Kapitel 14 ✔️

724 24 0
                                    

L U N A

Es wurde Oktober und feuchte Kühle breitete sich über die Ländereien und das Schloss aus.
Eine jähe Erkältungswelle unter den Lehrern und Schülern hielt Madame Pomfrey, die Krankenschwester, in Atem.
Ihr Aufpäppel-Trank wirkte zwar sofort, aber wer ihn getrunken hatte, dem rauchten danach noch stundenlang die Ohren.
Regentropfen, groß wie Gewehrkugeln, trommelten tagelang gegen die Schlossfenster; der See schwoll an, die Blumenbeete verwandelten sich in Schlammströme und Hagrid's Kürbisse quollen zur Größe von Gartenschuppen auf.
Oliver Wood freilich ließ sich nicht beirren und feuerte uns begeistert zu regelmäßigen Training an.
So befanden sich Harry und ich eines stürmischen Samstagnachmittags bis auf die Haut durchweicht und schlammbespritzt auf dem Heimweg zum Turm unseres Hauses.
Draco hatte ich heute abgesagt, da ich sehr erschöpft war.
Vom Regen und Wind mal ganz abgesehen war es alles andere als ein gelungenes Training gewesen.
Fred und George hatten das Slytherin-Team ausgespäht und mit eigenen Augen gesehen, wie schnell sie mit ihren neuen Nimbus Zweitausendeins waren.
Die Slytherins jagten durch die Luft wie Senkrechtstarter, so berichteten die beiden, und seien nur noch als sieben grünliche Dunstschleier aufzumachen.
Als Harry und ich den ausgestorbene Gang entlang stapften, begegnete uns jemand, der genauso besorgt dreinsah wie wir selbst.
Der Fast Kopflose Nick, der Geist der Gryffindor Turms, starrte trübselig aus einem Fenster und brummelte leise vor sich hin: „...ich entspreche den Anforderungen nicht... zwei Zentimeter, wenn das..."
„Hallo, Nick.", sagte Harry.
„Guten Tag, Nick.", begrüßte auch ich ihn.
„Hallo, hallo.", erwiderte der Fast Kopflose Nick und drehte sich erschrocken um.
Er trug einen eleganten Federhut auf den langen Lockenhaar und einen Waffenrock mit Halskrause, so dass man nicht sehen konnte, dass sein Hals fast ganz durchtrennt war.
Er war blass wie Dampf und Harry und ich sahen durch ihn hindurch nach draußen auf den dunklen Himmel und die Sintflut, der sich aus ihm ergoss.
„Ihr seht besorgt aus, der junge Potter und die junge Black.", sagte Nick, faltete einen durchsichtigen Brief zusammen und steckte ihn ein.
„Sie ebenfalls.", sagte Harry.
„Ah.", sagte der Fast Kopflose Nick mit eleganter Handbewegung, „eine Angelegenheit ohne Bedeutung... nicht, dass ich wirklich Mitglied werden wollte... dachte, ich bewerbe mich mal, doch offenbar genüge ich »nicht den Anforderungen«"
Trotz seiner gelassenen Tonfalls hatte sein Gesicht einen Zug von Bitterkeit.
„Aber, nicht wahr, man sollte doch meinen", brach es plötzlich aus ihm heraus, „wenn man vierzig Hiebe mit einer stumpfen Axt auf den Hals bekommen hat, wäre man gut genug für die Jagd der Kopflosen?"
„Oh, äh, ja.", stotterte ich, denn offenbar war hier meine, oder eher unsere, Zustimmung gefragt.
„Ich meine, keiner wünscht sich mehr als ich, dass alles schnell und sauber vonstatten gegangen und mein Kopf endgültig herunter wäre, ich muss sagen, das hätte mir einiges an Schmerz und Gelächter erspart. Allerdings -"
Der Fast Kopflose Nick holte den Brief wieder hervor, faltete ihn auf und las wutentbrannt vor: „»Wir können nur Jäger aufnehmen, deren Köpfe sich endgültig von ihren Körpern getrennt haben. Wie Sie gewiss einsehen, wäre es andernfalls unmöglich, dass die Mitglieder an Jagdvergnügen wie Kopfjonglieren zu Pferde und Kopfpolo teilnehme können. Daher muss ich Ihnen mit dem größten Bedauern mitteilen, dass Sie nicht den Anforderungen entsprechen. Mit den besten Wünschen, Sir Patrick Delaney-Podmore«"
Rauchend vor Zorn stopfte der Fast Kopflose Nick den Brief in sein Wams zurück.
„Zwei Zentimeter Haut und Sehnen halten meinen Kopf auf dem Hals. Normale Leute würden denken, das könnte man doch als geköpft durchgehen lassen, aber nein, es reicht nicht für Sir Ordentlich Geköpfter Podmore."
Der Fast Kopflose Nick holte einige Male tief Luft und sagte dann mit viel ruhigerer Stimme: „So, und was macht Euch Sorgen? Kann ich etwas für Euch tun?"
„Nein.", stritt ich ab. „Außer, Sie wissen, wo wir sieben Nimbus Zweitausendeins umsonst herkriegen könnten für unser Spiel gehen Sly -"
Der Rest des Satzes ging in einem fiepsigen Miauen unter, das aus der Nähe meiner Füße kam.
Ich blickte hinunter und ein Paar gelbe Laternenaugen starrten mich an.
