Das Mathe-Problem

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Amalia, Alma, Bruno, Julieta, Pepa

Zwölf Uhr mittags. Die Kirchturmuhr klingelte und die Schüler in der kleinen Schule von Encanto packten erleichtert ihre Sachen zusammen. Der Schultag war endlich vorbei! Amalia, Pepa und Julieta waren wieder die ersten, die ihre Sachen in ihre selbst genähten Taschen gepackt hatten, der jüngste der vier Freunde, Bruno, brauchte mal wieder eine ganze Weile, bis er endlich alles in seine Tasche gepackt hatte. Also warteten die Mädchen geduldig auf ihn, während sie sich über den vergangenen Tag unterhielten. Sie hatten eine Mathearbeit zurück bekommen, die bei den Mädchen recht gut ausgefallen war, nur Bruno war wieder einmal durchgefallen. Seine Stärken lagen eher in den Bereichen Sprache und Kunst, mit Mathe konnte er absolut nichts anfangen - ganz im Gegensatz zu seiner besten Freundin Amalia. Die war ein richtiges Genie in Mathe (eigentlich in allen Fächern, Bruno empfand sie als perfekt), während er nicht einmal das kleine Ein-Mal-Eins beherrschte. Am liebsten wollte er gar nicht nach Hause gehen, seine Mutter würde sicher wieder enttäuscht sein, weil er durch die Klausur gefallen war. Dennoch schulterte er ergeben seine alte, zerrissene Tasche, die davor seinem Vater gehört hatte und klammerte sich an den Riemen. Amalia, Julieta und Pepa bemerkten den Unmut des Achtjährigen sofort und sie umschlossen ihn. Amalia stupste ihn in die Seite und lächelte ihn an, während sie zusammen die kleine Schule verließen.
"Mach dir keine Sorgen wegen Mathe, das kriegen wir hin", beruhigte sie ihren besten Freund und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Ich komme mit zu euch, dann können wir zusammen Hausaufgaben machen. Und deine Mamá wird schon nicht sauer sein." Aber Bruno war sich da nicht ganz so sicher wie seine Freundin. Seine Mutter war das letzte Mal schon sauer gewesen, als er die letzte Mathearbeit verhauen hatte und er wollte nicht noch einmal Ärger bekommen. Nachschreiben musste er die Arbeit sowieso und darauf hatte er noch weniger Lust. Manchmal wünschte er sich, sich in andere Personen verwandeln zu können, anstatt in die Zukunft zu sehen. Er hatte in seiner letzten Vision schon gesehen, dass er durch diese Arbeit fallen würde und das hatte ihn erst recht entmutigt. Wenn er doch nur so perfekt wäre wie Amalia! Die konnte nie etwas falsch machen und war bei allen beliebt! So wäre er auch gerne!
"Genau, hermanito! Wir helfen dir", stimmte Julieta zu und harkte sich bei ihrem Bruder ein. "Und in der nächsten Arbeit läuft es besser, da bin ich mir sicher! Wir lernen mit dir!" Bruno nickte nur und wurde sichtlich nervös, als sie den Hügel zu Casita hinauf liefen. Das magische Haus öffneten ihnen schwungvoll die Tür und als Bruno unsicher stehen blieb, schob Casita ihn aufmunternd weiter. Unsicher betrat er mit seinen Schwestern und Amalia das Haus, in dem seine Mutter Alma in der Küche stand und scheinbar das Mittagessen vorbereitete. Als sie hörte, dass die Tür aufging, drehte sie sich um und lächelte die vier Kinder an.
"Hola, da seid ihr ja wieder! Wie war die Schule?", fragte sie neugierig nach, während die Kinder ihre Taschen ins Esszimmer stellten.
"Gut", antwortete Pepa. "Gibt es schon Mittagessen?"
"Gleich, ihr könnt solange noch ein bisschen eure Hausaufgaben machen", erwiderte Alma, also packten die Kinder unter leichtem, unwilligem Murren ihre Hausaufgaben aus. Als Alma jedoch sah, dass Julieta ihre Mathearbeit aus dem Heft fiel, hob sie diese auf. "Ihr habt eure Arbeiten zurück bekommen?" Bruno schluckte und hielt sofort in jeder Beziehung inne. Die Mädchen sahen ihn mitleidig an, aber sie konnten Alma nicht anlügen, also nickten sie.
"Ja, haben wir", antwortete Pepa, während ein leichter Wind aufkam. Sie war genauso nervös wie ihr Bruder und das äußerte sich aufgrund ihrer Gabe in leichtem Wind. Alma sah ihren Sohn an.
"Wie war deine Arbeit, hijo?", fragte sie nach und gab Julieta ihre Klausur zurück. Bruno schluckte und spielte nervös an einem losen Faden seines Ponchos herum.
"Na ja... nicht ganz so gut", murmelte er ängstlich. "Ich bin wieder durchgefallen." Alma seufzte. Das hatte sie schon beinahe erwartet, denn ihr Sohn war wirklich nicht gut in Mathe und hatte bereits die letzte Arbeit verhauen. Sie schüttelte den Kopf.
"Hijo, du musst einfach mehr lernen! Du wirst das alles später im Leben noch brauchen!", wandte sie enttäuscht ein. "Zeig mir bitte die Arbeit und mach noch ein paar Extraaufgaben, ja? So kann es nicht weitergehen!" Er nickte nur und kickte seiner Mutter seine Tasche zu. Der richtige Ärger würde erst kommen, wenn seine Mutter die Arbeit gesehen hatte, das wusste er. Innerlich hoffte er, dass sie über Nacht das Lesen verlernt hatte. Sie verließ das Esszimmer, um sich wieder um das Essen in der Küche kümmern zu können, während sie sich die Klausur ansah. Amalia lächelte ihn an und setzte sich näher zu ihm.
"Weißt du, ich hab dir deine Mathehausaufgaben wirklich gerne gemacht, aber ich glaube, dass du sie so langsam mal selbst machen solltest. Ich kann dir aber helfen, wenn du willst", sagte sie, Bruno nickte. Innerlich hatte er schon befürchtet, dass er nun seine Hausaufgaben alleine machen musste, denn bisher hatte er sich so gut wie immer davor gedrückt. Dadurch, dass Amalia sehr gut in Mathe war, hatte sie bisher immer seine Hausaufgaben gemacht, aber er musste ihr nun recht geben. Er musste das selbst machen, egal, wie schwierig es für ihn war. Und wenn Amalia ihm half, würde es schon nicht so schlimm werden, oder? Er sah seine Freundin an.
"Na gut, in Ordnung", willigte er ein. "Es geht ja nicht anders."
"Vielleicht hätten wir von Anfang an zusammen lernen sollen, anstatt dir die Arbeit abzunehmen", murmelte Julieta, die die Vernünftigste der vier war. "Wir helfen dir, ok? Das kriegen wir hin und so schwer ist Mathe auch nicht!" Da musste Bruno seiner Schwester widersprechen. Er empfand Mathe als extrem schwer und fühlte sich geradeso im Zahlenraum von null bis zwanzig sicher, aber weiter ging er nur ungern - was in der zweiten Klasse wirklich nicht von Vorteil war. Bis hundert rechneten sie bereits, in allen Formen, aber für Bruno war das so schwer, dass er sich in Mathe meistens hinter den anderen Kindern versteckte oder auf dem Schulhof blieb. Amalia sah ihm seine Sorgen wohl an, denn sie lächelte und stieß ihm in die Seite.
"Wird schon nicht so schlimm, keine Sorge! Wir machen das lustig!", wandte sie ein und sah sich um, bevor sie einen Teller Arepas sah, den Alma wohl für den Nachtisch auf den Tisch gestellt hatte. Sie griff danach und zog den Teller zu Bruno und sich. "Wir machen es mit Essen, ok? Dann können wir die Aufgaben auch essen und es Mathe heimzahlen!" Bruno musste lachen. Diese Nachhilfe schien ganz lustig zu werden und plötzlich schien Mathe auch gar nicht mehr so schlimm zu sein.

Madrigal Kindergeschichten mit meinen CharakterenWhere stories live. Discover now