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Als die Fähre anlegte, schnappte ich mir meinen Koffer und zog ihn hinter mir den Steg hinunter. So langsam bekam ich doch ein schlechtes Gewissen. Vor allem, da mir jetzt wieder dir Worte von Celia einfielen: Versetzt dich doch mal in ihre Lage, Alina. Sie hat schon ihre Tochter verloren, da möchte sie nicht auch noch ihr Enkelkind verlieren. Seufzend blieb ich stehen. Vielleicht hatte ich wirklich überreagiert. "Soll ich dir vielleicht helfen?" fragte mich eine unverkennbar männliche Stimme. Ich drehte mich um. Colin stand vor mir und grinste mich verschmitzt an. "Nein danke, ich komm schon klar." Ich wollte weiter, doch er hielt mich am Arm zurück. "Lass dir helfen, Alina." Ohne auf meinen Protest zu achten nahm er mir meinen Trolli aus der Hand und zog ihn hinter sich her. Ich wollte ihn gerne fragen, woher er wusste, dass er mich an jemanden erinnerte. Aber er hatte bereits den Weg zu meinem zu Hause eingeschlagen. Scheinbar ging er selbstverständliche davon aus, dass ich ihm folgen würde. Arroganter...dann fiel mir etwas ein. Ich hatte ihm gar nicht gesagt wo ich wohne und trotzdem hatte er auf Anhieb das kleine Häuschen gefunden. "Keine Sorge, ich bin kein Stalker. Aber die Insel ist so winzig, da weiß man irgendwann wo wer wohnt." Meint Colin, als hätte er meine Gedanken gelesen. Inzwischen war es ganz schön warm geworden und mir wurde heiß in meiner dünnen Strickjacke. Ich zog sie aus und schlang sie mir um meine Hüfte. "Ist der Kerl eigentlich dein Freund?" fragte Colin plötzlich. "Welcher..." setzte ich an, verstummte aber, als ich Kirans Wagen vor dem Tor stehen sah und Kiran, der sich lässig vom Wagen abstieß und uns entgegen kam. "Ja, bin ich. Aber hier übernehme ich wieder" sagte er und nahm Colin meinen Koffer aus der Hand. Obwohl sie nicht miteinander sprachen, hatte ich doch den Eindruck als würden sie sich kennen. Als sein Blick auf mich fiel wurde sein Blick weich. "Hallo, mein Engel." Perplex lies ich es zu, dass er mir einen keuschen Kuss auf die Lippen drückte, der meine Lippen in Brand setzte. Wieder regte sich leiser Wiederwille in mir. Obwohl ich den Kuss offensichtlich genoss, schien mein Körper doch etwas dagegen zu haben. „Wie ich sehe, brauchst du mich nun nicht mehr. Viel Spaß euch zwei." Colin grinste verschmitzt und warf Kiran einen eindeutigen Blick zu. Dann drehte er sich um und joggte zurück Richtung Hafen. „Wir sollten reingehen. Es gibt ein bisschen was zu besprechen fürchte ich." Kiran nahm meine Hand und zog mich durch das Gartentor aufs Grundstück.

