Kapitel 28

282 22 0
                                    

Als das Flugzeug vom Boden abhob, wurde mir einige Augenblicke lang schlecht. Der Druck auf meinen Ohren in Kombination mit der Müdigkeit und dem Stress der letzten Stunden machten mir wohl doch mehr zu schaffen, als ich für angemessen hielt.

Ross musste wohl auch bemerkt haben, dass ich etwas grün um die Nase geworden war. Ich hatte keine Ahnung, ob man wirklich grün wurde, sollte einem schlecht werden, aber gelesen und gehört hatte ich es schon einige Male.

Alles okay?“, fragte er besorgt und musterte mich abschätzend. Stumm schüttelte ich den Kopf und versuchte meinen Magen mit gezwungenem, regelmäßigem Atmen unter Kontrolle zu bringen.

Normalerweise sollte es helfen, doch in diesem Fall hatte ich nicht das Gefühl, dass es in irgendeiner Weise besser wurde. „Du hast aber keine Höhenangst, oder?“ Sein sorgenvoller Blick freute mich aus einem unbekannten Grund.

Trotzdem konnte ich verneinen. Höhenangst hatte ich so viel ich wusste nicht. Trotzdem ging das mulmige Gefühl nicht fort, selbst als wir eine stabile Höhe erreicht hatten. „Schau mich an“, befahl Ross und sah mich an.

Blinzelnd blickte ich in seine dunklen Augen. Ich wüsste wirklich zu gerne, wie sie in Farbe aussahen. Sie wären sicher noch viel schöner. Benommen rief ich mein Gehirn zur Ordnung; es sollte sowas nicht denken!

Ich würde nur wieder anfangen, über meinen Gendefekt nachzudenken und das endete nie damit, dass ich in irgendeiner Weise glücklicher wurde. Genau genommen war das genaue Gegenteil der Fall.

Und selbst wenn ich keinen Defekt hätte, sollte ich nicht so über Ross‘ Augen denken. Die Situation war schlimm genug, da musste ich sein Ego nicht auch noch pushen. Und allgemein hielt ich es für eine schlechte Idee, überhaupt so über das Äußere anderer Personen zu denken.

Immerhin sollten die inneren Werte über die Schönheit einer Person entscheiden. Außerdem war gerade mir bewusst, dass das Aussehen völlig egal war. Schließlich war ich weiß Gott keine Schönheit und hatte in den letzten Wochen und Monaten gelernt, dass ich nicht der unerträglichste Mensch auf Erden war.

Tatsächlich hatte ich Selbstvertrauen entwickelt, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich es schaffen könnte. Ich war nicht mehr die Jamie von früher, aber auch noch nicht die Jamie, die ich gerne wäre.

Alles unterlag einem ständigen Wandel und ich hatte vor, irgendwann anzukommen. Ob das nun morgen oder übermorgen wäre, zählte für mich nicht. Entscheidend war das Ankommen an sich.

Jamie?“ Eine wedelnde Hand vor meinem Gesicht holte mich zurück in die Wirklichkeit. „Du solltest mich anschauen.“ Ross versuchte zwar, ruhig zu klingen, aber den sorgenvollen Ton konnte er trotzdem nicht vor mir verbergen.

Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Tut mir leid“, murmelte ich und sah ihm wieder in die Augen. Diesmal schaffte ich es tatsächlich, dauerhaft in seine Augen zu blicken, ohne gedanklich abzuschweifen.

Deine Pupillen sind ziemlich geweitet, im Vergleich zu sonst.“ Woher wusste er denn bitte, wie sehr meine Augen normalerweise geweitet waren? Ich wusste es ja selbst nicht, außerdem kam das ja auf das Umgebungslicht an.

Zudem sah ich genauso gut wie sonst auch, also musste mit meinen Augen alles in Ordnung sein. „Am besten du schläfst eine Weile. Hier oben kann uns ja ohnehin wenig passieren.“ Blinzelnd ließ ich mich in meinem Sitz zurücksinken.

Seit das seltsame Wesen mit Dawns Aussehen in mein Zimmer gekommen war, hatte sich so viel verändert. Selbst meine Meinungen gegenüber verschiedenen Dingen hatten sich schlagartig gewandelt.

Früher hätte ich nie zugegeben, dass es nicht hilfreich war, vor seinen Problemen wegzulaufen und heute würde ich dafür einstehen. Ich warf noch einen letzen kurzen Blick aus dem Fenster neben mir.

Obwohl nicht viel zu erkennen war, überkam mich ein Gefühl wie Heimweh. Kurz überlegte ich, wie es so schnell meine Heimat hatte werden können, doch dann wurde das mulmige Gefühl noch schlimmer.

Wenn das so weiterginge, würde ich mich demnächst noch übergeben müssen. Und das war weder in meinem, noch im Interesse der anderen Fluggäste. „Mir ist schlecht“, klagte ich Ross mein Leid.

Er wusste ja ohnehin schon, dass es mir nicht wirklich gut ging, also konnte ich jetzt auch ein wenig jammern. Der Druck auf meinen Ohren schmerzte, aber das sollte mit der Zeit vergehen. „Ich weiß“, antwortete er und musterte mich zum wiederholten Male.

Zögernd nahm er meine Hand in seine: „Du bist ganz kalt.“ Ich fühlte mich aber eher, als wäre das Gegenteil der Fall. Es kam mir viel zu warm hier drin vor. Selbst seine Hand wirkte kalt, obwohl er offenbar vom Gegenteil überzeugt war.

Mir ist aber so schrecklich warm“, seufzte ich. Die Hand, die meine Hand nicht hielt, legte er für einen kurzen Augenblick auf meine Stirn. Das reichte, um den besorgten Ausdruck wieder auf sein Gesicht zu locken.

Du hast Fieber, Jamie.“ Es dauerte eine ganze Zeit, bis ich verstand, was er zu mir gesagt hatte. Woher hatte ich denn jetzt plötzlich Fieber? Bis vor kurzem war doch noch alles in Ordnung gewesen.

Ungläubig versuchte ich eine erhöhte Temperatur festzustellen, doch wie zu erwarten, kam sie mir völlig normal vor. „Bist du dir sicher?“, hakte ich nach und hoffte, er würde seine Meinung plötzlich ändern.

Natürlich war mir klar, dass er nicken würde, aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. „Ja, Jamie, ich bin mir ganz sicher.“ Na super, das änderte nichts daran, dass ich Fieber in diesem Moment nicht wirklich gebrauchen konnte.

Überhaupt war es total nervig, aber in dieser Höhe erschien es mir fast noch unvorteilhafter. „Soll ich dir was zu trinken holen oder so?“ Ratlos schaute er mich an.

Er wirkte ein wenig verloren und überfordert, wollte es sich aber offenbar nicht anmerken lassen. Also ließ ich ihn in dem Glauben, alles richtig zu machen und nickte einfach.

Ein letztes Mal strich er mit seinem Daumen über meinen Handrücken, bevor er aufstand. Ich hatte schon wieder vergessen, dass er meine Hand gehalten hatte und nun spürte ich, wie meine Wangen langsam warm wurden.

Das hatte allerdings weniger mit dem Fieber zu tun, als damit, dass ich wirklich bei jeder Gelegenheit verlegen werden musste. Ross dagegen schien nie auch nur ansatzweiße verlegen zu werden, was mich um ehrlich zu sein wenig wunderte.

Erschöpft lehnte ich mich in meinem Sitz zurück und wartete auf seine Rückkehr. Ein leichtes Rütteln an meinem Arm machte mich wenige Minuten später darauf aufmerksam, dass er wieder da war. Er hatte eine Flasche Wasser in der Hand und reichte sie mir.

Stumm nahm ich sie entgegen und trank einige Schlucke. „Kein Danke?“ Ich setzte die Flasche für einen Moment ab und grinste ihn an: „Nein.“ Er lachte kurz: „Dir scheint es ja schon besser zu gehen.“

Nach einem weiteren großen Schluck nickte ich benommen. Mir ging es in der Tat besser, wenn auch noch nicht wirklich toll. Also lehnte ich mich nach hinten und suchte mir eine bequeme Schlafposition.

Mein Kopf wollte allerdings nirgends Halt finden und so blieb mir kaum eine Wahl, als ihn auf Ross Schulter abzulegen. Zuerst sträubte ich mich eine Weile dagegen und suchte nach einer anderen Möglichkeit, doch dann bot er es mir freiwillig an und ich ergriff die Gelegenheit: „Ich kann es nicht mehr mit ansehen! Leg deinen Kopf doch einfach auf meine Schulter. Meine Güte, muss man dich erst noch dazu auffordern?“

Er schüttelte ungläubig grinsend den Kopf. Zum Glück konnte er nicht mehr sehen, dass ich schon wieder verlegen lächeln musste, als ich seinen beruhigenden Geruch einatmete.    

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ist ziemlich kurz geworden, tut mir leid, aber Schulstress ist angesagt .-. Tut mir leid :/

Grey world a german Ross Lynch FF ♥ (R5)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt