Kapitel 4

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Finn hatte mich zurück auf die Tanzfläche gelockt. Ein paar Schluck Sekt hier und eine Tasse Glühwein dort ließen mich lockerer werden und meine Sorgen für einen Moment vergessen. Der DJ hatte zudem seine Schmusephase überwunden und ließ nun die Beats durch den Saal schallen.

Ich fühlte mich wieder wie 20, als ich noch dachte, dass die 30er das Jahrzehnt der Familienplanung und des Hausbaus sein würden. Wie naiv ich doch war...

Mit der Zeit wurden meine Wangen rot und heiß. Schweißperlen bildete sich am Nacken unter meinen Haaren. Das waren die besten Nächte. Die Nächte, in denen man tanzte bis einem die Füße weh taten und man aussah, als hätte man den HIIT-Kurs im Fitnessstudio mit Bravour absolviert.

Finn tauchte in meinem Blickfeld auf. Er winkte mich zu sich heran. Ich sah ihm an, dass er auch ein wenig über den Durst getrunken hatte. Seine Mundwinkel schienen auf der Höhe der Ohrläppchen fixiert zu sein. Auch seine Wangen waren leicht gerötet.

Ich näherte mich ihm und spürte, wie mein Gang nicht die gewohnte Stabilität hatte. Es war ein wenig, als würde ich auf Wolken laufen.

"Hey", sprach ich ihn an.

"Hey", erwiderte er euphorisch. Selten hatte ich ihn so betrunken gesehen. Für gewöhnlich war Finn immer jemand, der sich selbst gut unter Kontrolle hatte. "Dahinten gibt es einen Fotoautomaten! Hast du Lust?"

Diese Frage brauchte er mir nicht zweimal stellen.

"Klar!"
Er legte seinen Arm um meine Schulter und führte mich zu dem Automaten.

"Zuerst Beauty-Face, dann Grimasse, dann Weihnachtlich und Bild Nummer 4 machen wir spontan. okay?"

Ich wiederholte seine Worte und überlegte mir schon mal, wie ich mein Gesicht entsprechend in Szene setzen würde.

Finn zog den roten Samtvorhang auf. Es stand nur ein kleiner Hocker dort. Ohne zu zögern setzte er sich drauf und klopfte dann auf seinen Schoß.

"Komm, nimm Platz", forderte er mich auf, als wäre es das normalste der Welt, dass ich auf seinem Schoß Platz nahm.

Vorsichtig ließ ich mich auf seinen Oberschenkeln nieder. Er legte seine Arme um meinen Rumpf. In meinem Kopf begann der Schleudergang loszulegen. Alles schien sich zu drehen und doch fühlte es sich gut an.

Dann drückte er den Knopf und ich setzte mein süßestes Lächeln für das erste Foto auf. Es blitzte hell. Ich streckte die Zunge raus und riss die Augen auf, für Foto Nummer 2. Wieder wurde es für einen Bruchteil einer Sekunde hell. Dann hielt ich mir meine Zeigefinger an die Stirn, mit dem Ziel ein Rentier darzustellen. Wieder blitzte ist.

Bild Nummer 4 war spontan. Ich sah zu Finn, um zu schauen, was er tat. Er blickte mich ebenfalls an. Plötzlich lagen seine Finger auf meinen Wangen und er legte seine Lippen auf meinen ab.

Blitz.

Es war kurz hell.

Dann war es still.

Seine Lippen lagen immer noch auf meinen.

Ich ertappte mich selber dabei, wie ich seinen Kuss erwiderte. Ich schloss die Augen und ließ mich in den Moment hineinfallen.

Das Blut in meinem Körper schoss durch die Adern. Mein Haut kribbelte, als wäre ich ein Ameisenhaufen.

Ich öffnete meine Augen wieder und wich ein Stück zurück. In Finns Augen erkannte ich die gleiche Unsicherheit, die auch in mir drin war.

Was taten wir hier?

Keiner von uns wagte es, ein Wort zu sagen.

Wir waren beide in einer Beziehung. Er sogar in einer glücklichen.

Me and my damn LifeOù les histoires vivent. Découvrez maintenant