Nach dem ich in ein T-Shirt und bequeme Shorts geschlüpft war, packte ich meinen Koffer aus. Kiran war im Bad, ich hörte das Rauschen der Dusche. Er schien sich hier wie zu Hause zu fühlen. Plötzlich war ich mir auch nicht mehr sicher, ob ich das wollte. „Du benimmst dich schwachsinnig, Alina" schimpfte ich leide mit mir. „Er hat dich gerettet. Ohne ihn wärst du jetzt auch Tod." Das hätte ich besser nicht denken sollen. Bilder von Nele rauschten wieder durch meinen Kopf und deutlich blieb das Bild hängen, als sie blutüberströmt auf dem Sand lag. Mühsam schluckte ich die Tränen hinunter. Draußen schien die Sonne. Das perfekte Wetter um sich mit einem guten Buch nach draußen in die Hängematte zu legen. Das würde mich auch auf andere Gedanken bringen. Ich schnappte mir mein Lieblingsbuch, die Sonnenbrille und Sonnenschutz. Dann ging ich die Treppe nach unten. Draußen war es warm, aber es war angenehm und wenn die Umstände nicht so...merkwürdig gewesen wären hätte ich es vielleicht sogar genossen, sturmfrei zu haben. Zum ersten Mal seit fast 6 Stunden gestatte ich mir, mich komplett zu entspannen. Sofort lies das dumpfe Pochen hinter meinen Schläfen nach, das mich schon seit der Abfahrt vom Festland begleitete. Ich stieß mich mit dem Fuß ab und lies die Hängematte leicht schaukeln. Mit geschlossenen Augen lies ich mit die Sonne ins Gesicht scheinen und machte mir keine Gedanken darüber, dass sich meine Sommersprossen jetzt wohl verdreifachen würden. "Na, Sonnengöttin." Erschrocken zuckte ich zusammen und wäre um ein Haar aus der Hängematte gefallen, hätte mich Kiran nicht aufgefangen. "Erschreck mich doch nicht so" fuhr ich ihn an. Mein Herz pochte und der klebrig, blutige Traum verzog sich nur langsam aus meinem Kopf. Ich musste wohl eingeschlafen sein. Er musterte mich und setzte sich schließlich mit mir auf den Boden. Ich rappelte mich hoch und klopfte mir das Gras vom Hintern. Schließlich stellte ich die Frage, die mich seit einigen Stunden beschäftigte. „Seit Wann bist du mein Freund?" Kiran blinzelte kurz überrascht. Scheinbar hatte er nicht damit gerechnet. „War ich das nicht schon eine geraume Zeit?" "Hast du zu viel Sonne ab bekommen? Erst verlässt du mich und dann fällt dir ein, dass ich deine Freundin bin?" Ich versucht das alles möglichst gelassen zu sagen, scheiterte aber kläglich. "Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich meine Gründe hatte, als ich dich verlassen habe, Alina." Seine Stimme wurde schärfer. "Oh, der Herr hatte seine Gründe. Die konnte er mir natürlich nicht sagen" meinte ich sarkastisch. "Weißt du was, Kiran? Du kannst mich mal. Erst bringst du mein Leben durcheinander, dann verschwindest du, tauchst irgendwann wieder auf um mich zu retten und jetzt bin ich deine Freundin?" Mit jedem Wort wurde meine Stimme hysterischer. "Bin eigentlich nur von Verrückten umgeben?" Wütend stampfte ich mit dem Fuß auf. Eine Angewohnheit von mir, wegen der mich Nele immer aufgezogen hatte. Nele. Könnte ich eigentlich irgendwann an sie denken, ohne dass es schmerzte, dass ich am liebsten in Tränen ausbrechen könnte? Ehe ich mich versah hatte Kiran mich auf den Boden zu ihm gezogen und seine Arme um mich geschlungen. "Ich weiß, dass du durcheinander bist, Alina und ich weiß, dass das hier alles nicht leicht für dich ist. Aber vertrau mir bitte wenn ich dir sage, dass deine Großmutter einen Grund hat dir nicht sofort die Wahrheit zu sagen." Ich löste mich von ihm. "Dann erklär du mir, was los ist. Du hast diese...Wesen am Strand gekannt." Ich wusste nicht, woher diese Erinnerung kam. Aber mir einem Mal wurde mir bewusst, das Kiran nicht sonderlich glücklich über den Tod dieser Monster gewesen war. "Ich kann und darf es dir nicht erklären, Prinzessin. Ich habe nicht das Recht dazu, mich da einzumischen." Er hielt mich immer noch fest. Ich spielte mit seinen immer noch feuchten Haaren, da ich nicht wusste wohin mit meinen Händen und dachte über seine Worte nach. "Du hast so bedrückt gewirkt, als du sie da so liegen gesehen hast." Er dachte nach. "Es wird sich alles aufklären." sagte Kiran nur und ich merkte, dass er nicht mehr darüber sprechen wollte. Also schlang ich meine Arme wieder um seine Schultern und vergrub meinen Kopf an seiner Brust. Ich fühlte mich geborgen und am liebsten wäre ich für immer so liegen geblieben. Auch das neue seltsame Bauchgefühl hielt diesmal die Klappe und ich entspannte mich noch ein bisschen mehr. Doch leider meldete sich mein Magen, der knurrend nach etwas Essbaren verlangte. „Wann hast du das letzte Mal was gegessen?" Kiran sah mich scharf an. „Ich weiß es nicht mehr." Gestand ich kleinlaut. Er schnalzte tadelnd mit der Zunge und stand mit mir auf. Wie ein Äffchen schlang ich meine Beine um seine schmalen Hüften. „Ich bin doch viel zu schwer für dich" nuschelte ich an seinen Hals, doch er lachte nur und setzte mich in der Küche auf einen der Esszimmerstühle. „Warte hier, ich koche." Meinte er und verschwand in der Küche.

Genießerisch schloss ich die Augen, als ich mir die erste Gabel von der Gemüselasagne in den Mund schob. Dieser Mann konnte kochen und er war arrogant genug, um diese Tatsache ganz genau zu wissen. „Und du bist sicher, dass du Architekt und nicht Koch bist?" fragte ich ihn. „Ja, ganz sicher." Wieder schmunzelte er und sah mir dabei zu, wie ich den letzten Bissen verspeiste. „Und jetzt?" fragte ich. „Jetzt mach ich den Abwasch." Mit diesen Worten nahm er meinen Teller und ging zurück in die Küche. Du musst ihn unbedingt halten, Alina. Dann musst du nicht verhungern und nie wieder den Abwasch machen sagte ich mir und trank einen Schluck von meinem Wein, den Kiran aus den Tiefen des Vorratsschrankes geholt hatte. Gedankenverloren spielte ich mit dem Stiel und dachte an meine Großmutter. Vielleicht sollte ich sie anrufen und ihr sagen, dass es mir leid tat. Morgen beschloss ich und schmiegte mich in Kirans Arme, der mir von hinten die Arme um den Hals schlang. „Wie wäre es mit einem Filmeabend?" fragte er und zog mich schon vom Stuhl hoch ins Wohnzimmer. „Klingt nicht schlecht." Kiran war bereits dabei, meine DVD-Sammlung zu durchforsten. Schließlich hielt er einen meiner Lieblingsflime hoch. „Ist dieser hier der Madame genehm" fragte er und blickte mich mit seinen blauen Augen so durchdringen an, dass ich kurz den Faden verlor. „J...Ja" stotterte ich und wurde rot. Kiran legte den Film in den Player und startete ihn. Er kam zu mir und setzte sich neben mich. Wie selbstverständlich zog er mich auf sich, so dass ich halb auf ihm lag. „Bleib liegen, mir gefällt das" meinte er, als ich von ihm runter rutschen wollte. Also blieb ich liegen und kuschelte mich an ihn. Warum konnte eigentlich keiner in solchen Momenten die Zeit einfach anhalten?

Siren CallWhere stories live. Discover now