Kapitel 6

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"Hast du den Kartoffelsalat eingepackt?", fragte ich Basti, der neben mir auf dem Beifahrersitz Platz nahm.

Unser Deal war, dass ich zu meinen Eltern fuhr und er wieder zurück. Mir zu Liebe hatte er sich bereit erklärt, nüchtern zu bleiben, damit ich trinken konnte.

"Ja, ich habe an alles gedacht. Den Salat, der Kuchen, die Geschenke, die Amaryllis. Es ist alles eingepackt. Wir können los!" Ich machte meine Weihnachtsplaylist an, die mehr zu bieten hatte, als nur Wham und Mariah Carey. "Fahr bloß vorsichtig! Es ist alles überfroren", warnte mich Basti.

Tatsächlich sah unsere kleine Nebenstraße aus, wie ein Spiegel.

Bevor ich auf das Gaspedal trat, sah ich noch einmal zu Finns Haus, dessen Mauern mit Lichterketten und Tannenzweigen verziert war. An der Tür hing ein Schild mit der Aufschrift Merry Christmas. Das Auto stand in der Einfahrt. Maddy und er feierten Weihnachten heute zuhause. Ich vermutete, dass ihre Eltern zu Besuch waren, da auch ein Auto mit Münchener Kennzeichen dort stand.

Ich bekam diese Nacht nicht aus dem Kopf. Ich wollte sie wirklich vergessen und verdrängen, doch es ging nicht. Immer wieder flackerte dieser Moment vor meinem inneren Auge auf. Und jedes schlug mein Herz schneller bei dieser Erinnerung. Gefolgt von einem intensiven Scham- und Schuldgefühl.

"Worauf wartest du?", fragte Basti und sah mich ungeduldig an. "Fahr los! Oder willst du erst zu Ostern da sein?"

"Sorry", sagte ich schnell und setzte den Wagen in Bewegung.

Während wir zu meinen Eltern fuhren, begann es zu schneien. Dicke Flocken fielen wie Federn vom Himmel. Frau Holle machte heute extra Überstunden für uns.

Meine Mutter erwartete uns bereits am Gartentor, als ich das Auto nach einer Stunde Fahrzeit vor dem Zaun meines Elternhauses abstellte. Wie immer hatte Papa Fackeln am Wegesrand aufgestellt und ein aufblasbarer Schneemann stand im Garten.

Es war schön wieder hier zu sein, doch ich wusste jetzt schon, dass es auch anstrengend werden würde. Und das nicht nur, weil meine Eltern im Alter immer wunderliche wurden, sondern auch weil meine Schwester ihre pubertierende Phase nie abgelegt hatte und sich immer noch für eine Rebellin hielt.

Sofort schloss meine Mutter mich herzlich in ihre Arme. Es gab doch kaum etwas Besseres als eine Umarmung von Mama.
"Schätzen, ich freue mich so dich zu sehen. Zum Glück seid ihr gut angekommen. Die Straßen sind ja furchtbar glatt! Und dann noch dieser ganze Schnee!" Sie wandte sich Basti zu und schloss ihn ebenfalls in eine Umarmung, jedoch deutlich distanzierter. Ich wusste, dass sie ihn nie gemocht hatte, doch Mama hatte sich immer Mühe gegeben, dies nicht zu zeigen. "Frohe Weihnachten! Schön, dass du auch gekommen bist!"
Mama hatte sich Locken eingedreht und ich wusste genau, dass sie das Stunden gekostet hatte. Sie trug ein festliches Kleid und Ohrringe, die ich ihr aus einem Urlaub aus St. Petersburg mitgebracht hatte. Sie hatte richtig hübsch gemacht und Basti hatte ich nicht einmal dazu überreden können, ein Hemd zu tragen.

"Hübsch siehst du aus", ließ ich sie wissen.

Geschmeichelte lächelte sie und strich sich das Kleid glatt. Ich wusste, dass Papa ihr viel zu selten solche Komplimente machte. Also übernahm ich das.

"Danke! Du hast dich aber auch schick gemacht."

Dann half sie uns beim Auspacken der des Kofferraums. Mein Papa begrüßte uns, als wir zu ihm in die Küche kamen, wo er gerade in einer Suppe rührte. Der Duft von frischen Kräutern und Zimt stieg mir in die Nase. In meiner Familie war der Vater immer für das Kochen zuständig gewesen.

"Ich hoffe, ihr habt Hunger mitgebracht", begrüßte er uns uns wischte sich die Hände an seiner Schürze ab. Dann zog auch er uns ebenfalls in eine Umarmung.

Me and my damn LifeWhere stories live. Discover now