Twisted Love (Bridgerton ff)

Kapitel 4

Haylee Ich schritt auf einen Mann zu. Da er nahe einer Gruppe stand und sich mit ihnen unterhielt, beschloss ich wieder die Anrempel-Taktik zu verwenden. „Wie ungeschickt von mir! Ich bitte um Verzeihung, Sir, ich habe sie nicht gesehen" Das Übliche eben. Entschuldigend lächelte ich und klammerte mich an seinem Arm fest. Meine freie Hand erreichte seine Tasche und ich streckte meine Finger nach dessen Inhalt aus. Doch plötzlich wurde mein Handgelenk von einem eisernen Griff umschlossen. Scheiße, scheiße, scheiße, das wars für mich! Der lederne Geldbeutel baumelte in meiner Hand, die langsam taub wurde. Panik machte sich in mir breit. Jetzt würde ich ausgeliefert werden. „Ich denke, das gehört mir", der junge Mann war mir mit seinem Gesicht extrem nahegekommen. Nie war ich einem Mann so nahe gewesen. Ich war nie irgendjemandem so nahe gewesen.

Seine raue und tiefe Stimme klang ruhig, aber ich hörte den drohenden Unterton. Ich ließ meine Beute los und sie glitt zurück in seine Tasche. Sein angespannter Kiefer schien sich zu entspannen und sein kalter Blick wurde etwas weniger kalt. „Ich denke nicht, dass ich das sagen muss, aber wenn ich Sie nochmal dabei erwische, wie Sie mir etwas stehlen wollen, dann war es das für Sie" „Sie lassen mich gehen?", fragte ich verwirrt. Wie dumm ist der denn bitte? Ich sprach es nicht aus, aber mein Gesicht schien ihm meine Gedanken wohl zu verraten, denn er begann zu schmunzeln. „Ja", antwortete er schlicht. Sein warmer Atem strich über mein Gesicht und ich unterdrückte ein Schaudern.

Seine dunklen Augen bohrten sich schier unendlich in meine und ich hatte das Gefühl, er blickte mir direkt in die Seele. Der sanfte Geruch von Holz und Feuer, aber auch der von überdimensionalem Reichtum schien von ihm auszugehen. Ich atmete tief ein. Wie ich diesen Duft liebte. Ich räusperte mich und richtete mich auf, um nicht schwach zu wirken. Das war das Letzte, was ich wollte. Mich einem Mann fügen. Nein danke. Ich kniff meine Augen zu Schlitzen zusammen, er legte dagegen nur seinen Kopf leicht schief und musterte mich mit seinem emotionslosen Blick. Von Kopf bis Fuß. Bei dieser Bewegung rutschten ihm schwarze Strähnen in die Stirn. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht", ich riss meine Hand aus seiner, schenkte ihm noch einen abschätzigen Blick und steuerte auf die Türe zu, um mich schleunigst aus dem Staub zu machen.

Im Herrenhaus meines Vaters angekommen lehnte ich mich um Atem ringend gegen die Wand. Ich war, sobald ich vor die Tür des Box Clubs getreten war, gerannt, um ja weg von diesen unheimlichen Augen zu kommen. Schloss meine Augen, aber sofort erschien das Gesicht des Mannes vor mir. Seine hohen Wangenknochen, die perfekte Stupsnase, die wundervoll geschwungenen Lippen, aber vor allem die intensiv dunkelgrünen Augen, welche sich wie Feuer in mich hinein gebrannt hatten.

Ich schlich durch die Eingangshalle, die Schuhe in meinen Händen, um ja keine Aufmerksamkeit zu erregen. Beinahe lautlos tapste ich die kalten marmornen Stufen hinauf. Meine Hand glitt über das bronzefarbene Geländer, welches die Stufen säumte. Wie jedes Mal, wenn ich hier entlang ging, strömten dutzende von schlechten Erinnerungen auf mich ein. Von dieser Treppe hatte ich oft meine Eltern beobachtet, wenn sie sich stritten. Irgendwann hatte es meiner Mutter gereicht und sie hatte mich und das Geld eingepackt und war abgehauen. Jetzt war ich der Meinung meines Vaters nach aber im heiratsfähigen Alter angekommen und er war verantwortlich, dass aus mir mal etwas werden würde. Seine Worte, nicht meine. Mein Vater scherte sich nicht sonderlich um mich, weshalb er mich auch nicht zu den Bällen begleitete. Er hätte auch nie Wind von der Sache bekommen, wäre da nicht diese verdammte Lady Wistledown. Sie verpfiff mich nämlich. „Neugierig macht uns aber vor allem die junge Miss Johnson, die sich kaum auf den Veranstaltungen blicken lässt. Hat sie etwa schon einen Verehrer?" Mein Padre war alles andere als begeistert, da er nur zu gut wusste, dass dem nicht so war. Dass ich keinen Verehrer hatte, mit dem ich mich am liebsten herumschlich.