Lektion Fünfunddreißig: Vermisst...

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Höhere Schule
- Lernen für Fortgeschrittene -

Lektion Fünfunddreißig: Vermisst...

Geschrieben von Strike Fiss, 2000 - 2002
Übersetzt von Melissa Schneider

Wie an jedem Morgen fuhr Professor Fuyutsuki mit der Einschienenbahn zur Arbeit und las dabei die Tageszeitung. Doch an diesem Tag lag etwas merkwürdiges in der Luft. Aber vielleicht war es ja auch nur das gelegentliche Räuspern und Hüsteln der anderen Fahrgäste, oder das Rascheln einer Zeitung, dass ihm an diesem Tag mehr als gewöhnlich auffiel. Dennoch... Normalerweise war der Zug um diese Zeit menschenleer... In all den Monaten, die er nun schon allmorgendlich auf dieser Strecke fuhr, war er erst ein Mal auf andere Angestellte von NERV getroffen.

Wie auch immer, er ignorierte dieses merkwürdige Gefühl. Wahrscheinlich waren es nur seine Nerven. Sie lagen ohnehin in letzter Zeit ziemlich blank. Während einem jeden anderen die Veränderungen in der Verhaltensweise des Kommandanten niemals aufgefallen wären, kannte Fuyutsuki ihn zu genau um es zu übersehen. Aber das war ja auch kein Wunder... Wenn man wie er ständig mit Gendo zu tun hatte, musste man jede Sekunde wachsam sein. Den winzigsten Augenblick der Unaufmerksamkeit würde Ikari gnadenlos ausnutzen... Leute ausnutzen und mit ihnen spielen war ja ohnehin eine der Lieblingsbeschäftigungen des Kommandanten.

Aber in letzter Zeit mache Gendo den Eindruck als nage etwas an ihm. Nicht so sehr von Seiten seiner Arbeit her, sondern mehr von innen. Etwas beschäftigte ihn, und ließ ihm keine Ruhe mehr. Etwas, auf das er sich keinen Reim machen konnte... aber das so wichtig war, dass er seit nunmehr zwei Monaten daran zu kauen hatte. Etwas, das vorgefallen war, noch bevor Einheit-01 'erwacht' war.

Für die Organisation NERV an sich lief alles mehr als gut. Natürlich würde der Kommandant niemals so denken, aber Fuyutsuki tat es. Und er sah es als Glück an, dass alles so gut lief. Gendo dagegen hasste Glück und Zufälle. Stets hatte er diesen Faktor aus seinen Plänen herausgehalten... und mehr noch, eher mit dem Gegenteil gerechnet. Er war der Auffassung, dass Glück und Zufälle etwas wären, auf das Kinder und Narren vertrauten, - nicht aber Männer mit Visionen, wie er einer zu sein glaubte...

Der Vizekommandant aber glaubte nicht nur fest daran, dass sowas wie Glück und Zufall existierte, nein, er war sich sogar sicher, dass es die Gründe waren, warum NERV bisher so gut gegen die Engel und alles andere ausgesehen hatte. Alle Evangelions waren innerhalb von Momenten einsatzbereit... auch wenn Einheit-01 zur Zeit auf Befehl des Kommandanten nicht eingesetzt werden durfte. Die Piloten waren gesund, am Leben, und weitestgehend in Ordnung. Und was Toji anbelangte, so hatte sich sogar gezeigt, dass die Verletzungen, die er beim letzten Angriff erlitten hatte, seiner Aufgabe als Pilot von Einheit-03 nicht im Wege standen, und dass er trotzdem Fortschritte verzeichnen konnte. Die Reparaturen am Hauptquartier waren nahezu abgeschlossen, und der größte Teil der Mitarbeiter schien mit dem Verlauf der letzten Operation zufrieden zu sein... wenn sie auch ein bisschen angespannt waren...

Er hatte sich immer gefragt, wie das 'Erwachen' vonstatten gehen würde.

Sie wussten, dass es geschehen würde... alles deutete darauf hin, und es war klar, dass es nur eine Frage der Zeit wäre. Einer der Engel würde Shinji derart in Gefahr bringen... ihn derart bedrohen... etwas, das er liebte, derart bedrohen... dass es ausreichen würde, um Yui ...

Eigentlich war es unsinnig so zu denken... es gab keinen Anhaltspunkt zu vermuten, dass Yui hinter dem furiosen Sturmlauf von Einheit-01 steckte...

Dennoch hatte Fuyutsuki diese handfeste Ahnung. Und auch wenn Gendo es niemals zugeben würde, auch er wusste genau, was vorgegangen war.

Der alte Mann lächelte vor sich hin. Und all das wegen einer Frau. Wie würden die Geschichtsschreiber von ihnen denken? Wären sie große, noch nie dagewesene Helden... oder doch eher die Bösewichte? Oder würden sie vielleicht in die Geschichte eingehen, als die Gefolgsleute eines Ehemannes, der nicht imstande war das Schicksal seiner Frau zu akzeptieren? Oder musste man sie doch eher als die Puppen eines Mannes bezeichnen, der um eine Liebelei willen bereit war alles andere aufzugeben?...
So wie er selbst aus seinem Pflichtgefühl heraus bereit gewesen war alles aufzugeben...

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