Ein Monster mit Macht

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Ich hatte eins.

Ich balle eine Faust um das Säckchen und bevor ich denken kann, zücke ich das kleine Messer, das die ganze Zeit über an in meiner Ärmel gut versteckt lag. Ich lasse den Finger in seine Hand fallen und die Klinge lege ich ihm an den Hals. Er bleibt ruhig. Legt ganz normal und gelassen den Finger ebenfalls hinter sich auf den Tisch. „Ein Messer? Althea, versuchst du etwas mit mir zu flirten?" Ich drücke es fester gegen seine Haut. Weiß, dass sich Zane hinter mir bereit hält, merke aber auch, wie Isaac ihm zu verstehen gibt, dass er nicht einschreiten sollte.

„Ich bin vielleicht grade in deiner Gewalt, aber bilde dir nicht ein, du würdest mich kennen oder besitzen. Ich könnte dir jetzt die Kehle aufschneiden und du könntest nichts dagegen unternehmen." Er drückt sich selbst gegen meine Klinge, bis unsere Nasenspitzen sich beinahe berühren. „Du würdest deinen Tod besiegeln."

„Ich bin nichts, mein Tod ist genauso wertlos wie deiner.", entgegne ich kalt. Er schmunzelt und dann spüre ich plötzlich eine seiner Hände, die sich auf meinen unteren Rücken legt. Ich zucke beinahe vor der Berührung zusammen. nicht weil sie plötzlich oder erschreckend ist, nein, sondern weil sie so gewaltlos ist. Würde ich ihm nicht grade ein Messer an den Hals drücken, könnte man tatsächlich denken, es wäre eine freundliche Geste. „So düster.", scherzt er rau und drückt mich an sich. Ich darf die Fassung nicht verlieren, aber als mein Körper gegen seinen Körper drückt , seine Hand so nah an meinem Arsch, dass ich nur darauf warte, dass sie die letzten Zentimeter auch noch runter rutscht und seinem Gesicht nur einen Hauch vor meinem, ist es schwer mich auf den Dolch in meiner Hand zu konzentrieren.

„Wenn du mich so unbedingt töten willst, kriege ich dann noch einen Kuss bevor du mir die Kehle durch schneidest?" Er weiß es. Ich kann ihn nicht töten. Ich kann es nicht, so sehr ich es auch will. Ich kann es nicht und es macht mich verrückt, dass er selbst jetzt die Oberhand hat. Selbst jetzt, wo ich über Leben und Tod entscheiden kann, entscheide ich nicht wirklich. Seine Augen scheinen in diesem Moment grüner als sonst. Als würde das Giftige darin sich nur so ergötzen an dieser Szene. „Я тебя ненавижу" Ich hasse dich., knurre ich direkt an seine Lippen, die sich zu dem Schein eines Grinsens verwandeln. „Wer tut das nicht?" Ich atme noch einmal schwer vor Wut ein und wieder aus, dann ziehe ich den Dolche weg und will einen Schritt zurück, doch bevor ich wegtreten kann, werde ich mit zwei Händen herumgeschleudert. In der nächsten Sekunde werde ich zwischen Schreibtisch und Isaacs Körper geschlossen. Meine Hand mit dem Dolch auf das Holz gedrückt, sodass es mir nichts mehr nutzt.

„Du bist eine Mörderin, Althea. Ein Monster, das nicht existieren dürfte, aber vergiss nicht, dass ich nicht der Gute in unserem Spiel bin. Ich bin das Monster mit der Macht, die dich gefangen hält. Also pass gut auf, und überlege dir jeden deiner Züge genau, denn jeder könnte dein letzter sein." Sein hartes Gesicht schwebt über meinem. Ich versuche mit Ruck mich aus seiner Klemme zu befreien, aber vergeblich. Sein Gewicht drück mich an den Tisch, sein eines Bein zwischen meinen, sodass ich nicht einmal nach ihm treten kann. „Erinnere dich daran. Erinnere dich hier ran, wenn dir deine Wut und dein Stolz das nächste Mal über den Kopf wächst." Bevor ich was sagen könnte, nähert sich sein Kopf meinem Hals. Ich versuche irgendwie auszuweichen, strecke mich so weit es geht nach hinten über den Tisch, aber das bringt nichts. Erst spüre ich, wie er über eine Stelle meines freiliegenden Halses leckt. Ich erschaudere und meine Haut beginnt sofort an zu kribbeln. Als seine Zunge an die Stelle zwischen Schulter und Hals kommt, bohren sich plötzlich Zähne in mein Fleisch. Ich quietsche leise auf. Nicht vor Schmerz.

Als er sich von mir löst, geht mein Atem mindestens doppelt so schnell. Durch meinen Körper zischen hunderte kleine Blitze, die ich nicht zuordnen kann. „Ich wünsche dir eine erholsame Nacht, Мой дьявол."

Er lässt mich los. Geht von mir und lässt mich einen Augenblick wie erstarrt am Tisch stehen. Reiß dich zusammen., der kleine vernünftige Funken, den ich noch nicht verloren habe, meldet sich. Ich gehe vom Tisch weg und lasse den Dolch, den mir Isaac warum auch immer nicht abgenommen hat, wieder in meinem Ärmel verschwinden. Isaac ist um den Tisch herum gegangen, sein Glas in seiner Hand. Sein Blick so kalt und hart, als wäre nichts passiert. Als ich zur Tür schaue, fällt mir Zanes Anwesenheit wieder auf. Er steht kerzengrade etwas rechts vor der Tür. Guckt so, als hätte er nichts gesehen und trotzdem kann ich es nicht verhindern, dass mir die Röte in die Wangen steigt. „Ich will dich noch einmal sprechen, wenn du sie auf ihr Zimmer gebracht hast.", meint Isaac hinter mir zu Zane. Sie, einfach nur sie. Kein Name, kein Spitzname. Ich bin es nicht wert vor anderen erwähnt zu werden. „Natürlich, Sir." Ich hätte gerne einen verachtenden Kommentar abgelassen oder irgendeinen schlechten Witz gerissen, aber das Gefühl, das Kribbeln auf meiner Haut, wo er mich gebissen hat, hält meine Zunge in Schacht.

Zane geht mir voraus, die Türen werden geöffnet und er führt mich allein durch die Gänge. Nicht eine Sekunde versucht er mir meine kleine Waffe abzunehmen und ich denke nicht eine Sekunde daran, sie zu benutzen. Keiner sagt ein Wort. Als wir vor meiner Tür ankommen, beschließe ich, dass ich das so nicht stehen lassen kann. Im Türrahmen drehe ich mich zu ihm um. Er bleibt stehen, guckt mir in die Augen, aber sagt kein Wort. „Das da drinnen ist nie passiert. Ich schwöre bei den sieben Höllen ich werde dir deine Zunge rausschneiden und sie dir in den Hals stopfen, wenn du auch nur ein Wort darüber verlierst, was da drinnen passiert ist." Sein Kinn, seine Haltung, alles bleibt aufrecht und in Form. Er zuckt nicht mit der Wimper. Nicht mal amüsiert ist er. „Charmante, wie immer. Ich versichere dir, was in diesem Büro passiert verlässt niemals seine Wände, wenn es Isaac nicht wünscht." Dann bete ich, dass er genau das nicht tut. Ich mustere meinen Wachen noch einmal genau, dann verschwinde ich in meinem Zimmer und höre mit schwerem Kopf, wie das Schloss abgeriegelt wird.

Ein Monster. Ein Monster ohne Herz, das gefangen ist. Wie recht er doch hat. Verdammt sei er. Verdammt sei dieser Hurensohn. Und verdammt sei ich. Mein Körper, meine Gefühle, die ich selbst nach Jahren des Trainings noch immer nicht zu hundert Prozent im Griff habe. Es waren keine Gefühle, es war ein Verlangen. Etwas natürliches., korrigiere ich. Doch den Gedanken daran, an diese Berührungen, seine Hand, das Kribbeln, seine Zähne... Stopp.

Bevor ich noch eine Sekunde länger über ihn oder das, was er mir angetan hat, nachdenken könnte, stapfe ich ins Bad. Ziehe mir schon auf dem Weg meine Klamotten aus, um dann unter die eiskalte Dusche zu hüpfen. Kopf und Haut müssen gereinigt werden, sonst werde ich noch verrückt. Wenn ich das nicht schon längst bin. Nach meiner Dusche behalte ich erstmal einen kühlen Kopf. Wir haben mitten in der Nacht und ich muss morgen wieder früh raus, also sollte ich schlafen, aber als ich mich ins Bett lege, mit meinem kleinen Schatz, dem Dolch, unter meinem Kissen, kriege ich nicht ein Auge zu. Nicht nur Isaacs Worte springen in meinem Schädel herum, nein, ich spüre, wie in mir etwas zu bröckeln beginnt. Die Mauer, die ich mir mühevoll durch Schmerzen und Disziplin über 5 Jahre lang aufgebaut habe. Sie ist mein Schutz, mein Schutz vor all dem, was mich zerstören könnte. Und auf keinen Fall darf ich diesen Schutz, diese Mauer in mir fallen lassen. Ich habe nicht umsonst gelitten, nicht umsonst unzählige getötet, um jetzt in Gefangenschaft schwach zu werden. Ich muss ihn besiegen, ihn hassen und muss das bleiben, was ich bin. Ein Monster. Eine Mörderin. Der schwarze Wind.

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Als mir später in der Nacht nun doch irgendwann die Augen zufallen, holt mich etwas ganz anderes ein. Diese Nacht ist nicht wie die anderen. Ich wache weder schweißgebadet aus einem Albtraum auf, noch träume ich von nichts. Ich träume von Isaac. Ohne dass ich was dagegen hätte unternehmen könnte, träume ich davon, wie er mich anfasst. Nicht an meinem unteren Rücken, viel weiter untern. Selbst im Traum kann ich seinen Bissabdruck spüren, die Stelle die rot im Spiegel prangte, kann ich ganz genau spüren. Das Kribbeln, mein Verlangen und er ist den ganzen Traum über ganz nah bei mir. Um ehrlich zu sein, nicht nur bei mir. Über mir, in mir, hinter mir. Er nimmt mich völlig ein.

Als ich am nächsten Morgen durch das Klopfen Zanes geweckt werde, öffne ich die Augen und liege in einem völlig zerwühlten Bett. "Срань господня" Heilige Scheiße.

Der Teufel ist eine Frau |✔️Where stories live. Discover now