Es war Mrs. Norris, die skelettdünne graue Katze, die der Hausmeister Argus Filch als eine Art Gehilfin in seiner endlosen Schlacht gegen die Schüler einsetzte.
„Ihr verschwindet am besten von hier.", schlug Nick hastig vor. „Filch hat ganz schlechte Laune - er hat einen Schnupfen und ein paar Drittklässler haben in Kerker fünf versehentlich Froschgehirne über die ganze Decke gespritzt, er hat den ganzen Morgen geputzt und wenn er euch hier vor Schlamm triefen sieht -"
„Stimmt.", sagte Harry und wir beide wichen vor dem anklagenden Starren vom Mrs. Norris zurück, doch nicht schnell genug.
Angezogen durch die geheimnisvolle Macht, die ihn offenbar mit seiner heimtückischen Katze verband, brach Argus Filch plötzlich durch einen Wandbehang rechts von mir.
Mit rasselnden Atem sah er sich fieberhaft nach dem Regelverletzter um.
Um den Kopf hatte er einen dicken Schal mit Schottenmuster gewickelt und seine Nase glänzte ungewöhnlich purpurfarben.
„Dreck.", rief er mit zitternden Wangen und seine Augen quollen beunruhigend weit vor, als er auf die Schlammlache deutete, die von Harrys und meinem Quidditch-Umhang herab getropft war. „Überall Dreck und Unordnung. Mir reicht's, kann ich euch sagen! Folgt mir, Potter und Black!"
Also winkten Harry und ich mit düsterem Blick den Fast Kopflosen Nick zum Abschied und folgten Filch nach unten, wobei er die Zahl der schlammigen Fußabdrücke auf dem Boden verdoppelte.
Ich war noch nie in Filch's Büro gewesen; das war der Ort, um den die meisten Schüler einen weiten Bogen machten.
Das schäbige und fensterlose Kabuff wurde vom Licht einer Ölfunzel an der niedrigen Decke erhellt.
Ein schwacher Geruch nach gebratenem Fisch hing in der Luft.
An der Wand entlang standen hölzerne Aktenschränke, deren Beschriftung mir sagten, dass sie Einzelheiten über jeden Schüler erhielten, den Filch je bestraft hatte.
Fred und George hatten ein ganzes Fach für sich allein.
Eine Sammlung von Hochglanz polierten Ketten und Fußschellen hing an der Wand hinter Filch's Schreibtisch.
Alle wussten, dass er Dumbledore ständig um die Erlaubnis bat, die Schüler an den Fußketten gefesselt von der Decke baumeln zu lassen.
Filch nahm eine Feder aus dem Tintenfass auf seinem Schreibtisch und begann nach Pergament zu stöbern.
„Dreck.", murmelte er zornig, „große, glühend heiße Drachenpopel... Froschgehirne... Ratteninnereien... mir reicht's... Strafe zur Abschreckung... wo ist das Formblatt... da..."
Er hatte eine dicke Rolle Pergament aus der Schreibtischschublade gezogen und sie vor sich ausgebreitet und tunkte nun den langen schwarzen Federkiel in das Tintenfass.
Name ... Harry Potter und Luna Black. Verbrechen..."
„War doch nur ein bisschen Schlamm!", sagte Harry.
„Für dich ist es nur ein wenig Schlamm, Junge, aber für mich ist es eine Überstunde Schrubben!", schrie Filch und an der Spitze seiner Knollennase erzitterte ein widerlicher Tropfen. „Verbrechen... Beschmutzung des Schlosses... vorgeschlagene Strafe..."
Filch tippte mit dem Finger gegen seine triefende Nase und äugte Unheil verkündend zu Harry und mir hinüber.
Das ist gruselig!
Doch gerade als Filch die Feder aufsetzte, erschütterte ein lauter KNALL die Bürodecke, der die Öllampe klirren ließ.
„PEEVES!", donnerte Filch zornentbrannt und warf die Feder auf den Tisch. „Diesmal krieg ich dich, darauf kannst du Gift nehmen!"
Und ohne Harry und mir auch nur einen Blick zuzuwerfen, hastete Filch plattfüßig aus dem Büro, Mrs. Norris auf den Fersen.
Peeves war der Schul-Poltergeist, ein grinsendes, in der Luft schwebendes Übel, dessen Lebenszweck es war, Wirrsal und Verdruss zu schaffen.
Ich konnte Peeves nicht ausstehen, doch diesmal konnte ich nicht anders, als ihn für seinen Auftritt zur rechten Zeit dankbar zu sein.
Was Peeves angestellt hatte (und diesmal hatte es geklungen, als ob er etwas sehr großes in Stücke geschlagen hätte), würde Filch hoffentlich von Harry und mir ablenken.
Harry ließ sich in einen mottenzerfressenen Sessel neben dem Schreibtisch sinken.
Da stehe ich lieber.
Anscheinend findet er es besser auf Filch zu warten.
Ich sah wie Harry einen Blick zur Tür warf und dann nach einem großen, glänzenden, purpurfarbenen Umschlag mit silberner Aufschrift griff.
Ich stellte mich neben ihn und las mit:

Luna Black 2 - Harry PotterWhere stories live. Discover now