Kapitel 49

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Leider ist mein Notizbuch mit allen Charakteren, Morden, Shippings und generell allem im Urlaub im Hotel geblieben, das Paket ging dann verloren. Ich kann mich ohne das Buch an kaum etwas erinnern, ich muss etwas interpretieren, ich entschuldige mich vielmals. 

Jetzt war es soweit. Der Moment des Interviews war da. 

Michaela und Zendaya hatten sich mal wieder übertroffen. Ich sah aus wie eine Prostituierte, aber das war ich nach diesem Interview immerhin auch. Auch, wenn ich mich einsam und gedemütigt fühlte, gut aussehen tat ich trotzdem.

Ich atmete ein letztes Mal tief ein, bevor ich auf die Bühne treten musste. 

,,Sienna, die Gewinnerin der 76. Hungerspiele!", rief Andrew, die Menge sprang begeistert auf. 

Ich lächelte krampfhaft, musste aber meinen Blick von dem Publikum abwenden, sie machten mich zu wütend. Ich schüttelte Andrew die Hand und setzte mich auf sein Zeichen. 

,,Wie fühlst du dich? Du hast ja einige Verletzungen davon getragen, wie uns die Spielemacher verrieten". - ,,Die Ärzte des Kapitols haben großartige Dinge geleistet, alle Wunden werden bald verheilt sein, ein paar sind auch schon weg. Und mit ein bisschen Schminke schaue ich wieder aus wie neu!", versuche ich zu scherzen, erwähne dabei aber nicht meine schlimmste Verletzung, mein gebrochenes Herz. 

Andrew klatschte. ,,Das hören wir ja gerne! Und, verzeih mir die Frage, wie gehst du mit deinen Verlusten um?", bohrte er nach, was mir einen Stich in die Brust verpasste. Michaela hatte mir vorhin noch eingetrichtert, das Kapitol ins beste Licht zu stellen. Sonst konnte sie nicht für Katniss' und Peeta's Sicherheit garantieren. 

,,Ich verstehe, dass die Fehler der früheren Hungerspiele bezahlen müssen. Es war für unser Land. Ich bin sicher, dass alle Tribute gerade bei uns sind", zwinge ich mich zu sagen. Das Kapitol glaubte mir und ließ Seufzer ertönen, aber die Distrikte kauften mir das sicher nicht ab. Ich kaufte es mir ja selbst nicht ab. 

,,Eine schöne Vorstellung. Starten wir jetzt mit dem Rückblick auf die Spiele. Seid ihr alle bereit?". Jubelrufe ertönten, schon wieder, und unsere Stühle drehten sich automatisch zur Leinwand. 

Alles in mir verkrampfte sich. Übelkeit stieg in mir hoch, Tränen brannten in meinen Augen. Warum wirkten die Medikamente nicht? Ich wollte das alles  nicht nochmal erleben. 

Nach der Hymne von Panem ging es los. 

Es startete mit dem Tod von Gwendolyn und Alexander, die lieber starben als das alles miterleben zu müssen. 

Nico und Marika folgten darauf. 

,,Vier der Tribute starben, bevor es überhaupt losging. Das gab es noch nie!", fügte Andrew ein. 

Endlich schienen die Medikamente zu wirken. Ein dumpfes Gefühl erfüllte mich und ich fühlte mich beschützt. Ich bekam alles mit, aber mein Körper zeigte darauf keine Reaktion. Ich erlebte alles wieder, ohne den schrecklichen Schmerz zu spüren. 

Doch als ich sehen musste, wie Nikas sich selbst umbrachte, wandte ich mich ab. Für diesen Schmerz waren keine Medikamente stark genug. 

Zwei Stunden danach war die Vorstellung endlich vorbei. Ich wusste jetzt über alles Bescheid. Und es gefiel mir nicht. Nur die Medikamente verhinderten, dass ich auf der Stelle zusammenbrach. 

Cassandra und Timon habe ich indirekt getötet, Matthew habe ich wirklich das Leben genommen. Die Mutationen sollten die Psyche verwirren und die Tribute verrückt machen, bei Nikas und Maxim hatten sie das geschafft. Nur die Wolfpferde und Fledermäuse waren dazu da, den Körper zu testen. Die Büsche beim Wasserfall zeigten das Leben jedes Tributs und wie es ihnen ging. Olivia tötete Bianca, nachdem eine Mücke mit einem Nervengift sie gestochen hatte. Matthew drehte danach komplett durch. Er tötete Olivia, Ariana, Leon ohne Emotionen, Zayn und Will tötete er indirekt. 

,,Und jetzt können sie mit mir die diesjährige Spielemacherin begrüßen, Johanna Mason", grölte Andrew. 

Johanna betrat die Bühne, doch sie war nicht allein. Die Präsidentin begleitete sie. 

,,Ohooo, die Präsidentin höchstpersönlich ist da! Ich bitte um Applaus!". 

Die Menge tobte, der Lärm war kaum auszuhalten. Meine Medikamente ließen wieder langsam nach. Andrew deutete mir, aufzustehen. 

Und dann stand ich ihnen gegenüber. Den Frauen, die mir alles genommen hatten. Und ich musste ihnen ihre beschissene Hand schütteln und so tun, als wäre alles okay, ich musste lächeln, auch wenn ich ihnen am liebsten ins Gesicht gespuckt hätte. 

,,Gratulation", sagten beide im Chor. Meine Hände zitterten unkontrolliert, also versteckte ich sie hinter meinem Kleid. Johanna entging das nicht, ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. 

Dann passierte alles ganz plötzlich.

Ihr Lächeln gefror, Schreie ertönten. Dann fiel Johanna um. Sie war tot. Jemand hatte sie erschossen. 

,,Für ein freies Panem!", schrie plötzlich eine bekannte Stimme und ich entdeckte Katniss am Ende des Raums, auf einer kleinen Erhöhung. Peeta stand neben ihr. 

Und dann waren da überall Rebellen, die sich zu erkennen gaben. Das Kapitol war verwirrt, die Friedenswächter schrien wild durcheinander. 

Plötzlich legten sich Arme um mich, eine Klinge drückte gegen meine Kehle. 

,,Ihr dachtet, dass ich das nicht kommen sah? Ihr sitzt in der Falle, ihr habt verloren, und ich gewinn..". Sie verstummte. Die Hand mit dem Messer fiel schlapp herunter. 

,,Und das hast du nicht kommen sehen, du Bitch". Geschockt gefror mein Körper zu einer Skulptur. Dann hörte ich das Aufschlagen eines Körpers auf dem Boden. 

Die Präsidentin war tot. Aber das war nicht der Grund meiner Erstarrung. Eine Hand legte sich auf meine Schulter, Wärme ging von dieser Berührung aus. 

,,Hallo, Sienna". Nikas drehte mich zu sich. 

,,Du lebst", flüsterte ich. 

,,Ich lebe, ja, es tut mir so leid, das alles...". - ,,Nein, nein... Du bist am Leben, das ist alles was zählt".

Tränen rannen stumm über meine Wangen. Er wischte sie sanft weg. Um uns herum herrschte Chaos, aber das interessierte uns überhaupt nicht. 

,,Du weißt nicht, wie lange ich schon auf diesen Moment gewartet habe", flüstert er und ich ziehe kurz meine Augenbrauen zusammen, bevor er sich zu mir beugt und sanft seine Lippen auf meine legt. 

Die Welt um uns herum verschwamm. Mein Atem stockte. Ich hielt ihn fest, und ich hatte nicht vor, in jemals wieder loszulassen. 

Der Kuss war leidenschaftlich und beinahe verzweifelt. Wir waren mitten in einem Gefecht, es blieb keine Zeit für kleine Annäherungen. Es war schon vorbei, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. 

Ich strich über seinen Rücken, der erschreckend knochig war. Was er wohl alles durchgemacht haben musste... 

Ein Knall riss unsere Lippen auseinander, doch unsere Hände umklammerten sich wie ein Ertrinkender an einem Rettungsring. 

Denn irgendwie retteten wir uns gegenseitig. 

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Ich konnte Nikas doch nicht so einfach töten. Sienna verdient ein Happy End. 

Das große Finale gibt's aber erst im nächsten Kapi. 

Stay fresh and see you,

taylorswi13



Dead AirWhere stories live. Discover now