Kapitel 38 ✔️

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L U N A

Wir standen am Ende einer sehr langen, schwach beleuchteten Kammer.
Mächtige Säulen, auch sie umrankt von steinernen Schlangen, ragten empor zur Decke, die im dunklen lag.
Die Säulen warfen lange schwarze Schatten durch das seltsam grünliche Dämmerlicht, das den Raum erfüllte.
Reglos und mit immer noch rasendem Herzen standen Harry und ich da und lauschten in die kalte Stille hinein.
Konnte der Basilisk in einer Ecke lauern, hinter einer Säule?
Wo war Ginny?
Wir zückten unsere Zauberstäbe und gingen zwischen den Schlangensäulen hindurch nach vorn.
Jeder vorsichtige Tritt hallte von den Wänden wider.
Ich hatte die Augen zu Schlitzen verengt, bereit, sie bei der kleinsten Bewegung fest zu schließen.
Die leeren Augenhöhlen der Steinschlangen schienen mir zu folgen und es war mir, als würden sie sich regen.
Mein Magen krampfte sich zusammen.
Ich mag es hier unten definitiv nicht!!!
Dann trat ich zwischen das letzte Säulenpaar.
Vor mir, an der Rückwand, ragte eine Statue auf, die so hoch war wie die Kammer selbst.
Ich trat langsam zu Harry zurück.
Ich verrenkte mir den Hals, um das riesenhafte Gesicht sehen zu können: es war das alte, affenartige Gesicht eines Zauberers mit langem schmalen Bart, der fast bis zum Saum seines wohnenden Steinumhangs herabfiel.
Zwei gewaltige graue Füße standen auf den glatten Kammerboden.
Und zwischen den Füßen, mit dem Gesicht nach unten, lag eine kleine Gestalt mit schwarzem Umhang und flammend rotem Haar.
Harry und ich sahen uns an.
Ginny!", hauchte ich.
Mit einem Sprung waren wir bei ihr und fielen auf die Knie.
Ich nahm ihren Kopf und legte ihn auf meine Beine.
Dabei steckte ich meinen Zauberstab weg.
„Ginny, sei nicht tot, bitte, sei nicht tot -"
Harry warf den Zauberstab zur Seite, packte Ginny an der Schulter und sah ihr prüfend ins Gesicht.
Ihr Gesicht war weiß wie Marmor und ebenso kalt, doch ihre Augen waren geschlossen - also war sie nicht versteinert.
Doch dann musste sie -
„Ginny, bitte, wach auf.", flüsterte ich verzweifelt und schüttelte sie leicht.
Ginny's Kopf kullerte hoffnungsvoll hin und her.
„Sie wird nicht aufwachen.", sagte eine leise Stimme.
Ich hob blitzschnell den Kopf und Harry erschrak und rutschte auf den Knien herum.
Ein großer, schwarzhaariger Junge stand gegen die nächste Säule gelehnt und musterte uns.
Seine Umrisse waren merkwürdig verschwommen, als ob ich ihn durch ein beschlagenes Fenster sehen würde.
„Tom - Tom Riddle?"
Riddle nickte, ohne die Augen von Harry's Gesicht zu wenden.
Das ist Tom Riddle?
Er ist hübsch.
„Was meinst du damit, sie wird nicht aufwachen?", fragte ich verzweifelt. „Sie ist nicht... sie ist doch nicht...?"
„Sie lebt noch.", sagte Riddle. „Gerade noch."
Harry starrte ihn an und ich strich über Ginny's Haar.
Tom Riddle war vor fünfzig Jahren in Hogwarts gewesen, doch da stand er, ein unheimliches, nebliges Licht um sich ausbreitend, keinen Tag älter als 16.
„Bist du ein Geist?", fragte Harry unsicher.
„Eine Erinnerung.", erklärte Riddle leise. „Fünfzig Jahre lang in einem Tagebuch aufbewahrt."
Er deutete auf den Boden neben die Riesenzehen der Statue.
Dort lag aufgeschlagen der kleine schwarze Taschenkalender, den wir im Klo der Maulenden Myrte gefunden hatten.
„Du musst uns helfen, Tom.", sagte Harry und hob abermals Ginny's Kopf. „Wir müssen Sie hier rausbringen. Da ist ein Basilisk... ich weiß nicht, wo er steckt, aber er könnte jeden Augenblick kommen... bitte, hilf uns -"
Riddle rührte sich nicht.
Harry, dem der Schweiß ausbrach, schaffte es, Ginny hochzuheben und er beugte sich noch einmal zu Boden, um den Zauberstab aufzuheben.
Doch der Zauberstab war verschwunden.
„Hast du meinen -?"
Er sah auf.
Riddle sah ihn immer noch an - und mit seinen langen Fingern ließ er Harry's Zauberstab im Kreise wirbeln.
„Danke.", sagte Harry und streckte die Hand nach dem Zauberstab aus.
Ein Lächeln kräuselte Riddle's Mundwinkel.
Er sah Harry ungerührt an und ließ den Zauberstab gelassen weiter kreisen.
„Hör zu.", sagte Harry unwirsch und seine Knie knickten unter der leblosen Last Ginny's ein. „Wir müssen hier raus! Wenn der Basilisk kommt -"
„Er kommt erst, wenn er gerufen wird.", sagte Riddle leise.
Harry konnte Ginny anscheinend nicht mehr halten und ließ sie wieder zu Boden gleiten.
„Was meinst du damit?", fragte er. „Gib mir meinen Zauberstab, ich brauch ihn womöglich -"
Riddle verzog lächelnd die Mundwinkel.
„Du wirst ihn nicht brauchen.", sagte er.
Harry starrte ihn an.
Ist der bekloppt?!
„Was meinst du, ich werd ihn nicht -?"
„Ich habe lange auf die Stunde gewartet, Harry Potter.", sagte Riddle. „Auf die Gelegenheit, dich zu treffen. Mit dir zu sprechen."
Ich glaube, Harry verlor die Geduld.
„Hör mal", sagte er, „ich glaub, du kapierst es nicht. Wir sind in der Kammer des Schreckens. Unterhalten können wir uns später -"
„Wir reden jetzt.", sagte Riddle immer noch breit lächelnd und steckte Harry's Zauberstab in die Tasche.
Harry starrte ihn an.
Etwas sehr merkwürdiges ging hier vor...
„Was ist mit Ginny?", fragte er langsam.
„Nun, das ist eine interessante Frage.", sagte Riddle vergnügt. „Und eine ziemlich lange Geschichte. Ich denke, der eigentliche Grund, warum Ginny hier liegt, ist, dass sie ihr Herz ausgeschüttet und all ihre Geheimnisse einem unsichtbaren Fremden verraten hat."
„Wovon redest du?", fragte Harry.
„Vom Tagebuch.", sagte Riddle. „Meinem Tagebuch. Die kleine Ginny hat Monat für Monat darin geschrieben und mir all ihre jämmerlichen Sorgen und ihr Herzeleid anvertraut - wie ihre Brüder sie triezen, wie sie mit gebrauchten Umhängen und Büchern zur Schule kam und dass -" Riddle's Augen funkelten „ - und dass sie nicht glaubt, der berühmte, gute, große Harry Potter würde sie jemals mögen..."
Während er sprach, wandte Riddle die Augen keinen Moment lang von Harry's Gesicht.
Etwas Hungriges lag in seinem Blick.
„Es war sehr langweilig, den albernen kleinen Sorgen eine elfjährigen Mädchens zu lauschen.", fuhr er fort. „Doch ich war geduldig. Ich schrieb zurück, ich zeigte Mitgefühl, ich war nett. Ginny hat mich einfach geliebt. Keiner versteht mich besser als du, Tom... Ich bin so froh, dass ich mich diesem Tagebuch anvertrauen kann... Es ist wie ein Freund, den ich in der Tasche herumtragen kann..."
Riddle lachte.
Es war ein hohes, kaltes Lachen und mir stellten sich die Nackenhaare auf.
Ich verfolgte ruhig das Gespräch zwischen Riddle und Harry.
„Ich darf durchaus von mir behaupten, Harry, dass ich jene, die ich brauche, immer bezaubern konnte. Und so hat Ginny mir ihr Herz ausgeschüttet und ihr Herz war genau das, was ich brauchte. Ich wurde stärker und stärker, denn ich konnte mich von ihren tiefsten Ängsten, ihren dunkelsten Geheimnissen nähren. Ich wurde mächtig, viel mächtiger als die kleine Miss Weasley. Mächtig genug, um Miss Weasley schließlich mit ein paar meiner Geheimnisse zu füttern, um ihr allmählich ein wenig von meiner Seele einzuflößen..."
