Streitschlichter

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Bruno, Estrella

Estrella war sauer. Richtig sauer. Ihre Schwester Luna hatte sie mal wieder den ganzen Tag gezwungen, mit ihr im Wald zu spielen, obwohl Estrella sehr viel lieber im Brunnen im Dorf gespielt hätte, um sich abzukühlen. Die Fünfjährige hatte so eine Wut auf ihre Schwester, dass sie nun nach dem Abendessen in ihrem Zimmer saß und sich überlegte, wie sie es ihrer Schwester heimzahlen konnte, dass sie sie immer so herumkommandierte. Es war nicht fair, dass Estella immer das machen musste, was ihre Schwester wollte, nur, weil sie fünf Minuten älter war! Wütend trat sie gegen den Baum, der in ihrem magischen Zimmer stand. Der Baum ließ einige Blätter fallen, die Estrella sich aus den Haaren strich. Ihr Zimmer schien ihr wohl sagen zu wollen, dass der Baum nichts dafür konnte, dass Luna so gemein zu ihr war. Estrella seufzte und tätschelte sanft die raue Rinde des großen Baumes, um sich zu entschuldigen. Sie hatte ihm nicht wehtun wollen, aber sie war einfach so sauer, dass sie sich nicht kontrollieren konnte. Trotzdem wollte sie nicht ihr Zimmer kaputt machen, denn das konnte ja wirklich nichts dafür! Sie wollte lieber Lunas Zimmer kaputt machen, um sie zu ärgern. Sie hatte es ja nicht besser verdient! Also schlich sie sich aus ihrem Zimmer und hörte Lunas Stimme von unten aus der Küche, wo sie wohl noch mit Mirabel etwas nähte. Die beiden hatten unbedingt eine kleine Tasche machen wollen, weil die Zwillinge bald in die Schule gehen würden, aber Estrella hatte nicht länger in einem Zimmer mit ihrer Schwester sein wollen und war gegangen. Sie schlich sich in das große Zimmer ihrer älteren Schwester und ging zu ihrem Schreibtisch. Dort lagen einige Zeichnungen und eine gestrickte Puppe herum, die Luna zusammen mit Mirabel vor einigen Tagen selbst gemacht hatte. Das war nicht fair! Jeder mochte Luna mehr als sie! Mirabel wollte nie etwas mit ihr machen, das war unfair! Wütend zerriss Estrella die ganzen Bilder und auch die kleine Puppe. Sie hasste ihre Schwester und wollte nicht, dass sie diese ganzen tollen Sachen hatte! Sie war so unglaublich gemein und kommandierte Estrella nur herum! Da ging die Tür hinter ihr auf und sie drehte sich um. Ihre Eltern standen mit Luna in der Tür. Sie hatten gerade die Puppe holen wollen, weil Luna ohne sie nicht mit ihrer Tasche weitermachen wollte, aber nun schrie das kleine Mädchen auf und begann zu weinen, ihre Mutter drückte sie beschützend an sich. Bruno kam auf seine Tochter zu, die weiter die Puppe und Bilder zerriss.
"Lita, hey, hör auf!", sagte er streng, aber Estrella war so sauer, dass sie nicht aufhören konnte. "Estrella, stopp jetzt! Hör auf!" Er hielt ihre Hände fest und sah sie ernst an. Sofort fiel Bruno auf, dass Tränen in den Augen seiner jüngsten Tochter standen. "Was ist passiert, mi vida? Wieso machst du die Sachen deiner Schwester kaputt?" Er versuchte ruhig und einfühlsam mit Estrella zu sprechen, er wusste schließlich genau, dass sie sehr verletzt sein musste, wenn sie zu solchen Mitteln griff. Estrella hatte noch nie etwas kaputt gemacht und sie musste unter einem enormen Druck leiden, wenn sie tatsächlich mutwillig die Sachen ihrer Schwester zerstörte. Trotzig blieb das kleine Kind still.
"Du dumme Kuh! Wieso machst du meine Sachen kaputt?!", schrie Luna sie wütend an.
"Du bist selber eine dumme Kuh!", schrie Estrella wütend zurück.
"Hey, stopp, ihr zwei! Sich zu beleidigen ist keine Lösung!", ging Amalia streng dazwischen.
