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Mom, was machst du schon wieder am Laptop?" Zugegeben eine etwas schroffe und unhöfliche Begrüßung. Erschrocken drehte sie sich schnell in meine Richtung und klappte den Computer mit der rechten Hand zu. Warum erschreckst du so? Hast du uns nicht kommen hören? Wir haben ziemlich Krach gemacht, das hättest du hören müssen", stellte ich gleich eine zweite Frage hinterher. Doch natürlich hab ich euch gehört." Und warum erschreckst du so und knallst den Laptop zu? Machst du da verbotene Sachen, von denen ich keinen Wind bekommen darf?" Ich ging weiter auf sie zu und sie stand vom Stuhl auf. Ihre Hand drückte sie auf meine Brust, als müsste sie sichergehen, dass ich genügend Abstand zu diesem Gerät hatte. Ganz genau das mache ich", zwinkerte sie mir zu komm, wir machen Kaffeepause."

Ich musste meine Neugierde wieder zügeln, obwohl mir das seit Jahren von Greg anders antrainiert wurde. Man musste so lange nachfragen und nerven, bis sein Gegenüber kapitulieren würde und jede noch so kleine Info ausspuckte. Kommst du jetzt? Der hat ein Passwort, da kommst du eh nicht rein!" Je mehr sie mir den Zugang verwehrte, desto mehr wollte ich ihn, aber dann erinnerte ich mich an den Kontext. Meine Mutter war Anfang vierzig, hatte so viel Ahnung von Technologie, wie ich von Quantenphysik und konnte dadurch nicht allzu viel mit diesem Laptop anfangen. Wahrscheinlich tummelte sie sich in Foren herum, auf welchen sich geschiedene Frauen rege ausgetauscht hatten - und meine Mom, die wahrscheinlich auf einen Forumseintrag aus dem Jahre 2007 geantwortet hatte und nun seit Tagen auf eine Antwort wartete. Ich musste lachen bei dieser Vorstellung, denn abwegig war sie auf keinen Fall. Mit Milchschaum oder ohne?" Ohne." Wieso denn immer ohne?" Sie wäre schon in den Standlöchern gestanden, mir den Milchschaum aufzugießen, aber bei mir stieß sie da auf wenig Beifall. Aber die Maschine macht den besten! Den hab ich in keinem Café bisher so bekommen wie aus der! Kam sie immer mit ihrem einen und einzigen Überzeugungsargument. Sie wollte aus diesem Vollautomaten alles rausholen, was ging und mir eben nicht einfach nur einen schwarzen Kaffee servieren, denn den konnte jede dahergelaufene Filterkaffeemaschine genauso gut. Mom, ich will keinen, ich bin laktoseintolerant, da ändert auch der beste Milchschaum der Welt nichts daran", erklärte ich und drückte den Knopf für einen banalen schwarzen Kaffee.
Dir entgeht was", brabbelte sie in ihren Milchschaum hinein und begutachtete dann den schönen Farbverlauf ihres Latte Macchiato der sieht so schön aus, den will ich gar nicht umrühren, aber sonst schmeckt er nicht so gut." Siehst du, ich kann meinen genau so trinken, wie er aus der Maschine kommt" Mom lachte und sah mir dabei zu, wie ich zwei Löffel Zucker umrührte also, fast."
Ich will euch nicht stören oder die Stimmung bedrücken", unterbrach Dad unsere Kaffeepause aber ich hab jetzt alles", er hob seine zwei Koffer, die er in den Händen hielt, leicht hoch und ich werd jetzt ins Hotel gehen. Ihr wisst ja, wo ihr mich findet", verabschiedete er sich. Ich stand auf und half ihm ein paar Sachen ins Auto zu tragen. Ein moderner, taupefarbener SUV. Den hatten sie sich letztes Jahr gekauft, vom Erbe meiner Großmutter, Dads Mom. Mom hat gar nicht Tschüss gesagt", merkte Dad bedrückt an, was mir eben gar nicht aufgefallen war. Die wird bestimmt gerade am Tisch sitzen, sich sammeln und die letzten Tränen aus den Augen wischen und dann kommt sie gleich, ich kenn sie doch", sagte ich und hörte hinter mir ein Schluchzen. Sie stand in der Haustür und lächelte verlegen an mir vorbei zu Dad.
Pass auf dich auf", murmelte sie in seine Jacke, denn Dads enge Umarmung ließ kaum Luft zum Atmen. Ich hab dich lieb", flüsterte er in ihre Haare und küsste sie genau dort. Ich dich auch."
Für mich gab es nur ein männliches Handabklatschen mit anschließendem Schulterklopfen. Sorg dich bitte ein wenig um sie, Großer." Großer. Ich war zehn Zentimeter kleiner als er. Aber wenn er mich in Relation zu Mom setzte, dann war ich tatsächlich der Große, was bei ihren einen Meter achtundfünfzig nicht schwer war.

***

Jetzt ist er weg." Mom lag neben mir in ihrem Ehebett und hatte die Finger verschränkt. Ich sah ihr an, dass sie eigentlich das Bedürfnis hatte, jetzt hemmungslos zu weinen, bis das Kissen tropfnass war, aber meine Anwesenheit hielt sie davon ab. Ich war im Zwiespalt: Sollte ich gehen und sie einfach alles herausweinen lassen, was in ihr drin war, oder sollte ich hier bleiben und ihr beiseite stehen?
Jahrelang hast du dir gewünscht, dass er geht und dich in Frieden dein Leben leben lässt und genau das hast du jetzt", versuchte ich es mit ziemlich schlecht gewählten aufbauenden Worten, wenn man bedachte, weswegen sie sich scheiden ließen.
Ja, aber doch nicht so! Hast du gesehen, wie er mich angeschaut hat, als ich im Türrahmen gestanden bin und mich verabschieden wollte? Das tut so weh." Mom, du kannst dir doch bestimmt auch denken, was Dad und ich beim Angeln gemacht und geredet haben, oder?" Hat er es dir wirklich gebeichtet?", fragte meine Mom überrascht. Gebeichtet hat er mir gar nichts. Das muss man nicht beichten. Das muss man nur sagen", korrigierte ich sie. Er hat es mir gesagt und ich muss ehrlich sein, mein Bild von ihm hat sich gewaltig geändert. Ich hab ihm das noch nicht verziehen, was er uns durchleben hat lassen, aber ich versteh ihn besser. Der hat viel durchgemacht, wovon wir nichts wussten, obwohl wir immer in nächster Nähe waren", erklärte ich ihr meinen Standpunkt und Mom seufzte tief. Lange wartete ich auf eine zustimmende Antwort, doch sie bekam ich nicht. Ich glaub, du solltest jetzt ins Bett gehen." Ja, ist vielleicht besser so." Als ich das Schlafzimmer verlassen hatte, hörte ich ihm Bad stehend, wie auch Mom über den Korkboden tapste. Ich musste grinsen, als ich meine Zimmertür öffnete, denn das Licht, dass den Flur leicht erhellte, kam direkt aus ihrem Büro.

THE BREAK OF COFFEEWhere stories live. Discover now