𝐃𝐑𝐄𝐈 - nächtliche Begegnungen

80 13 53
                                    

𝐖𝐄𝐈𝐒𝐒 𝐒𝐎𝐖𝐄𝐈𝐓 das Auge reichte. Im Norden, Osten, Süden, Westen nur weiß, mal verklärt durch dichten Nebel, mal verheißungsvoll glitzernd durch die in der Entfernung strahlende Sonne, mal rissig durch Eisschollen, mal mit Hufspuren von riesigen Herden verziert.

Spätestens jetzt wurde den Studenten bewusst, dass das wirklich stimmte - die Geschichte vom Zauber von Weihnachten und so. Und selbst wenn sie es nicht durch den Flug in den geflügelten Schneemobilen oder den unendlichen kahlen Weiten des Weihnachtswinterlandes geglaubt hätten, dann wären sie wohl beim Anblick des Wichteldorfs zu Gläubigern geworden.

Viele Holzhütten, durch verwinkelte Pfade verbunden, die sich um hohe Tannen schlängelten, versammelten sich vor einem riesigen Fabrikgebäude, das seinen imposanten Schatten auf die kleinen Behausungen warf. Doch dieser Schatten war nicht bedrohlich oder einschüchternd, er besaß die Aura einer schützenden Hand, die väterlich über sie wachte.

Die Fabrik streckte sich mit ihren spitzen Türmen dem weißen Himmel entgegen und - glitzernder! - Dampf entstieg in die Atmosphäre.  Eine Glaskuppe gewahrte einen flüchtigen Blick ins Innere und tiefgrüne Gewächse rankten sich an den Türmen entlang in luftige Höhen. Die große Eingangstür war in einem satten, dunklen Rot gestrichen und ein riesiges Geschenkeemblem signalisierte, was hier hergestellt wurde - die Geschenke der Welt.

Die Geschenke der braven Welt, wie sich Jeongguk dachte, den Namjoon mit seinem Gegenargument nicht überzeugt hatte. Obwohl Jeongguk auch gar nicht von etwas anderem überzeugt werden wollte - nicht, weil er so festgesessen in seiner Meinung war, dass er nichts Dagegensprechendes hören wollte, sondern weil er einfach unheimliche Befriedigung darin fand, ein nerviges kleines Arschloch zu sein.

Als sie über die Hütten hinwegflogen - in ihnen wohnten die Wichtel in kleinen Gemeinschaften, so erklärte es Seokjin den Menschen durch ihre Luftblasenhelme - fiel ihnen auf, dass alle Häuser individuell geschmückt waren. Manche hatten rote oder grüne weihnachtliche Symbole an ihren Türen oder in ihren Fenstern kleben, kleine Glocken hingen von den Dachvorsprüngen und begrüßten die Gäste frohlockend mit ihrem Klang oder Büschel von Tannen schmückten die Außenwände.

Die hohen Tannen, um die sich die Pfade schlängelten, waren mit echten Kerzen erleuchtet und wie von Zauberhand komplett schneefrei. Ihren intensiven, waldigen Geruch konnten die jungen Männer erschnuppern, obwohl sie sich weit oben in der Luft befanden.

Sie flogen über die Behausungen hinweg an der Fabrik vorbei und sahen erst jetzt, wie weit sie sich erstreckte. Sie war wohl mehrere hundert Meter lang und es war beinahe konfus, dass etwas, das offensichtlich für gigantische Massen ausgelegt war, so elegant und friedlich aussehen konnte.

"Das erinnert mich an die Industrialisierung", sagte Jeongguk und seine Stimme wurde in die Luftblasen der Anderen übertragen, "an die riesigen Fabriken, die gebaut wurden, damit sich die einfachen Leute in ihnen halb tot schaffen konnten."

Namjoon erwiderte darauf nichts, doch Jeongguk registrierte zufrieden, wie sich dessen Hände fest um den Lenker wickelten und seine Knöchel hervorstanden. Seokjin, an dem sich Jeongguk festhielt, warf dem Studenten ein Grinsen zu. Yoongi und Taehyung klärten derweil mit einem kurzen Blick, dass keiner von ihnen möglichst viel Zeit mit diesem konfliktreichen Duo verbringen wollen würde.

Es wirkte eh so, als hätte jeder der Wichtel sich schon seinen Schützling ausgesucht. Jimin war zwar etwas schüchtern, aber doch ziemlich versessen auf Taehyung zugegangen (Yoongi konnte es ihm nicht verübeln, Tae in einer Snapback war ein Anblick, bei dem er sich selbst am Anfang ihrer Freundschaft hatte zusammenreißen müssen). Hoseok - Yoongi sollte ihn doch einfach Hobi nennen - hatte ganz selbstverständlich Platz für ihn gemacht.

EIN BRIEF ZU WEIHNACHTENWhere stories live. Discover now