Kapitel 5b

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Doch bevor er seine Krallen in ihr Fleisch graben konnte, wehrte Ruby seinen Angriff mit ihrem Schwert ab. Die Klinge zog sie einmal quer durch sein Brustfell, wodurch ein paar kleine Tropfen schwarzen Blutes hervorsickerten und sein graues Fell benetzten. Wütend zuckte er kurz zurück. Ruby war gleichzeitig schockiert davon, wie leicht ihr das gefallen war und erleichtert, dass sie noch lebte.

Doch der Wolf fing sich schnell wieder und stieß wieder vor. Noch einmal hielt Ruby die silberne Klinge vor sich. Sie versuchte, sich an all die unzähligen Kampfstunden zurück zu erinnern, die sie schon hinter sich hatte. Für irgendetwas musste diese Schule schließlich gut sein.

Aber in ihrem Kopf herrschte nur gähnende Leere. So sehr sie es auch wollte verhinderte die aufkommende Panik, dass sie sich auch nur an einen einzigen Kampfzug erinnerte. So schwang sie die Klinge unbeholfen und unkonzentriert. Der Ast unter ihr knackte gefährlich. Wieso war sie nicht auf dem Boden geblieben? Noch einmal stieß die Klinge in das Fell des Ungeheuers. Diesmal traf sie ihn allerdings nicht richtig und er blutete nicht einmal.

Das war schlecht. Sehr schlecht.

Fuchsteufelswild schlich sich das Tier näher. Rubys Herz pochte wild in ihrer Brust. Lange würde sie das nicht mehr durchhalten, dessen war sie sich sicher.

Dann ertönte ein greller Pfiff.

Erschrocken hielt Ruby sich die Ohren zu. Doch auch so drang der helle Ton so stark in ihr Bewusstsein, dass sie fürchtete, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Verzweifelt kämpfte sie gegen das lähmende Gefühl an. Sie spürte, wie sie langsam in das Land der Träume abzudriften drohte. Verzweifelt kämpfte sie dagegen an und verstärkte ihren Griff um den mächtigen Stamm des Baumes, auf dem sie noch immer stand.

Konzentrierte sich auf ihren Gegner, der ebenfalls seine Probleme zu haben schien. Fauchend schlug er um sich und versuchte sich die Vorderpfoten über seine Ohren zu halten, um dem quälenden Lärm zu entkommen.

Bei dem Versuch, löste er seine Krallen aus dem Holz und stürzte in die Tiefe. Mit dem Rücken voran, immer näher dem Untergrund entgegen. Seine Pfoten wirbelten durch die Lüfte. Er versuchte den Fall irgendwie zu stoppen. Doch scheiterte daran kläglich.

Mit einem letzten erstickten Schrei kam er dumpf auf dem Boden auf und blieb reglos liegen. Der hohe Ton hörte auf und langsam klärte sich Rubys Bewusstsein wieder. Orientierungslos kletterte sie langsam und mit immer noch zitternden Gliedern den Baum hinab und machte einen großen Bogen um den Wolf.

Verwirrung verscheuchte die Panik und füllte ihren ganzen Körper. Von wo war der Pfiff gekommen? Angestrengt schaute sie sich um und tatsächlich entdeckte sie ein Stück entfernt eine kleine Gestalt unter einem Baum hocken. Mit weitaus klarerem Kopf, lief sie auf die Gestalt zu. Diese bewegte sich nun ebenfalls aus dem Schatten heraus und kam auf sie zu gerannt.

"Bist du verletzt?", fragte sie atemlos. Sie war ungefähr so groß wie Ruby und hatte freundliche grau/blaue Augen, die sie besorgt aufgerissen hatte. Ihre langen, braunen Haare hatte sie in einem einfachen Zopf zusammen gebunden.

"Yara?", fragte Ruby überrascht und starrte die andere Auszubildende ungläubig an. "Ja, ich glaube mir geht es gut", benommen blickte sie an sich herunter. Vielleicht hatte der Nebelwolf sie im Eifer des Gefechts nicht doch mal getroffen? Doch außer ein paar blauen Flecken und Schürfwunden konnte sie nichts entdecken. Ein erleichterte Seufzer entfuhr ihr.

"Warst du das?", fragte sie dann. Noch etwas geschockt von dem, was gerade geschehen war. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass sie tatsächlich mit dem Leben davon gekommen war.

"Ja", verlegen senkte die braunhaarige ihren Kopf zu Boden. "Woher wusstest du-", fing Ruby an, doch wurde sofort von ihr unterbrochen. "Wir müssen hier so schnell wie möglich weg!", drängte Yara sie. "Der Ton hat den Wolf schläfrig gemacht, aber nicht tot."

Ruby nickte. Sie wusste, dass jetzt keine Zeit für Fragen war, aber ihr lagen gefühlt tausende auf der Zunge, die sie unbedingt loswerden wollte. Dennoch schwieg sie und die beiden rasten so schnell sie konnten durch den Wald bis hin zum Lager. Kurz vor eben diesem blieben sie stehen.

"Wir haben noch ungefähr zwei volle Stunden bis das Frühstück und die darauf folgende Trainingseinheit anfängt. Schleich dich am besten auf dem selben Weg rein, wie du auch raus gekommen bist, und tu so, als hättest du die ganze Nacht geschlafen", redete Yara auf sie ein.

Zu verdutzt um etwas zu sagen, schüttelte Ruby nur kurz den Kopf, um ihr Einverständnis bekannt zu geben. Dann drehte sich die andere um und war im Begriff zu gehen. Allerdings hielt Ruby sie noch einmal am Arm zurück. "Danke", flüsterte sie leise. Yara nickte nur und verschwand dann endgültig aus ihrem Blickfeld.

Ruby hatte keine Gelegenheit mehr das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen. Woher hatte Yara gewusst wie man den Wolf außer Gefecht setzte? Wieso war sie im Wald gewesen? Wieso hatte sie ihr geholfen? So viele Fragen und doch keine Antworten.

Müde und zerschlagen schlich Ruby sich zurück in ihr Zelt. Sie gab ihre Überlegungen auf und legte sich sofort hin. Diesmal fiel es ihr ganz und gar nicht schwer Schlaf zu finden.

SaghoryaWhere stories live. Discover now