17. Zeit zu zweit

810 23 4
                                    

Luminara poV

„Brettspiel?"

„Sei still."

Ich schnaubte gelangweilt, weltzte mich auf der Couch hin und her, so enttäuscht von der wundervollen Gabe namens Ferien, wie noch nie.
Der großgebaute Schüler, dessen dunkles Haar mittlerweile vor seinen Augen hängt, bückt sich seit Stunden über den Schreibtisch, ein Buch nach dem anderen unter die Lupe genommen.

„Wird dir nicht langweilig von dem Scheiß?" brach ich die Ruhe abermals, blickte zur Decke und verschrenkte die Hände über meinem Kopf.
Es kam keine Antwort von dem Musterschüler, ich vernahm alleine das Blättern zwischen Luft und Papier.
Genervt stöhnte ich auf, ließ mir einige Gedanken durch den Kopf gehen, wie ich mir meinen Aufenthalt in Hogwarts spaßig gestalten und meinen Mitschüler ordentlich auf Trab halten könnte.

„Was erwartest du überhaupt zu finden?" Ich überlegte. „Ist nicht so, als wäre Salazar dein Vater oder so."
Vage grinsend schloss ich den Mund. Ich konnte nur hoffen, dass ihn die Erwähnung seines Elternteils stören würde, nur wusste ich nicht, ob das stoppen umgeblätterter Papiere ein klares Zeichen dazu war.
„Und wenn er dein Opa ist, was hast'n dann davon?" Ich stoppte, darauf wartend, eine Reaktion zu bekommen. Nix. „Kohle interessiert dich doch eh nicht. Und selbst wenn-"

Ehe ich den Legilimentor weiter triezen konnte, wurde ich von dem ruckartigen Geräusch eines zurückgeschobenen Stuhls unterbrochen, worauf wütend klingende Schritte folgten.
Ich spürte das Polster unter meinem Körper einsinken, starke Hände, die sich auf meine Handgelenke pressten und diese in das weiche Kissen drückten. Und in der nächsten Sekunde ein markantes, zünisches Gesicht über meinem.

„Schlechte Idee, Unduli, ganz schlechte Idee."
Ein Hauch seines Atmes erfasste mein Gesicht und mir zog der Duft von Thymian und Rosenblättern in die Nase.
Auf einmal spürte ich wieder dieses Pieksen in meinem Nacken, welches sonst nur auftauchte, wenn mich jener Slytherin aus sicherer Entfernung beobachtete.

Riddle's Gesicht zeigte sich monoton und unbeeindruckt, doch ich glaubte zu sehen, wie er zwischen einem zornigen Blick oder einem gefährlichen Grinsen entschied.
Sein Gesicht beäugte mich schweigend und bewegungslos, bis er sich dazu entschied, meinem eigenen Gesicht gefährlich nahe zu kommen.
„Runter." knurrte ich, leiser als beabsichtigt. „Sofort!"
Jetzt... tauchte das amüsante Grinsen auf seinen roten Lippen auf.

Ich begann schwer zu atmen, funkelte Voldemort düster an und kämpfte gegen die Hände auf meinen Handgelenken an, welche meine als Antwort nur noch tiefer in das Kissen pressten.
Es wäre zu einfach gewesen, diesen eingebildeten Streber von mir runter zu bekommen, schließlich lagen meine Beine und Füße frei, aber... etwas in mir sträubte sich strikt dagegen, ernsthaft gegen den Slytherin anzukämpfen, etwas in mir... genoss es.

Riddle's Gesicht hatte mittlerweile den Punkt erreicht, in dem er nah genug war, mir nicht mehr in die Augen sehen zu können. Stattdessen klopfte sein Atem gegen mein Ohr und streifte über meine Haut.

„Schon vergessen, Luminara? Ich. Gewinne. immer."

Eine Gänsehaut zog sich meinen Hals herunter, mein Atem hielt still und meine aufgerissenen Augen starrten an die Decke. Er berührte mich nicht, er ließ absichtlich den Spalt von wenigen Millimetern zwischen seiner und meiner Wange. Ich nahm jeden seiner kleinsten Bewegungen war, besser gesagt, ich fühlte sie. Auch als er seinen Atem ausstieß und bei dem vorher gesagten weiter machen wollte, doch wegen einem Geräusch inne hielt, welches ich erst nach der dritten Wiederholung vernahm.

Es klopft.

Langsam zog sich Voldemort aus meiner Nähe, blickte mir mit einer Ruhe entgegen, die ich mit meinen panisch geweiteten Augen schlecht erwidern konnte. Er grinste. Dann erhob er sich und ich spürte sogleich meine Herz wieder arbeiten, wie es die Luft meiner Lungen verarbeitete.
Ich suchte Riddle's Blick und stellte mit Entsetzen fest, dass sein Zauberstab auf meinen Körper zeigte und seine Lippen sich beinahe lautlos bewegten.

Doch so schnell mich das Entsetzen gepackt hatte, so schnell ließ es mich wieder los. Denn das einzige, was ich spürte war, wie sich ein Illusionenzauber über mich legte. Die nächsten Szenen verschwommen vor meiner Sicht, doch die Stimmen und Geräusche nahm ich ohne Beieinträchtigung wahr.
Die Tür zum Gemeinschaftsraum wurde geöffnet, darauf folgte eine ältere, weibliche Stimme - wahrscheinlich eine Professorin, aber so selten wie ich zum Unterricht erschien, erwartete ich nicht, diese zu kennen.

