Lektion Einunddreißig: Tadaima - Ich bin zu Hause...

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Höhere Schule
- Lernen für Fortgeschrittene -

Lektion Einunddreißig:
Tadaima - Ich bin zu Hause...

Geschrieben von Strike Fiss, 2000 - 2002
Übersetzt von Melissa Schneider

Es war ein wunderbares Gefühl.
Anders konnte er es nicht beschreiben. Er war wunschlos glücklich. Er verspürte keinen Hass, keine Schmerzen, und auch nicht den Wunsch woanders zu sein.

Er war von einem hellen, wärmenden Licht umhüllt, und für einen Moment fragte er sich, ob er vielleicht in einer Badewanne mit warmem Wasser lag... und dieses merkwürdige Licht und dieses Gefühl der 'Leichtigkeit' das er verspürte, kamen vielleicht daher, dass er im Bad ausgerutscht, und mit dem Kopf auf den Boden geknallt war... im einem Bad in NERV-Hauptquartier... im Waschraum der Männer-Umkleide...

Shinji hatte immer regelrecht Angst gehabt die Männer-Umkleide zu benutzen. Er benutzte statt dessen lieber den kleinen, spartanischen Umkleideraum für 'Jungen'. Er lag näher am EVA-Hangar und dem Aufzug, den er immer benutzte, um das Hauptquartier zu verlassen. Erst ein Mal war er - mehr versehentlich - in die Männer-Umkleide gegangen. Sie war nie leer und es waren immer Leute darin. An die hundert ältere Männer genossen die im Stile eines Badehauses gehaltenen Waschräume, redeten miteinander, lachten, und ließen einfach ihre Sorgen Sorgen sein.

Doch das war etwas, dem Shinji nichts abgewinnen konnte. Auch wenn es so etwas einfaches und unschuldiges wie ein Bad war; der Gedanke, mit anderen, fremden Männern einen Raum teilen zu müssen, während man nackt und verletzbar war, weckte in ihm ein Gefühl des Unbehagens.
Nacktheit, unbekleidet sein, die Hüllen fallen lassen... das war etwas, mit dem er sich nicht anfreunden konnte... weder in körperlicher noch in emotioneller Hinsicht.
Ganz zu schweigen von all den Männern, die ihn, den 'kleinen Jungen', wohl einfach nur auslachen würden weil er versuchte bei den 'Spielen der Großen' mitzuspielen.

Aber beeindruckend war es schon, das Bad in der Männer-Umkleide.

Es hatte eine riesige, gekachelte Badewanne, die glatt als Swimming-Pool durchgegangen wäre, wenn man von der Tatsache absah, dass sie in der Mitte gerade mal so tief war, dass man bis zum Kinn in warmem Wasser sitzen konnte. Und wem das zu tief war, der fand am Rand des Beckens gekachelte Sitzbänke, die das Wasser so flach gestalteten, dass es selbst kleinen Jungen von der Größe eines Shinji nur bis zur Brust reichte.

Shinji wünschte sich, dass er nur einmal die Gelegenheit bekommen würde allein in diesem Bad zu sein.

Nur er und all das wundervolle Wasser. Heißer Dampf, der seine Sorgen vertreiben würde. Eine ganz andere Welt im Vergleich zu der kalten Dusche in der Umkleide der Jungs, oder der klitzekleinen Wanne im Appartement von Misato Katsuragi.

Und je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, dass er tatsächlich in dieser wundervollen großen Wanne der Männer-Umkleide liegen musste.

Sein Körper fühlte sich so warm an und ein Kribbeln ging durch jeden Muskel, als er sich entspannte und die Glieder von sich streckte. Sanft umspielte das Wasser seine Gesichtszüge während sein Blick starr auf die weiße, helle Decke gerichtet war.

"Ich fühle mich..." Seine Stimme hallte, von unsichtbaren Wänden zurückgeworfen, nach. "Ich fühle mich zu Hause."

"Willkommen zu Hause." Die Antwort kam aus dem Nichts und war nicht lauter als ein Flüstern.

Doch irgendwie hatte sie müde geklungen. Erschöpft. Geschunden, und mit der Kraft am Ende.

Er wandte seinen Blick von der Decke ab, und drehte seinen Kopf. Seine Umgebung veränderte sich. Das helle Licht um ihn herum hatte dem Bild eines kleinen Parks Platz gemacht. Er sah die Umrisse eines Mannes und einer Frau, die im Schatten eines riesigen Baumes neben einem Kinderwagen standen. Die Luft war frisch und klar, und voller verschiedener Düfte,- so völlig anders als die Luft, die er von Tokio-3 mit seinem nicht enden wollenden Sommer kannte.

NGE : Höhere Schule - Lernen für FortgeschritteneWhere stories live. Discover now