„Was meinst du damit?", fragte Harry.
„Hast du es noch nicht erraten, Harry Potter?", fragte Riddle sanft. „Ginny Weasley hat die Kammer des Schreckens geöffnet. Sie hat die Schulhähne erwürgt und Drohungen an die Wände geschmiert. Sie hat die Schlange von Slytherin auf vier Schlammblüter losgelassen und auf die Katze von diesem Squib."
„Nein.", flüsterte Harry.
Ich kann mir vorstellen, dass er jetzt genauso geschockt ist wie ich.
„Ja.", sagte Riddle gelassen. „Natürlich wusste sie zuerst nicht, was sie tat. Es war sehr lustig. Ich wünschte, du hättest ihre neuen Tagebucheinträge lesen können... Wurden jetzt bei weitem interessanter... Lieber Tom", zitierte er und beobachtete Harry's entsetztes Gesicht, „ich glaube, ich verliere mein Gedächtnis. Auf meinem Umhang sind überall Hühnerfedern und ich weiß nicht, wie das kommt. Lieber Tom, ich kann mich nicht erinnern, was ich in der Nacht von Halloween getan habe, aber eine Katze wurde angegriffen und ich bin überall mit Farbe bekleckert. Lieber Tom, Percy sagt ständig, ich sei blass und nicht mehr die Alte. Ich glaube, er verdächtigt mich... Heute gab es wieder einen Angriff und ich weiß nicht, wo ich war. Tom, was soll ich tun? Ich glaube, ich werde verrückt... Ich glaube, ich bin es, die alle angreift, Tom!"
Ich sah, dass Harry seine Hände zu Fäusten ballte.
„Es hat sehr lange gedauert, bis die dumme kleine Ginny aufgehört hat, ihrem Tagebuch zu vertrauen.", sagte Riddle. „Schließlich wurde sie doch misstrauisch und versuchte es loszuwerden. Und dann kamst du auf die Bühne, Harry. Du hast es gefunden, zu meinem allergrößten Vergnügen. Von allen, die es hätten finden können, warst ausgerechnet du es, der Mensch, den ich am sehnlichsten treffen wollte..."
„Und warum wolltest du mich treffen?", fragte Harry.
Ich bemerkte, dass er versuchte ruhig zu bleiben.
„Nun, sie mal, Ginny hat mir alles über dich erzählt, Harry", sagte Riddle, „deine ganze faszinierende Geschichte."
Seine Augen wanderten über die blitzförmige Narbe auf Harry's Stirn und nahmen einen noch hungrigeren Ausdruck an.
„Ich musste einfach noch mehr über dich rausfinden, mit dir sprechen, dein Vertrauen zu gewinnen und mir meine Ruhmestat vorzuführen: wie ich diesen gewaltigen Hornochsen Hagrid erwischt hab -"
„Hagrid ist mein Freund.", sagte Harry und seine Stimme zitterte jetzt. „Und du hast ihn reingelegt, oder? Ich dachte, du hättest einen Fehler gemacht, aber -"
Riddle ließ erneut sein hohes Lachen vernehmen.
„Mein Wort stand gegen das von Hagrid, Harry. Du kannst dir vorstellen, wie es für den alten Armando Dippet ausgesehen hat. Auf der einen Seite Tom Riddle, arm, aber brillant, elternlos, aber so mutig, Schulsprecher, vorbildlicher Schüler... auf der anderen Seite der große, stümperhafte Hagrid, gerät alle paar Wochen in Schwierigkeiten, versucht Werwolfjunge unter seinem Bett großzuziehen, schleicht sich in den verbotenen Wald, um mit Trollen zu raufen... doch ich gebe zu, selbst ich war überrascht, wie gut der Plan funktionierte. Ich dachte, irgendjemand müsste doch erkennen, dass Hagrid unmöglich der Erbe Slytherins sein konnte. Selbst ich hatte fünf Jahre gebraucht, um alles über die Kammer des Schreckens herauszufinden und den geheimen Eingang zu finden... und Hagrid sollte den Grips oder die Macht dazu haben?
Nur Dumbledore, der Lehrer für Verwandlung, hielt Hagrid offenbar für unschuldig. Er überredete Dippet, Hagrid als Wildhüter zu behalten. Ja, ich denke, Dumbledore hat etwas geahnt... Dumbledore schien mich nie so zu mögen wie die anderen Lehrer..."
„Ich wette, Dumbledore hat dich durchschaut.", sagte Harry mit zusammengebissenen Zähnen.
„Nun ja, er hat mich nach Hagrid's Rauswurf genau im Auge behalten, das war ein wenig lästig.", sagte Riddle gleichmütig. „Ich wusste, es würde zu gefährlich sein, die Kammer noch einmal zu öffnen, während ich in der Schule war. Aber all die langen Jahre der Suche nach ihr sollten auch nicht umsonst gewesen sein. Ich beschloss, ein Tagebuch zu hinterlassen und mein 16 Jahre altes selbst in den Seite aufzubewahren, so dass ich mit ein wenig Glück eines Tages jemand anderen auf meine Spur bringen konnte, um Salazar Slytherins edles Werk zu vollenden."
Ich würde den Vollidioten auch nicht mögen, wäre ich Dumbledore.
„Nun, du hast es nicht vollendet.", sagte Harry siegessicher. „Diesmal ist keiner gestorben, nicht einmal die Katze. In ein paar Stunden ist der Alraunentrank fertig und alle Versteinerten werden wieder gesund -"
„Hab ich dir nicht bereits erklärt", sagte Riddle gelassen, „dass es noch nicht mehr interessiert, Schlammblüter zu töten? Seit vielen Monaten schon habe ich ein neues Ziel - dich!"
Harry starrte ihn an und ich war ein bisschen verwirrt. 
„Stell dir vor, wie wütend ich war, als das nächste Mal, da mein Tagebuch geöffnet wurde, Ginny vor mir saß und mir schrieb und nicht du. Sie hat dich nämlich mit dem Tagebuch gesehen und ist in Panik geraten. Was, wenn du herausfändest, wie es zu gebrauchen ist und ich dir alle ihre Geheimnisse verraten würde? Und noch schlimmer, wenn ich dir erzählen würde, wer die Hähne erwürgt hat? Also hat das Dumme kleine Gör gewartet, bis keiner mehr in deinem Schlafsaal war und es gestohlen. Doch ich wusste, was zu tun war. Es war mir klar, dass du auf der Spur des Erben von Slytherin warst. Nach allem, was mir Ginny über dich erzählt hat, wusste ich, dass du vor nichts zurückschrecken würdest, um das Rätsel zu lösen - besonders, wenn eine deiner besten Freundinnen angegriffen wurde. Und Ginny hat mir gesagt, das ganze Schule sei in Aufruhr, weil du Parsel sprechen kannst...
Also ließ ich Ginny ihren eigenen Abschiedsgruß auf die Wand schreiben und kam hier herunter, um zu warten. Sie hat sich gewehrt und geheult und hat mich sehr gelangweilt. Doch jetzt ist nicht mehr viel Leben in ihr... sie hat zu viel in das Tagebuch gesteckt - in mich. Genug, damit ich endlich dessen Seiten verlassen konnte... Ich warte auf dich, seit wir hier sind. Ich wusste, du würdest kommen. Ich habe viele Fragen an dich, Harry Potter."
„Zum Beispiel?", blaffte Harry ihn an, die Hände immer noch geballt.
„Nun", sagte Riddle vergnügt lächelnd, „wie kommt es, dass du - ein magerer Junge ohne außergewöhnliche magische Begabung - es geschafft hast, den größten Zauberer aller Zeiten zu besiegen? Wie konntest du mit nichts weiter als einer Narbe davonkommen, während Lord Voldemorts Kräfte zerstört wurden?"
In seine hungrigen Augen trat jetzt ein merkwürdiges rotes Leuchten.
„Was schert es dich, wie ich überlebte?", fragte Harry langsam. „Voldemort kam nach deiner Zeit..."
„Voldemort", sagte Riddle sanft, „ist meine Vergangenheit, meine Gegenwart und meine Zukunft, Harry Potter..."
Er zog Harry's Zauberstab aus der Tasche, schwang ihn durch die Luft und schrieb drei schimmernde Wörter:
TOM VORLOST RIDDLE
Und mit einem Schwung des Zauberstabs vertauschten die Buchstaben ihre Plätze:
IST LORD VOLDEMORT
„Siehst du?", flüsterte er. „Es war ein Name, den ich schon in Hogwarts gebraucht habe, natürlich nur für meine engsten Freunde. Glaubst du etwa, ich wollte für immer den Namen meines miesen Muggelvaters tragen? Ich, in dessen Adern von der Mutter her das Blut von Salazar Slytherin selbst fließt? Ich soll den Namen eines schäbigen, gemeinen Muggels behalten, der mich verließ, noch bevor ich geboren war, nur weil er herausfand, dass seine Frau eine Hexe war? Nein, Harry - ich erfand mir einen neuen Namen, einen Namen, von dem ich wusste, dass Zauberer allerorten ihn eines Tages, wenn ich der größte Zaubermeister der Welt sein würde, vor Angst nicht auszusprechen wagen würden!"
Benommen starrte Harry Riddle an, den Waisenjungen, der später Harry's Eltern töten sollte und wie viele andere noch...
„Das bist du nicht.", sagte Harry leise und mit hasserfüllter Stimme.
„Was nicht?", fuhr ihn Riddle an.
„Nicht der größte Zauberer der Welt.", sagte Harry rasch atmend. „Tut mir Leid, dass ich dich enttäuschen muss, doch der größte Zauberer der Welt ist Albus Dumbledore. Das sagen alle. Selbst als du stark warst, hast du nicht gewagt, Hogwarts zu erobern. Dumbledore hat dich schon durchschaut, als du noch in der Schule warst und er macht dir immer noch Angst, wo du dich auch heute verstecken magst -"
Das Lächeln war aus Riddle's Gesicht gewichen und er schaute Harry mit einem sehr hässlichen Blick an.
„Dumbledore ist durch mein bloßes Gedächtnis aus diesem Schloss vertrieben worden!", zischte er.
„Er ist nicht so fern, wie du glauben möchtest!", erwiderte Harry.
Riddle öffnete den Mund, doch dann erstarrte er.
Von irgendwoher kam Musik.
Riddle wirbelte herum und starrte durch die leere Kammer.
Die Musik wurde lauter.
Auch ich schaute mich um.
Es war unheimliche Musik, sie ließ einen erschaudern, als wäre sie nicht von dieser Welt; meine Nackenhaare sträuben sich und mein Herz fühlte sich an, als wolle es auf die doppelte Größe anschwellen.
Dann, als die Musik einen so hohen Ton erreicht hatte, dass meine Rippen erzitterten, brachen hoch oben an der Säule neben uns Flammen aus.
Ein scharlachroter Vogel, groß wie ein Schwan, tauchte aus den Flammen auf und zwitscherte seine unheimliche Musik der gewölbten Decke entgegen.
Er hatte einen goldenen schimmernden Schweif, lang wie der eines Pfaus, und leuchtend goldene Krallen, die ein zerlumptes Bündel trugen.
Eine Sekunde später schwebte der Vogel geradewegs auf Harry zu.
Er ließ das zerlumpte Ding vor seine Füße fallen und landete dann schwer auf seiner Schulter.
Während der Vogel seine großen Flügel faltete, sah Harry neben sich und erkannte einen langen, scharfen goldenen Schnabel und ein perlenes schwarzes Auge.
Der Vogel hörte auf zu singen.
Er saß still und wärmend an Harry's Wange und starrte unverwandt Riddle an.
„Das ist ein Phönix...", sagte Riddle misstrauisch zurückstarrend.
Fawkes?", hauchte Harry und der Vogel nickte leicht.
„Und das -", sagte Riddle und beäugte nun das zerlumpte Ding, das Fawkes hatten fallen lassen, „das ist der alte sprechende Hut der Schule -"
So war es.
Geflickt, zerzaust und schmutzig lag der Hut reglos zu Harry's Füßen.
Riddle begann wieder zu lachen.
Er lachte so heftig, dass die dunkle Kammer davon widerhallte, als ob zehn Riddle's auf einmal lachten -
„Das also schickt Dumbledore seinem Verteidiger! Einen Singvogel und einen alten Hut! Fühlst du dich ermutigt, Harry Potter? Fühlst du dich jetzt sicher?"
Harry antwortete nicht.
Ich glaube, Riddle sollte sich in Dumbledore nicht so sehr irren.
„Spaß beiseite, Harry.", sagte Riddle, immer noch breit lächelnd. „Zweimal - in deiner Vergangenheit - in meiner Zukunft - sind wir uns begegnet. Und zweimal ist es mir nicht gelungen, dich zu töten. Wie hast du überlebt? Sag mir alles. Je länger du sprichst...", fügte er sanft hinzu, „...desto länger bleibst du am Leben."
Ich wog Harry's Chancen ab.
Riddle hatte den Zauberstab.
Er hatte Fawkes und den sprechenden Hut und keiner von beiden würde ihm in einem Duell viel nützen.
Es sah schlecht aus, gewiss... doch je länger Riddle dastand, desto mehr Leben sickerte aus Ginny heraus... und inzwischen, stellte ich plötzlich fest, wurde Riddle's Umriss klarer, fester... Wenn es ein Kampf zwischen Harry und Riddle geben musste, dann so schnell wie möglich.
„Keiner weiß, warum deine Kräfte verloren gingen, als du mich angegriffen hast.", sagte Harry brüsk. „Ich weiß es selbst nicht. Doch ich weiß, warum du mich nicht töten konntest. Weil meine Mutter starb, um mich zu retten. Meine einfache, von Muggel geborene Mutter.", fügte er hinzu, anscheinend zitternd vor unterdrückter Wut. „Sie hat dich daran gehindert, mich zu töten. Und ich habe dein wahres selbst gesehen, letztes Jahr. Du bist ein Wrack. Du bist kaum noch am Leben. All deine Macht hat dir nichts weiter eingebracht. Du versteckst dich. Du bist hässlich, du bist abscheulich -"
Riddle's Gesicht verzerrte sich.
Dann zwang er es anscheinend zu einem grässlichen Lächeln.
„Soso. Deine Mutter ist gestorben, um dich zu retten. Ja, das ist ein mächtiger Gegenzauber. Jetzt verstehe ich... es ist trotz allem nichts besonderes an dir. Ich hab mich gewundert, weißt du. Schließlich gibt es merkwürdige Ähnlichkeiten zwischen uns. Selbst du musst das bemerkt haben. Beide Halbblütig, Waisen, von Muggel aufgezogen. Wahrscheinlich die einzigen Parselzungen, die seit dem großen Slytherin nach Hogwarts kamen. Wir sehen uns sogar ein wenig ähnlich... doch am Ende hat dich nur eine glückliche Fügung vor mir gerettet. Das ist alles, was ich wissen wollte."
Ich hasse diesen Kerl.
Die beiden haben nichts gemeinsam.
Harry hat Freunde und versteht die Liebe.
Er... hat er überhaupt ein Herz?!
Riddle's verzerrtes Lächeln wurde wieder breiter.
„Nun, Harry, werde ich dir eine kleine Lektion erteilen. Messen wir die Kräfte von Lord Voldemort, dem Erben von Salazar Slytherin, mit denen des berühmten Harry Potter und den besten Waffen, die Dumbledore ihm geben kann..."
Er warf einen belustigten Blick auf Fawkes und den sprechenden Hut und ging davon.
Ich sah, wie Riddle zwischen den hohen Säulen stehen blieb und zum steinernen Gesicht Slytherins emporblickte, hoch oben im Halbdunkel.
Riddle öffnete weit den Mund und zischte, ich verstand nichts - doch Harry verstand, was er sagte...
Plötzlich wirbelte Harry herum und sah zum Kopf der Statue hoch; Fawkes schlug mit den Flügeln.
Ich folgte Harry's Blick.
Slytherins gigantisches Steingesicht begann sich zu regen.
Von Grauen gepackt sah ich, wie sich der Mund öffnete, immer weiter, und ein riesiges schwarzes Loch freigab.
Und etwas bewegte sich im Inneren des steinernen Mundes.
Etwas wand sich aus seinen Tiefen empor.
Harry wich zurück, bis er gegen die dunkle Wand stieß.
Ich rutschte auch, mit Ginny, etwas zur Seite.
Er presste die Augen zusammen und dann sah ich, wie Fawkes, mit dem Flügel gegen Harry's Wange schlagend, von seiner Schulter flatterte.
Ich verstand ihn, welche Chance hatte ein Phönix gegen den König der Schlangen?
Etwas riesiges klatschte auf den steinernen Boden der Kammer und ließ mich erzittern.
Ich sah was geschah, wenn auch mit Schlitz Augen.
Ich saß irgendwo versteckt.
Ich sah, wie die Schlange sich aus Slytherins Mund herauswand.
Dann hörte ich Riddle wieder etwas zischen und ich wusste, das bedeutete bestimmt nichts gutes.

Luna Black 2 - Harry PotterWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu