Kapitel 30 ✔️

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E R Z Ä H L E R

Die Sonne warf inzwischen wieder die ersten schwachen Strahlen auf Hogwarts.
Im Schloss war die Stimmung hoffnungsvoller geworden.
Seit den Angriffen auf Justin und den Fast Kopflosen Nick war nichts mehr passiert und Professor Sprout konnte erfreut berichten, dass die Alraunen launisch und geheimnistuerisch wurden, was hieß, dass sie die Kindheit nun rasch hinter sich ließen.
„Sobald ihre Akne zurückgeht, kann man sie wieder eintopfen.", hörte Harry sie eines Nachmittags mit freundlicher Stimme Filch erklären. „Und danach dauert es nicht mehr lange, bis wir sie zerschneiden und schmoren. Ihre Mrs. Norris haben Sie dann im Nu zurück."
Vielleicht hat der Erbe von Slytherin die Nerven verloren, dachte Harry.
Wenn die Schule so wachsam und misstrauisch war, musste es immer riskanter werden, die Kammer des Schreckens zu öffnen.
Vielleicht ließ sich das Monster, was immer es war, gerade jetzt nieder, um weitere fünfzig Jahre Winterschlaf zu halten...
Ernie Macmillan von den Hufflepuffs teilte diese hoffnungsvolle Überzeugung nicht.
Er war immer noch der Ansicht, dass Harry der Schuldige war und sich im Duellier-Club „verraten" habe.
Peeves war da auch nicht hilfreich; ständig tauchte er in überfüllten Korridoren auf und sang: „Ach Potter, du Schwein...", inzwischen mit einem dazu passenden Tänzchen.
Für Gilderoy Lockhart stand außer Frage, dass er persönlich bewirkt habe, dass die Angriffe aufgehört hatten.
Während sich die Gryffindors für Verwandlung bereitmachten, hörte Harry, wie er dies Professor McGonagall erklärte.
„Ich denke nicht, dass es noch irgendwelche Schwierigkeiten geben wird, Minerva.", sagte er augenzwinkernd und sich ahnungsvoll gegen die Nase tippend. „Ich glaube, die Kammer des Schreckens muss gewusst haben, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich ihn erwischen würde. Ganz vernünftig von ihm, jetzt aufhören, bevor ich ihn mir zur Brust nehmen konnte. Wissen Sie, was die Schule jetzt braucht, ist einen Stimmungsheber. Etwas, das die Erinnerungen an diese Geschichte fortwäscht! Ich will jetzt nicht weiter darüber reden, aber ich denke, ich weiß genau das Richtige..."
Er tippte sich erneut an die Nase und schritt davon.
Was sich Lockhart unter einem Stimmungsheber vorstellte, wurde beim Frühstück am 14. Februar deutlich.

L U N A

Harry und ich hatten wegen eines bis spätabends dauernden Quidditch-Trainings nicht viel geschlafen und ein wenig verspätet rannten wir hinunter in die große Halle.
Einen Moment lang dachten wir, uns in der Tür geirrt zu haben.
Alle Wände waren mit großen, blassrosa Blumen bedeckt.
Schlimmer noch, herzförmige Konfetti schneite vom fahl-blauen Himmel herab.
Harry und ich gingen hinüber zum Gryffindor-Tisch.
Ron hockte da, als ob ihm schlecht wäre und Mine schien in recht kichriger Stimmung.
„Was ist denn hier los?", fragte ich die beiden und schnippte Konfetti von meinem Pfannkuchen.
Ron deutete auf den Lehrertisch, offenbar zu angewidert, um zu sprechen.
Lockhart, mit einem zur Dekoration passenden blassrosa Umhang, gebot armfuchtelnd Schweigen.
Die Lehrer neben ihm saßen mit versteinerten Gesichtern da.
Von meinem Platz aus konnte ich auf Professor McGonagall's Wange einen Muskel zucken sehen.
Snape sah aus, als hätte ihn soeben jemand einen großen Becher Skele-Wachs eingeflößt.
„Einen glücklichen Valentinstag!", rief Lockhart. „Und danken möchte ich den inzwischen 46 Leuten, die mir Karten geschickt haben. Ja, ich habe mir die Freiheit genommen, diese kleine Überraschung für Sie alle vorzubereiten - und es kommt noch besser!"
Lockhart klatschte in die Hände und durch das Portal zur Eingangshalle marschierte ein Dutzend griesgrämig dreinschauender Zwerge.
Freilich nicht irgendwelche Zwerge.
Lockhart hatte sie alle mit goldenen Flügeln und Harfen ausstaffiert.
„Meine freundlichen Liebesboten!", strahlte Lockhart. „Sie werden heute durch die Schule streifen und ihre Valentinsgrüße überbringen. Und damit ist der Spaß noch nicht zu Ende! Ich bin sicher, meine Kollegen werden sich dem Geist der Stunde nicht verschließen wollen. Warum bitten wir nicht, Professor Snape, uns zu zeigen, wie man einen Liebestrank mischt! Und wenn wir schon dabei sind, Professor Flitwick weiß mehr als jeder Hexenmeister, den ich je getroffen habe, darüber, wie man jemanden in Trance zaubert, der durchtriebene alte Hund!"
Professor Flitwick begrub das Gesicht in den Händen.
Snape sah aus, als ob er den Ersten, der ihn nach einem Liebestrank fragte, vergiften würde.
„Bitte, Hermine, sag mir, dass du keine von den 46 bist.", flehte Ron, als wir die große Halle verließen und zum Unterricht gingen.
Mine war plötzlich vollauf damit beschäftigt, in ihrer Tasche nach dem Stundenplan zu kramen, und antwortete nicht.
Also ist sie eine der 46, vermute ich mal.
Den ganzen Tag über platzten die Zwerge zum Ärger der Lehrer in die Unterrichtsstunden und überbrachten Valentinsgrüße und spät am Nachmittag, wir Gryffindors waren gerade auf dem Weg hoch zur Zauberkunststunde, holte einer von ihnen Harry ein.
„Ei, du! Arry Potter!", rief ein besonders grimmig aussehender Zwerg und räumte sich mit dem Ellbogen den Weg zu Harry frei.
Harry versuchte zu entkommen, doch der Zwerg schlug sich schienbeintretend durch die Menge und holte ihn ein, bevor er auch nur zwei Schritte getan hatte.
„Ich hab eine musikalische Nachricht an »Arry Potter persönlich« zu überbringen.", sagte er und zupfte Unheil verkündend an seiner Harfe herum.
„Nicht hier.", zischte Harry und rannte erneut los.
Er tut mir leid.
Ich würde sowas auch nicht wollen.
Stillgestanden!", raunzte der Zwerg, packte Harry's Tasche und zog ihn zurück.
„Lass mich los!", knurrte Harry.
Mit einem lauten Reißen ging seine Tasche entzwei.
Bücher, Zauberstab, Pergament und Federkiel flogen zu Boden und über den ganzen Durcheinander zerbrach auch noch sein gläsernes Tintenfass.
Harry hastete umher, ich half ihm, und versuchte seine Sachen aufzusammeln, bevor der Zwerg zu singen begann.
Im Korridor entstand ein kleiner Menschenauflauf.
„Was geht hier vor?", ertönte die kalte, schleppende Stimme von Draco.
Fieberhaft stopfte Harry alles in seine zerrissene Tasche, verzweifelt darauf aus, zu entkommen, bestimmt bevor Draco den musikalischen Valentinsgruß hören konnte.
Ich schwang schnell meinen Zauberstab und Harry's Tasche war wieder ganz.
Er nickte kurz dankend.
„Was ist denn das für ein Durcheinander?", fragte eine andere vertrauere Stimme, die von Percy.
Harry verlor den Kopf und wollte losrennen, doch der Zwerg packte ihm um die Knie und er stürzte polternd sie Boden.
Armer Harry...
„Schön.", sagte der Zwerg und setzte sich auf Harry's Fußgelenke. „Hier ist dein Valentinslied:

»Seine Augen, so grün wie frisch gepökelte Kröte
Sein Haar, so schwarz wie Ebenholz
Ich wünscht', er wär mein, denn göttlich muss sein
Der die Macht des dunklen Lords schmolz.«"

Oh, süß.
Da hat Harry eine Verehrerin.
Niedlich.
Harry rappelte sich auf.
Unterdessen tat Percy sein bestes, um die Schar der Schüler zu zerstreuen, von denen einige zu Tränen gerührt waren.
„Weitergehen, weitergehen, es hat vor fünf Minuten geläutet, ab in die Klassenzimmer jetzt.", sagte er und schubste ein paar der jüngeren Schüler mit sanfter Gewalt weiter. „Auch du, Malfoy!"
Harry und ich sahen zu Draco hinüber und bemerkten, wie er jäh innehielt und etwas vom Boden auflas.
Höhnisch grinsend zeigte er es Crabbe und Goyle, und Harry und ich erkannten, dass er Riddle's Kalender in der Hand hielt.
„Gib das zurück.", sagte Harry mit ruhiger Stimme.
„Was Potter wohl da reingeschrieben hat?", sagte Draco, der die Jahreszahl auf dem Umschlag offenbar nicht bemerkt hatte und glaubte, es wäre Harry's Kalender.
Die umstehenden verstummten.
Ginny starrte mit entsetztem Blick abwechselnd auf das Buch und Harry.
Percy hob an: „Als Vertrauensschüler -", doch Harry hatte anscheinend die Geduld verloren.
Er zückte seinen Zauberstab und rief „Expelliarmus!"
Und genau wie Snape Lockhart entwaffnet hatte, muss Draco zusehen, wie ihm das Buch im hohem Bogen aus der Hand flog.
Ron, über das ganze Gesicht grinsend, fing es auf.
„Harry!", sagte Percy laut. „Keine Zauberei in den Korridoren. Ich muss das berichten, das weißt du!"
Doch Harry war es anscheinend egal.
Draco sah wütend aus und als Ginny an ihm vorbei in ihr Klassenzimmer ging, rief er ihr hämisch nach: „Ich glaube nicht, dass Potter deinen Valentinsgruß besonders gemocht hat!"
Ginny bedeckte das Gesicht mit den Händen und verschwand durch die Tür.
Schnaubend zog Ron seinen Zauberstab hervor, doch Harry hielt ihn zurück.
Schließlich sollte Ron nicht unbedingt während des ganzen Zauberkunstunterrichts Schnecken spucken.
Ich sah Draco böse an und er wurde etwas klein unter meinem Blick.
Erst als wir Professor Flitwick's Klassenzimmer erreicht hatten, bemerkte Harry etwas und ich auch etwas ziemlich Merkwürdiges an Riddle's Kalender.
All seine anderen Bücher waren mit scharlachroter Tinte durchtränkt.
Der Taschenkalender jedoch war so sauber, wie er gewesen war, bevor das Tintenfass darüber zerbrochen war.
Wir wollten ihn Ron zeigen, doch Ron hatte wieder einmal Probleme mit seinem Zauberstab.
Aus der Spitze traten große purpurne Blasen, was Ron's Aufmerksamkeit ganz und gar im Bann hielt.
Ich sah Harry verwirrt an.
Wie kann das möglich sein?
So einen Zauber habe ich noch nie gesehen, weder von ihm gehört.

Luna Black 2 - Harry PotterWhere stories live. Discover now