Gründe

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Wochen vergingen, in denen Jimin und Yoongi erfolgreich ko-existierten. 

Es war nicht so, dass der Jüngere seinem Hyung immernoch auswich, doch das Gespräch suchte er auch nicht wirklich freiwillig. Yoongi schnallte es relativ schnell und ließ dem Jüngeren seinen Abstand. Immerhin hatte er ihm ins Gesicht gesagt, er würde es respektieren, wenn er ihn nicht mehr mochte... ihm auswich... Shit. Dass Jimins Verhalten Yoongi verletzte war dabei nicht von Bedeutung.



Aber zurück zu Jimin: Er hatte Yoongi seinen Ausrutscher zwar verziehen, aber ihm wurde dadurch auch klar, dass er dem Älteren nicht näher kommen wollte.  

Denn - fuck - er hatte eine Höllenangst.



Dieser Yoongi, hier und jetzt, war anders, als der Yoongi von damals. Nicht, weil er so einschüchternd wirkte, hah- nein. Sondern weil er so... so... argh! Jimin konnte es nicht mal in Worte fassen! Yoongi war einfühlsam, hilfsbereit, viel sozialer, als er ihm in Erinnerung geblieben war und er brachte Jimins Herz zum Klopfen. Also klopfen - klopfen! ba dum, ba dum, ba dum!

Kurz gesagt: Yoongi konnte einfach viel zu viel in Jimin kaputt machen.

Jimin erklärte es Tae ungefähr so:
Wenn andere erfuhren, dass Jimin mit weiblichen Geschlechtsteilen geboren und großgeworden war, konnten sie ihn verachten, auslachen, ja sogar demütigen, so viel sie wollten. Inzwischen konnte er damit umgehen. Inzwischen wäre es ihm egal.

Klar, seine Karriere wäre im Eimer, aber er hätte immernoch Taehyung, der ihm den Rücken freihielt. All die penetranten Stimmen, die ihm Tag und Nacht zuflüstern wollten, er sei nicht gut genug, konnte er inzwischen gut ausblenden.

Doch mit Yoongi war es anders.
Es war anders und das war ihm bis zum Augenblick der Auseinandersetzung nicht bewusst gewesen.

Es hatte so höllisch wehgetan, als Yoongi ihn, genau wie alle anderen, in Schubladen gesteckt hatte. Er wusste nicht, wieso, aber Jimin wünschte sich von dem Älteren, dass er ihn einfach so nahm, wie er war. So, wie er es ihm einmal geschrieben hatte:

"[...] Ich wünsche mir für dich, dass die anderen dich einfach so nehmen, wie du bist, Jimin. Man sollte jemanden nicht verurteilen oder runtermachen, nur weil man nicht in deren Norm passt. Nein, du solltest einfach sein dürfen, wer du bist. Punkt.
Ich hab diesen Luxus leider nicht. Meine Eltern checken es nicht. Sie wollen, dass ich irgendwas mit Finanzen mache, HAH--- Echt mal, ich will doch einfach nur Musik machen! 
Ich glaube fast, bei mir ist der Zug abgefahren... ich komm bald in die Oberstufe und ich hab echt keinen Bock mehr, mich ständig mit denen zu streiten. Das geht inzwischen jede Woche so.
Aber du... Du könntest es schaffen! Weißt du schon, ob du jetzt Tänzerin werden willst? Wenn ja, hoffe ich echt, dass deine Eltern nicht so beschissen sind wie meine... und dass du glücklich wirst. Fuck, bitte werd glücklich, Jimin! [...]"

Frustriert faltete er den Brief wieder zusammen und ließ ihn auf sein Bett fallen.

Jimin hatte sich immer gefragt, ob Yoongi ihn auch als Junge akzeptiert hätte. Irgendwie hatte er nach diesem Brief damals die Hoffnung gehabt, es wäre so, aber... das war ja auch alles nur auf ihre Berufswahl bezogen und- ernsthaft? Jimin war damals erst wie alt gewesen? 12? 13?

Jimin war jung gewesen. Zu jung. Und außerdem noch verängstigt, dumm, eingeschüchtert. Seine Soziale Phobie hatte ihn in dieser Zeit so unter Kontrolle gehabt, dass er mehrere Wochen lang nicht mehr aus dem Haus ging. Nicht zum Tanzen, nicht in die Schule, nicht einmal zu Taehyung.

Taehyung und seine Eltern waren alles, was er noch hatte. 

Alle seine Freunde hatten ihn genauso fallen lassen, wie er es befürchtet hatte. Selbst sein Bruder hatte sich in dieser Zeit von ihm zurückgezogen, weil er nicht wusste, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte (mittlerweile waren beide wieder cool miteinander; er war es sogar, der Jimin auf seine Bitte hin die kleine Kiste mit den Briefen vorbeigebracht hatte).

Aber warum war diese Zeit so krass?
- Jimin war es einfach leid gewesen.

Er war müde.

Müde vom Schmerz, den er aufgrund des Hasses und der Demütigungen empfand, die er tagtäglich in der Schule über sich ergehen lassen musste.

Müde vom Frust, den er wegen seines eigenen Körper empfand.

Müde vom Ekel, der in ihn hineinkroch wie widerliche Würmer, sobald er sich selbst im Spiegel sah.

Erbärmlich.

Hässlich.

Dick

Ekelhaft.

Die Stimme in seinem Kopf schien er zu dieser Zeit einfach nicht abschalten zu können.



Und dazu kam natürlich, dass er sich nicht vorstellen konnte, was passieren würde, wenn Yoongi - der Junge, in den er damals absolut verknallt gewesen war - ihn genauso sah, wie alle anderen auch.

Allein der Gedanke ließ seinen Bauch, seinen Körper, seinen Geist nervös verkrampfen.

Also hatte der Jüngere den Kontakt von sich aus abgebrochen, mit der Ausrede, sich selbst zu schützen und das Leid zu ersparen.

Einen Schlussstrich zu ziehen.




Aber das war im Hier und Jetzt sowieso egal.

Das Schicksal war ein absolutes Arschloch in Jimins Augen.

Der Ältere war zu einem noch viel besseren Menschen geworden, als er es damals schon gewesen war und Jimin raufte sich als Reaktion auf diese Erkenntnis verzweifelt die Haare.

Er war noch lange nicht über Min Yoongi hinweg und wenn sich nicht bald was an ihrer Wohnsituation ändern würde, würde der Jüngere vor lauter Frust und Verzweiflung noch vom Dach springen.

Sie lebten im selben kleinen Apartment, sahen sich täglich fast ununterbrochen und Yoongi war derjenige, der seine Stimme aufnehmen und den Track für ihr Debüt zusammenbasteln musste.

Fuuuck!

Jimin fühlte sich ausgeliefert. Hilflos. Denn Yoongis Stimme weckte die schlafenden Schmetterlinge in seinem Bauch, seine Blicke raubten Jimin regelmäßig den Atem, seine Lyrics provozierten - leicht - versaute Träume und Fantasien und - shit - seine Berührungen zündeten mehrfach am Tag kleine Flammen in seinem *hust* an, you know?

Man, echt jetzt, selbst der Gedanke an all das, ließ Jimin nervös vor seinem Bett auf und ab laufen. Mit einem tiefen Seufzer nahm er sich sein Duschzeug und schlurfte ergeben ins Badezimmer. 





In Selbstmitleid versinken, konnte er auch unter der Dusche.

I am Jimin - a yoonmin ffWhere stories live. Discover now