»Ich denke nicht, dass ich irgendwo anders besser aufgehoben wäre als hier. Ich muss Euch danken, Helion.«

Er machte eine verwerfende Handbewegung. »Das ist nicht der Rede wert. Es freut mich, dass du mein Gast bist.«

Ich lächelte zaghaft, ehe ich nach einem der mit Verziergold besprenkelten Schokopralinen griff. Ich reichte danach die Schachtel Helion, der sich ebenfalls eines entnahm.

Helion biss in der Mitte durch und zeigte mir dann das Innere der anderen Hälfte. »Schokoladencreme«, sagte er.

Ich zeigte ihm meine, die pink glänzte. »Himbeere«

Er nickte anerkennend, ehe er sich den Rest in den Mund warf. Diese Pralinen hatte Wallis vor einigen Wochen zum Training gebracht, die wohl ein Geschenk gewesen seien. Der Absender war nicht vermerkt gewesen, aber seither liebte ich diese Pralinen. Auf der violetten Schachtel war der Name »Lunis« vermerkt. So hießen wohl der Laden und der Hersteller selbst. An dem Tag hatte Helion gesehen, wie ich mit der Schachtel auf dem Schoß im Schlossgarten auf dem Rasen saß und jede einzelne Praline probierte. Als ich gemerkt hatte, dass sie unterschiedlich gefüllt waren, hatte die Neugier die Überhand gewonnen. Und seit ich Helion die Schachtel gereicht, er mir das Innere seiner Praline gezeigt hatte und ich das meiner, war es zu einem kleinen Spiel zwischen uns geworden. Aßen wir die Pralinen, wurde erst die Füllung herausgefunden, ehe sie gegessen wurden. Wir beide fanden Himbeere am besten.

»Ich hörte, dass dir der Schattensänger geschrieben hat«, sagte Helion und biss in eine weitere Praline. Er zeigte mir das Innere - Nougat - und warf sich auch die andere Hälfte in den Mund.

Die Schmerzen waren zu einem dumpfen Ziehen geschrumpft, sodass ich mich etwas aufrechter hinsetzen konnte. »Ja«, sagte ich und kaute auf der Hälfte meiner ersten Praline. Mein Blick driftete in Richtung der riesigen Fenster, durch die die untergehende Sonne hineinstrahlte. Ich schluckte. »Er ist wieder am Nachthof, aber heute sollte die Höhlenstadt ankommen. Ich hoffe, dass alles nach Plan verlief und es keine Probleme gab, wie beim letzten Mal.«

»Machst du dir Sorgen?«

Ich nickte. »Ich kenne diese Leute. Sie sind keine besonders netten Fae.«

»Das kam mir bereits zu Ohren. Aber ich schätze, ihre Feindseligkeit am eigenen Leib zu erfahren ist nochmal was ganz anderes.«

Ruckartig fand mein Blick den von Helion. Er sah mich aus etwas zusammengekniffenen Augen an und lächelte nachdenklich. Auch sein Kopf war zur Seite geneigt, sodass seine langen schwarzen Haare über die Schultern fielen. »Woher-«

»-ich das weiß?«, unterbrach er mich.

Ich ließ die Hand mit der fast aufgegessenen Praline auf meinen Schoß sinken, ohne den Blick von Helion abzuwenden.

»Du vergisst, dass wir versuchen, die Quelle deiner Magie herauszufinden. Und das war das einzige deiner Vergangenheit, was du weder uns noch Rhysand offenbart hast.«

»Ihr habt Rhysand nach mich ausgefragt?« Ich konnte nichts gegen die schleichende Panik in meiner Stimme tun. Vielleicht schwang auch ein wenig Anschuldigung mit.

Helion ging auf keines der beiden ein. »Ja.« Es war ein einfaches Wort. So kurz und so vielfältig einsetzbar. Und trotzdem jagte es mir einen Schauer über den Rücken. Ich schluckte.

Der Ruf des SchattensängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt