Prolog - Spiegel

84 3 0
                                    

Es war eine gute Woche vergangen, seit Maria bei Hellsing in den offiziellen Dienst eingetreten war. Bisher gefiel es ihr hier. Soweit man das so sagen konnte. Natürlich gab es das ein oder andere, das ihr missfiel, aber kein Vergleich dazu, wo sie vorher gewesen war. Hier war es einfach. Dort war alles so ... schwierig.

Sie hatte sich nach dem Training wieder in ihr Zimmer zurückgezogen und versuchte etwas Ruhe auf ihrem Bett zu finden. Es war leichter gesagt als getan. Die Berührung der Hand, mit der ihr der Sergeant anerkennend auf die Schulter geklopft hatte, war immer noch zu spüren. Es stach wie Angelhaken in ihr Fleisch, die sich einmal umdrehten und dann herausgezogen wurden und klaffende Wunden hinterließen. Es war natürlich alles nur in ihrem Kopf. Dass ihr die Nerven diese falschen Empfindungen sandten, war ihr natürlich klar. Genauso wie einem Veteranen klar war, das sein amputiertes Bein nicht schmerzen konnte. Phantomschmerzen waren nun mal furchtbar und man konnte aber auch nichts daran ändern.

Zumindest hielten diese Schmerzen ihren Kopf am rotieren. So fiel es ihr nicht im Traum ein, jetzt zu schlafen. Deswegen konnte auch nichts passieren. Sie konnte nicht die Kontrolle verlieren. Nicht mehr. Sie war bei Bewusstsein. Sie dachte aktiv. Sie war stark. Es würde ihr nicht wieder so etwas passieren wie- Und auch würde sie nicht vor Angst an die Wand rücken müssen, aus dem Gefühl heraus, jemand würde hinter ihr auftauchen. Kein Mensch und auch nicht der Vampir würden sich in dem Zustand, in dem sie sich gerade befand, an sie heranschleichen können.

So bemerkte sie die Schritte des Mannes auch schon lange bevor seine behandschuhte Hand nicht zu laut, nicht zu leise an die Tür klopfte, die ihr Zimmer von dem Flur trennte. Sich unfähig fühlend zu sprechen, rollte sie sich vom Bett herunter und tapste in die Richtung des Geräusches und drückte den Türgriff herunter. Kaum fiel das Licht aus dem Flur in das stockfinstere Zimmer, kniff sie die Augen zusammen und blinzelte ein paar Mal. Nicht das sie die Person, die vor ihr stand, sehen musste, um zu wissen, wer das was. „Sie wurden einem Trupp zugeteilt. In 10 Minuten fährt der Einsatzwagen los."

Mit den Worten drehte sich der Butler auch wieder um. Wohl wissend, dass Maria weder Interesse an weiteren Infos noch an einem Gespräch mit jemandem hatte.

‚Immerhin hat er nicht den Vorfall wieder aufgewühlt.'

Die Mühe, die Tür zu schließen, machte sie sich nicht. Hier war niemand, sie musste sowieso gleich los und das Licht half ihr, aus ihrem benebelten Rotationskreisen in ihrem Kopf auf die schnelleren, wacheren Schienen zu kommen.

Ihre Schlafklamotten landeten in der Ecke und stattdessen griff sie nach der Uniform, die für alle männlichen Hellsing-Soldaten identisch war. Glücklicherweise hatte man bei ihrer Aufnahme nicht verlangt, diese furchtbar kurzen Röcke zu tragen. Hätte sie sowieso nicht getan.

Als sie das Hemd schloss fiel ihr Blick auf den Spiegel, auf den sie erst vor kurzem geschlagen hatte und nun zahlreiche Risse aufwies. Es sah schön aus, wie sie sich darin spiegelte. So gespalten, wie sie war. So gefangen, dass es aussah, als würde sie ausbrechen wollen.

So wie sie sich nun mal fühlte.

Die blonden Haare waren nicht mehr als zwei Zentimeter lang. An manchen Stellen kürzer, da sie sich häufiger ungewollt ganze Haarbüschel ausriss. An mehreren kahlen Stellen, saß der gepanzerte Helm auf, den sie wie immer anziehen musste. Wenn auch nicht viel, war sie doch größer als viele Frauen. In etwa so groß, wie ein durchschnittlicher Mann. So war es kein Wunder, dass man sie, besonders nicht abgelenkt durch die Brüste, die sie immer abgebunden hatte, für einen jungen Soldaten in diesem Outfit hielt.

Sie wusste, dass ihm das Bild nicht gefallen hätte, wischte sich aber die Tränen, die erst noch kommen würden, weg und trat stattdessen mit einem hoch angesetzten, mühelosen Tritt nochmal gegen die Spiegelfläche.

Nach noch zwei, drei Kleinigkeiten, die mitunter darin bestanden, ihr Maschinengewehr und ihr Messer in die dafür vorgesehenen Halterungen zu schnallen, war sie fertig und lief – mit nur noch einer Minute Zeit – schnell den Flur hinunter auf den Parkplatz, wo der zuständige Sergeant, ein strenger, älterer Mann, sie schon wütend anfunkelte. Die blassgrauen Augen verdrehend, stieg sie ein und versuchte die anderen Soldaten zu ignorieren, die sie wieder mal musterten, teils angewidert, da sie nicht für ihr Mitgefühl und ihre Geselligkeit bekannt war, und teils misstrauisch, da man einfach nichts über sie wusste. ‚Gut so', dachte sie sich. ‚Das ist meine Geschichte. Das einzige, das noch wirklich mir gehört.'

A King with a Broken Crownजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें