𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟐𝟎

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     a/n

Ausnahmsweise packe ich das hier mal an den Anfang, denn ich will mich erstmal für die fehlenden Kapitel in letzter Zeit entschuldigen. In der Uni hatte ich bis jetzt Klausurenphase und obwohl (fast) alles gut gelaufen ist, waren die letzten Wochen doch ziemlich stressig und ich hatte leider überhaupt keine Zeit zum Schreiben. Jetzt bin ich aber mit dem wichtigsten durch und kann mich endlich wieder Chrollo und Haru widmen – in dem Sinne, viel Spaß mit dem neuen Kapitel :)

over and out

Neo




Haru und Chrollo redeten an diesem Abend noch lange.

Er erzählte ihr von seinen eigenen Nachforschungen: dass die Familie de Rune über die Jahre und Jahrhunderte immer von einem oder einer ‚J' geführt wurde und dass dies wohl immer Haru gewesen war, lediglich in anderen Körpern. Damit klärte sich auch das Rätsel, weshalb Abate, der Butler der Familie, Haru erkannt hatte, obwohl ihm ihr Gesicht nicht bekannt gewesen war. Er hatte sich nicht etwa an sie erinnert, sondern an ihr Nen, genauer gesagt das Nen Jaros. Als sie ihn in der Bibliothek bei ihrem Einbruch angegriffen hatte, war er damit in Kontakt gekommen und, so vermutete Chrollo, musste es ihn wohl an alte Zeiten erinnert haben.

Als schließlich alles gesagt war und der nächtliche Nebel sich längst wie eine Decke über das Tal gelegt hatte, saßen Chrollo und Haru noch immer auf der Lichtung.

Schweigen hüllte die beiden ein und es war kalt geworden, trotz des mediterranen Klimas. Haru jedoch störte das nicht. Ihr Herz schlug noch immer wie wild in ihrer Brust und nicht einmal ein Schneesturm wäre in diesem Moment wohl in der Lage gewesen, das Feuer, das in ihrem Inneren brannte, zu ersticken.

Was sie fühlte, war nicht Glück. Haru konnte nicht sagen, dass sie besonders glücklich oder froh gewesen wäre. Glücklich war man, wenn man das Geschenk zum Geburtstag bekam, das man sich gewünscht hatte, oder wenn es das Lieblingsessen gab.

Haru hingegen war am Brennen. Und sie konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so lebendig gefühlt zu haben.

„Was gedenkst du nun zu tun?" Chrollos ruhige Stimme durchbrach die Stille der Nacht.

„Ich bin vielleicht Jacobe, aber auch, wenn ich von diesem früheren Leben geträumt habe, so kann ich mich trotzdem nicht wirklich daran erinnern, geschweige denn an all die anderen Leben, die ich danach gelebt haben soll. Wenn ich ehrlich bin, fühlt sich alles immer noch ein wenig surreal an. Und ich glaube, ... ich will mich auch nicht erinnern."

Chrollos neugierige Miene brachte sie dazu, mit einem Seufzen weiter zu reden: „Ich will nicht Jacobe sein, nicht Jaro und auch nicht Jacint, ganz gleich, wie gut ich mich mit diesem Gedanken auch arrangiert haben mag. Denn wenn das bedeutet, dass ich getan haben muss, was ich getan habe... Vielleicht ist es gut, dass ich mich nicht erinnere. Ich habe nun die Chance auf einen Neubeginn. Es mag nicht das sein, was ich nach all dem verdiene, doch ist es das, was ich habe. Und ich werde den Teufel tun, dieses Geschenk abzulehnen."

Haru suchte in Chrollos Augen nach Abneigung, doch sie fand nichts dergleichen und beinahe hätte sie deswegen gelacht. Hatte sie wirklich eine negative Reaktion von jemandem wie Chrollo wegen moralisch fragwürdiger Entscheidungen erwartet?

Natürlich nicht.

„Chrollo, du hast dem Monster gegeben, wonach es gesucht hat: Kontext. Eine Antwort darauf, wer es ist, was es ist. Was... ich bin. Was ich sein will. Keine de Rune, kein Subjekt einer Sekte. Nur Haru. Das werde ich nicht vergessen. Nicht in diesem Leben und nicht in denen, die vielleicht noch kommen mögen."

„Gleich so offiziell? Normalerweise haben wir keinen Schwur für neue Mitglieder der Spinne," schmunzelte Chrollo, als er Harus Geständnis lauschte, „aber du kannst natürlich trotzdem gerne eines ablegen."

„Ich glaube das war pathetisch genug bis hier her," erwiderte sie, nun ebenfalls mit einem Lächeln auf den Lippen. „Aber da ist doch noch etwas..."

„Ach ja?"

„Mein Nen, genauer gesagt mein Hatsu. Ich habe in den letzten Tagen viel darüber nachgedacht und auch, wenn ich es vielleicht noch nicht zur Gänze kontrollieren kann, so haben mir die Visionen Jacobes doch geholfen, es verstehen zu lernen. Nun, eigentlich hatte ich es ja längst verstanden und es nur vergessen. Vielleicht liegt es daran, dass ich so schnell in der Lage war, es mir wieder anzueignen. Aber wie dem auch sei – ich glaube, ich sollte dir und den andern Spinnenmitgliedern seine Funktionsweise erklären. Ich will nicht, dass es nochmal zu unschönen Zwischenfällen kommt."

„Glaubst du nicht, dass eine berüchtigte Diebesbande, Ziel von den besten Klasse-A-Kopfgeldjägern und mit Haftbefehlen auf allen Kontinenten, sich gegen dein Nen verteidigen könnte?" Chrollo zog eine Augenbraue hoch. Harus neu erwachtes Selbstvertrauen erschien ihm in diesem Moment ein wenig suspekt.

„Nein. Das glaube ich nicht. Zumindest nicht, wenn man nicht weiß, wie. Kennt man die Taktik, ist es aber eigentlich ganz leicht."

„So so?" Chrollo war noch immer skeptisch, war aber bereit, ihr weiter zuzuhören.

„Wie ihr schon ganz richtig vermutet habt, bin ich Emitter. Mein Hatsu erlaubt es mir, eine Kopie von mir, bestehend aus Nen-Energie, anzufertigen. Das ist aber keine Conjuration-Technik. Ich fertige nicht direkt ein Double von mir an, sondern stoße lediglich Aura in einer bestimmten Form aus. Diese Form ist stets mit mir verbunden, über ein dünnes, silbernes Band, das ebenfalls aus Nen besteht. Wenn ich mit an Jacobes Träume richtig erinnere, kann dieses Band wohl gut einen Kilometer Reichweite haben, während es in Kämpfen durch die große Anstrengung auf wenige Meter begrenzt ist. Und reißt dieses Band, ist es auch mit der Nen-Hülle zu Ende."

„So weit, so gut. Aber ich sehe noch nicht, warum man nicht dagegen ankommen sollte, geschweige denn, wie dir das dabei helfen konnte, unsterblich zu werden."

„Ich glaube, das hat mit Jacobe zu tun. Mit seiner Tätigkeit als Mönch. Hast du schon einmal von Astralprojektion gehört? Die Fähigkeit, nach langer Übung und Meditation sein Bewusstsein von seinem Körper abzulösen? Das ist nicht direkt eine Nen-Technik, und eigentlich könnte sie, mit genügend Zeit, jeder erlernen."

Chrollo nickte: „Ich habe schon davon gehört, es jedoch niemals erlebt. Für den Kampf erschien es mir bisher kaum hilfreich."

„Das ist es an sich auch nicht. Aber Jacobe hat diese Form der Geistesmanipulation mit seinem Nen verbunden und damit den Warg erschaffen. Mein Hatsu." Haru legte eine Kunstpause ein, dann fuhr sie fort: „Wenn ich mein Nen-Double mit mindestens der Hälfte meines Nens ausstatte, kann ich mein Bewusstsein darauf übertragen. Es agiert dann an Stelle meines Körpers, jedoch ohne die Limitationen, die ein normaler Körper mit sich bringt. Ich kann die Welt im Rahmen des Bandes erkunden, kann feste Materie durchqueren und andere Auren wesentlich leichter wahrnehmen. Mein realer Körper ist dabei jedoch weitestgehend ungeschützt, da sich mein Bewusstsein nun an einem anderen Ort befindet."

„Und jetzt folgt die Erklärung, warum das so fürchterlich ist, nehme ich an?"

„Nicht fürchterlich, nur ungewohnt für die Meisten. Aber ja, ich komme zum Punkt: Wenn ich nun in dieser Aura-Form jemanden angreife, dann greife ich nicht dessen Körper an, den er ja wahrscheinlich durch Ken geschützt hält – sondern den Geist der Person. Jeder verteidigt in einem Kampf instinktiv seinen Körper, doch auf Angriffe auf das Bewusstsein sind die wenigsten vorbereitet. Mit meiner Fähigkeit Warg kann ich den Geist meines Gegners ins Taumeln bringen, ihn verwirren und auf sehr simple Art beeinflussen. Doch wozu der Warg eigentlich gedacht ist, ist, Körper und Bewusstsein meines Gegners ebenfalls voneinander zu trennen. Das erfordert sehr viel mehr Kraft, ist aber auch wesentlich effektiver. Denn wenn ich jemanden von seinem Bewusstsein trenne, ist er in den meisten Fällen nicht nur sofort außer Gefecht gesetzt, sondern ich kann auch, wenn ich das silberne Band des Gegners durchtrenne – und das ist es, was mir mein langes Leben ermöglichte – dessen Körper übernehmen.

Also ja. Ich bin wohl unsterblich."




𝐀 𝐁𝐚𝐧𝐝𝐢𝐭𝐬 𝐒𝐞𝐜𝐫𝐞𝐭 | 𝐂𝐡𝐫𝐨𝐥𝐥𝐨Where stories live. Discover now