„Guten Abend, Mister Riddle. Ich hoffe es geht Ihnen gut?"
„Ja. Danke Ma'am." antwortete Voldemort.
„Das freut mich zu hören. Ich bin hier, um eine Nachricht zu überbringen. Professor Armando Dippet wünscht Sie morgen im 12 Uhr in seinem Büro."
„Danke sehr, Professor. Ich werde da sein."
Nach den Worten des Slytherin, schloss sich vorsichtig die Tür und sechs Schritte ertönten, mit jedem weiteren hörte ich sie lauter.

Dann sah ich das große Zimmer wieder klar vor Augen, genauso wie die kaffeebraunen Iriden Voldemorts, die mich in ihrem Inneren taxiert hatten.
„Angst, Luminara?" neckte Riddle grinsend, und diesmal konnte ich das Grinsen erwidern. Ich war nicht mehr starr, ich hatte meine exzentrische Art wieder gefunden und ich hatte verdrängt, warum ich meinen Atem überhaupt verloren hatte.

Lässig verschenkte ich meine Arme hinter meinem Kopf und funkelte zu dem Slytherin hinauf.
„Träum weiter, Riddle."

//

„IMPERIO!"
„Wenn du so schreist machst du ihm Angst."
Stöhnend ließ ich meinen Zauberstab sinken und warf meinem selbsternannten Trainer einen wütenden Blick zu.

An diesem Tag zeigte sich die Mittagssonne nicht, es schien lediglich das matte Tageslicht aus grauen Wolken durch das Finster in Voldemorts Zimmer. Seine Wenigkeit lag mehr oder weniger auf der schwarz bezogenen Decke, unter dem Dach aus Fichtenholz, der altmodischen Hogwarts Betten.

Schmunzelnd erhob sich der Legilimentor von seinem Bett und gesellte sich zu meiner Seite. Ohne ein Wort nahm er meine Hand in seine, brachte meinen Stab in Ausgangsposition - auf das flauschige, dunkelgrüne Kissen gerichtet.

Riddle schaute mich nicht an, nicht so wie ich ihn. Er hatte den Zauberstab in unserer beider Hände taxiert, ich hingegen sein Profil.
„Halt ihn tiefer." Er neigte die Spitze. „Lass locker." Er Strich über meine Finger und mein Griff wurde weicher. „Und zieh nicht so eine Grimasse."
Mein Gesicht musste eine Mischung aus Irritation und Zorn zeigen, denn Voldemort musterte meine Mimik mit zurückhaltendem Vergnügen.
„Tu mir einen Gefallen und Schrei nicht so rum, während ich weg bin." teilte der Dunkelhaarige mit vollem Ernst mit und ließ seine Hand von meiner fallen.

Ich sah ihm hinterher, wie er zur Tür schritt, sie öffnete und ohne sich auch nur einmal zu mir umzudrehen ließ er die Holztür ins Schloss fallen.
Eine ganze Weile wartete ich ab, bis ich glaubte, Voldemort bereits in Dippets Büro zu wissen, dann verstaute ich meine Waffe in meiner Rocktasche und huschte bedächtig leise aus der Tür hinaus, die Treppen herunter, durch die Flure schleichend.

Mir war langweilig. Ich war es leid mich zu verstecken und ich wusste, dass Voldemort es auch war. Er wollte ein Versteck und ich brauchte umso dringender eins. Naive Lehrer hin oder her, in den letzten Wochen kam ich des öfteren gerade so über meine Runden, um nicht entdeckt zu werden.

Summend tappte ich von Stein zu Stein, bog um Ecken, die ich noch nie erforscht hatte, wollte mich geradezu verlaufen und landete letztendlich wieder in genau dem selben Gang. Dies passierte mir ein Mal, zwei Mal, drei, vier - bis ich irgendwann nicht mehr mitzählte.

Inzwischen begann es draußen zu donnern und im nächsten Moment fielen dicke Tropfen auf den Grund, strömten zu Pfützen oder flossen in Seen. Der Ton von rauschendem Regen hallte durch meine Ohren und beruhigte zumindest einen kleinen Teil von mir.
Genervt davon schon gefühlte Stunden in diesem Schloss herum geirrt zu sein, schloss ich die Augen und ließ meinen Kopf in den Nacken fallen.

„Ein Labyrinth ohne Ausgang...!"
Voller Frust stieß ich die angestaute Luft aus und bemerkte somit das seltsam, unbekannte Geräusch erst nach einer irritierenden Minute. Es war, als würde jemand an eine Steinwand meißeln oder einen Stein in etwas ebenso festes einkerben.

Ich richtete meinen Kopf auf, öffnete aus Wachsamkeit und herauszögernder Neugier meine Augen so langsam sie möglich... und mir bot sich ein Anblick, der zuvor mit ziemlicher Sicherheit noch anders ausgesehen hatte.

Eine Tür.




»Melt by a Slytherin« - Tom Riddle x ocWhere stories live. Discover now