurück nach draußen, im Vorbeigehen legte sie den Brief auf den roten Schrank. Sie war wirklich gespannt, wer dieser Junge war.

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Sollte ich dazu eine Auflösung machen? Schreibt gerne Feedback oder Theorien, wer es sein könnte, in die Kommentare! :)

Cassy

Madrigal Kindergeschichten mit meinen CharakterenWhere stories live. Discover now