II

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Mein Dad ist schwul.

War der erste Gedanke, den ich einmal unabhängig von der Situation meiner Familienangelegenheiten fasste. Immer nur dachte ich über die Konsequenzen dieser Tatsache nach, aber noch nie über sie selbst.

"Mein Dad ist schwul", flüsterte ich vor mich hin. Es war stockdunkel und Greg's ziemlich schmales Bett knarzte unter uns.
"Da hast du Recht." Greg drehte sich zu mir, lächelte mich an und klopfte mir auf die Brust. Ich wusste nicht, dass er noch wach war.

"Was mach ich jetzt?"

"Was willst du machen? Du wartest, bis er es dir offiziell sagt, dann musst du schauspielerisches Talent beweisen und so tun, als wärst du überrascht, dann sagst du ihm, dass du froh bist, dass er jetzt so leben kann, wie er will und dann... ja dann gehen wir weiter aufs College und das Leben geht weiter", schmiedete Greg nachts um drei meinen Plan für die weitere Vorgehensweise.

"Das hört sich eigentlich nicht schlecht an. Aber dass das alles so nicht kommen wird, ist uns doch beiden klar, oder? Da ist noch jede Menge Drama und Stress und Streit dazwischen."

"Mag sein. Sam, ich weiß, das sag ich jetzt so flapsig, aber mach dir nicht so viele Gedanken. Du musst das jetzt alles so nehmen, wie es kommt", munterte mich Greg weiter auf und mit einem tiefen Atemzug beendete ich unser nächtliches Gespräch.

Vielleicht will er ja irgendwann auch wegziehen, weil er Angst vor dem Getratsche der Nachbarn hat.

Oder Mom kommt mit der Situation nicht klar und wird depressiv?

Und bin ich mir überhaupt sicher, dass ich damit klarkomme, dass sich auch mein Leben gewaltig ändern würde?

Wo soll ich an Weihnachten hin?

Diese Fragen quälten mich den Rest der Nacht noch weiter, ehe ich es um sieben Uhr für angemessen empfand, Greg mit einem energischen Schubsen aufzuwecken.

"Bist du schon wach?", fragte ich, während ich ihn mit meinem Ellenbogen in die Seite stieß.

"Au! Ja, jetzt schon! Das geht auch etwas sanfter!", jammerte er mit seiner verschlafenen, kratzigen Stimme.

"Sorry, ich war übermotiviert", zwinkerte ich ihm zu und wartete, bis er sich ausgiebig gestreckt hatte.

"Und? Irgendwelche neuen Erkenntnisse zu gestern?", fragte er mich, während er sich seine Augen rieb.

"Nein. Nur noch mehr Fragen. Aber keine Antworten." Ich suchte mit meiner linken Hand nach meinem Handy, das irgendwo am Boden liegen musste.

"Hey Großer! Mom und ich müssten morgen mit dir etwas besprechen. Und dann wäre ich gern noch mit dir unter vier Augen. Wir könnten Angeln gehen und ein letztes Mal vor deinem College-Abgang einen kleinen Männertrip an den See machen?
Dein Dad

"...Dein Dad", las ich die letzten Worte der Nachricht noch einmal laut vor und Greg hob im Halbschlaf den Kopf. "Hat er dir geschrieben?" "Ja. Er will mit mir Angeln gehen und mit mir etwas besprechen." "Was das wohl sein wird?", fragte Greg ironisch. Er war immer ein Stimmungsaufheller. In manchen Situationen musste ich dreimal überlegen, ob ich jetzt lachen durfte, oder ob einer seiner Witze nun moralisch absolut unter der Gürtellinie war. Letztendlich hatte ich mich bis jetzt immer für das Lachen entschieden.

THE BREAK OF COFFEEDonde viven las historias. Descúbrelo ahora