Kapitel 30 - Ungewissheit

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Arkin brauchte nicht lange, um Rafael zu finden. Noch ausgelaugt vom Kampf mit den Assassinen ging er zusammen mit Winter auf ihn zu. Die ganze Stadt schien in Aufruhr zu sein; ohne Unterlass liefen die Wachen umher und durchleuchteten die Gassen. Aber dem düsteren Blick seines Freundes nach zu urteilen, suchten sie vergebens.

Rafael hatte sich von seinem Pferd geschwungen und schritt die Holzfassade eines Hauses ab. Als Arkin näherkam, schien er gerade gefunden zu haben, wonach er Ausschau gehalten hatte, denn er hielt schließlich inne.

"Glaubst du immer noch, das hier wird ein Kinderspiel?", fragte er und beobachtete seinen Freund dabei, wie er einen schwarzgefiederten Pfeil mit einem Ruck aus dem kleinen Riss herauszog, den der Schuss hinterlassen hatte.

Der Blonde kniff argwöhnisch die Augen zusammen. Statt zu antworten, begutachtete er die Pfeilspitze.

"Als hätte sie sich in ein Phantom verwandelt", murmelte er, mehr zu sich selbst als zu seinem Gegenüber.

"Dann hast du sie also auch gesehen." Verwundert hob Arkin die Brauen. "Bist du sicher, dass du auf sie gezielt hast?"

Rafael nickte, ohne aufzusehen. "Absolut." Auf seiner Stirn hatte sich eine tiefe Zornesfalte gebildet, die sich mit seiner Narbe kreuzte und sie noch deutlicher hervorstechen ließ.

"Vielleicht hast du sie verfehlt", mutmaßte Arkin. Rafaels Stolz zu verletzen, war selbst für ihn gefährliches Terrain.

"Ich verfehle nie." Sein Freund spuckte ihm die Worte förmlich vor die Füße. "Irgendwie hat sie es geschafft, meinem Schuss zu entgehen. Er ist einfach durch sie hindurchgeglitten. Dafür gibt es nur eine Erklärung ..."

Bei seinen Worten stutzte Arkin. Er wusste, worauf Rafael anspielte, doch wie groß war die Wahrscheinlichkeit? Ihre Gruppierung war vor Jahrzehnten zerschlagen worden, ihre Anhänger ausgemerzt. Und die seltenen Fälle, in denen Verdacht geschöpft worden war, hatten sich als Irrtum herausgestellt. Er selbst hatte diese bittere Erfahrung machen müssen. Die Erinnerung daran suchte ihn noch immer heim.

Mit einem Mal fiel ihm das Symbol im Staub der Kapelle ein - die Sonne Auras. Konnte es sein ... oder spielte der Zufall ihm einen Streich?

Gereizt verstaute Rafael den Pfeil wieder in seinem Köcher. Dann wandte er sich zu dem Dunkelhaarigen um und musterte ihn abschätzig.

"Du siehst übel zugerichtet aus." Er deutete auf Arkins blutverschmierte Rüstung. "Was ist passiert?"

Dieser winkte nur ab. "Ein Hinterhalt. Nichts, was der Rede wert wäre."

Rafael runzelte die Stirn, beließ es jedoch dabei. Ausnahmsweise schien er nicht in der Stimmung dafür zu sein, ihm jedes Wort mit der heißen Nadel zu entlocken. Stattdessen fiel sein Blick auf Winter und glitt daraufhin suchend umher.

"Und der Bluthund?"

"Tot."

"Das ist ein schlechter Scherz, oder?" Rafael stöhnte genervt und schlenderte zurück zu Gauner, seinem Hengst, der unweit von ihnen unruhig mit den Hufen scharrte. Arkin begleitete ihn. "Warum habe ich das ungute Gefühl, dass du dabei deine Finger im Spiel hattest?"

Dieser zuckte nur mit den Schultern. "Du kennst mich eben."

Rafael strich seinem Fuchs durch die Mähne und hievte sich in den Sattel. Dann schüttelte er resigniert den Kopf. "Aber den Jungen hast du abgeliefert, so wie du es wolltest, ja?"

Arkin nickte. "Ja, er ist wieder bei Mama Mona, der Amme."

"Und du glaubst, das funktioniert?" Rafael warf ihm einen skeptischen Blick zu.

SchattenkinderWhere stories live. Discover now