"Komm, Lita, wir zwei gehen mal aufs Dach und beobachten die Sterne. Vielleicht beruhigst du dich dann und erzählst mir mal, was passiert ist, ja?", wandte Bruno ruhig ein, Estrella nickte stumm, also nahm er ihre Hand. "Und Luna, du kannst ja mit Mamá die Puppe reparieren, ja? Ich bin mir sicher, dass Mamá und Mirabel das mit dir zusammen hinkriegen." Er lief mit Estrella nach draußen, im Vorbeigehen streckten sich die Zwillinge die Zunge raus. Ihre Eltern gingen nicht weiter darauf ein und entschieden sich dafür, die Zwillinge erst einmal zu trennen, um in Ruhe mit ihnen reden zu können. Bruno half seiner Tochter auf das Dach der Casita zu kommen, wo sie sich gegen die Wand seines Turms setzten. "So, jetzt rede mit mir, Lita. Was ist passiert? Was macht dich so wütend?"
"Nichts", murmelte Estrella abweisend und kauerte sich zusammen. Bruno seufzte und hob seine Tochter zu sich auf den Schoß, um sie an sich zu drücken und zu umarmen.
"Das kann nicht sein, du machst nicht ohne Grund Sachen kaputt! Hat Luna dich geärgert? War sie gemein zu dir?", fragte er einfühlsam nach und sah seine Tochter liebevoll an, aber Estrella zuckte nur die Schultern. Er strich ihr eine Strähne ihrer schwarzen Locken zurück. "Amor, rede mit mir. Wie soll ich dir denn sonst helfen?"
"Gar nicht. Sonst sagt Luna, dass ich blöd und eine Petze bin!", antwortete sie trotzig und sah stur zur Seite.
"Wieso solltest du denn eine Petze sein? Wenn Luna dich geärgert hat und du mir das sagst, bist du doch keine Petze! Wenn du etwas nicht willst, dann darfst du immer Nein sagen, hörst du? Und wenn dich etwas stört, dann kannst du doch immer zu Mamá oder mir kommen und wir helfen dir, so gut wir können! Also, sag schon. Was ist passiert? Wieso hast du die Sachen kaputt gemacht?", wandte er besorgt ein und strich ihr über den Rücken. "Sag es mir, mi vida. Dann können wir das vielleicht klären." Unsicher sah Estrella ihren Vater an, doch nickte dann. Sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte und er ihr helfen würde.
"Wenn Luna und ich zusammen spielen, muss ich immer das spielen, was sie will! Wir machen nie das, was ich will und das nervt mich! Immer muss ich bei ihr mitmachen und das will ich nicht!", brach es schließlich sauer aus ihr heraus. Bruno seufzte leise. So etwas Ähnliches hatte er sich schon gedacht, schließlich kannte er seine beiden Töchter und auch aus seiner eigenen Vergangenheit war ihm das nicht unbekannt.
"Das hat dich ganz schön geärgert, nicht wahr? Das kann ich verstehen, ich wäre da auch sauer. Weißt du, ich bin ja auch mit zwei großen Schwestern aufgewachsen und ich kenne das Gefühl, wenn man überall mitspielen muss, obwohl man nicht will. Deine tías haben mich auch immer zu Spielen gezwungen, die ich total blöd fand und ich war dann auch sehr sauer. Aber ich glaube, dass ich da eine Lösung habe. Die hat Abuela bei uns auch probiert und sie hat gut geklappt", erwiderte er, worauf Estrella ihn neugierig ansah.
"Ach ja? Und was für eine Lösung ist das?", fragte sie neugierig nach.
"Wenn du dich bei Luna entschuldigst, könnten wir es ja so machen, dass wir feste Zeiten festlegen, in denen mal sie und mal du entscheiden darfst, was ihr spielt. Vor dem Mittagessen zum Beispiel Luna und nach dem Mittagessen du. Wäre das eine Idee?", schlug er vor, Estrella nickte und umarmte ihren Vater, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.
"Ja! Danke, Papá, ich hab dich lieb!" Bruno lächelte und gab ihr ebenfalls einen Kuss auf die Wange.
"Ich dich auch, mi vida. Dann komm, wir gehen runter und du entschuldigst dich bei Luna. Sie ist nämlich ganz schön traurig."

Madrigal Kindergeschichten mit meinen CharakterenWhere stories live. Discover now