Feuerwerk

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⚠️TW Angstzustände, Panikattacken⚠️

John pov

"Hier, such dir einen neuen Fall aus." Sherlock greift mein Handy und beginnt zu scrollen. "Warum eigentlich? Wir haben doch gerade einen Fall." sagt er. "Ist dein Neujahresgeschenk." Scheinbar reicht ihm das als Antwort und er sucht sich einen Fall aus. 

Als wir beim Tatort ankommen, lasse ich Sherlock einfach sein Ding machen, stelle mich zu Greg. "Habt ihr an Silvester schon was vor?" "Ja, Sherlock und ich fahren aus der Stadt zu einem Fall." "Nein, tut ihr nicht. Die halbe Regierung und Scotland Yard feiern zusammen ins neue Jahr rein. Und ihr werdet auch kommen. Eine Party, bei der Sherlock und Mycroft sich nicht streiten, macht nur halb so viel Spaß." "Nein, das geht nicht." sage ich sofort, "Ich habe es Sherlock versprochen." "Er wird es überleben. Ihr kommt." "Aber-" "Hast du mir nicht zugehört? Ihr kommt!" Ich nicke stumm. Mir wird noch eine Ausrede einfallen. Irgendeine Ausrede muss mir einfallen.

Ich kann nicht bleiben. Silvester in London. Ich kann nicht an Silvester in London sein!

~*~*~

"Wir müssen jetzt los. Komm schon, John." "Ich komme nicht mit. Harry hat angerufen. Wir sehen uns dieses Jahr und verbringen Neujahr miteinander." "Du lügst. Und wenn ich es nicht schwänzen kann, kannst du es nicht auch schwänzen. Jetzt komm." Seufzend greife ich meinen Mantel und folge Sherlock die Treppe nach unten.

Etwa 20 Minuten später stehen wir irgendwo inmitten von Leuten. Sherlock hat nun schon die zweite Zimmerpflanze vergiftet, indem er sein Sektglas in dem Blumentopf ausgekippt hat. Ich halte mein Sektglas einfach nur unangerührt in meiner Hand, habe noch keinen Schluck getrunken.

"Wieso so miese Laune heute, John?" fragt Greg und stößt mich leicht an. "Ich fühle mich schlecht wegen dem Fall. Ich habe es Sherlock versprochen und jetzt sind wir hier, nicht auf diesem Fall." "Sherlock scheint es doch nicht so schlecht zu gehen." "Ja, gut möglich. Aber ich habe es versprochen und ich hasse es, Versprechen nicht zu halten." Es ist nicht wirklich gelogen, da ich es wirklich hasse, Versprechen nicht halten zu können. Ich verspreche eigentlich nur Dinge, die ich halten kann, aber wenn ich es dann durch Fremdeinwirkung nicht kann, fühle ich mich immer schlecht. Aber der Grund, warum ich heute so schlecht drauf bin, ist ein anderer.

"Leute! Noch eine Minute!" schreit irgendwer. Meine Brust zieht sich zusammen. Ich muss hier weg. Sofort. Aber noch während ich das denke, werde ich von Greg am Arm gepackt und mit ihm gezogen. "Was? Wohin gehen wir?" frage ich verwirrt. "Es ist gleich null Uhr. Ich will Mycroft küssen." "Oh. Oh klar." murmle ich. 

Wir kommen in der Mitte einer riesigen Menschenmenge an. Durch das Gedränge stehe ich sehr dicht bei Leuten, die ich nicht mal kenne, was die ganze Situation nicht besser macht. Die Leute beginnen laut zu zählen und Greg hat seine Arme bereits um Mycrofts Nacken geschlungen. Ich sehe mich um, kann Sherlock aber aufgrund meiner geringen Größe und dem Gedränge nicht entdecken. Ich muss hier weg! Sofort!

Als ich gerade versuche mir einen Weg durch die Menschenmassen zu bahnen, wird es null Uhr. Alle beginnen zu jubeln oder küssen sich. "Darf ich? Entschuldigung. Darf ich bitte." sage ich und dränge mich zwischen den Leuten hindurch. "Sherlock!" rufe ich, bin mir nicht mal sicher warum. 

Aber zu spät. 

Ich sehe das Feuerwerk. Es beginnt zu knallen. 

Tischknaller.
Konfettikanonen.
Feuerwerk.
Wunderkerzen.
Knallerbsen.

Mein Sektglas fällt mir aus der Hand, zersplittert auf dem Boden. Ich presse meine Hände auf meine Ohren und versuche zu zählen, um mich zu beruhigen, kann mich aber nach 2 an keine weitere Zahl mehr erinnern. Überall Knallen und Explosionen, Lichtblitze, Funken. Meine Hände zittern und ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. "Sherlock..." weine ich panisch, "Sherlock!" 

Ich breche zusammen. Die entsetzten Laute der umliegenden Menschen bekomme ich kaum noch mit.

"Es ist nur Feuerwerk. Nur Feuerwerk. Es ist kein Krieg. Ich bin nicht im Krieg. Es sind keine Bomben. Alles ist gut. Ich bin in Sicherheit." murmle ich zu mir selbst, aber immer wieder sehe ich Bilder aus dem Krieg. Menschen, die erschossen werden. Leute, die Granaten werfen. Einschlagende Bomben. Menschen, die vor mir an ihren Wunden gestorben sind. 

Jemand greift meine Handgelenke und zieht meine Hände weg von meinem Kopf. Trotz meiner tränenverklärten Sicht kann ich Sherlock erkennen. "John, ganz ruhig." Ich schüttle den Kopf. Meine Brust schnürt sich immer mehr zu, mein Magen zieht sich immer mehr zusammen und mein Herz schlägt immer und immer schneller. Auch das Zittern verstärkt sich so sehr, dass ich das Gefühl habe, die Erde würde beben. Sherlock hebt mich auf einmal hoch und trägt mich durch die Masse weg. Panisch drücke ich mich an ihn, durchnässe sein Hemd mit meinen Tränen und zerknittere den Stoff, indem ich mich darin festkralle. 

Ich versuche ruhiger zu atmen, aber das macht es nur schlimmer. "John, ganz ruhig. Tief durchatmen." Ich schüttle nur den Kopf, da ich einfach nicht kann. "Shh~! Alles ist gut. Du bist in Sicherheit, John." "Ich krieg keine Luft." keuche ich, "Sherlock..." "Ganz ruhig. Tief durchatmen." "Sherlock..." schluchze ich und schlage panisch gegen seine Brust.

Sherlock legt mich auf den Boden und streicht durch meine Haare. "Ganz ruhig." sagt er. Ich versuche durchzuatmen, beginne aber nur stärker zu weinen. Panisch schlage ich auf den Boden und versuche mich zu konzentrieren, versuche mich auf Sherlock zu konzentrieren.

"Alles wird gut. Vertrau mir." flüstert er und ich sehe eine Spritze in seiner Hand. Wild schüttle ich den Kopf und will ihn von mir fernhalten, aber jemand packt mich und hält mich ruhig. Sherlock zerreißt mein Hemd und legt meinen Oberarm frei. Dann spritzt er mir etwas. Es tut höllisch weh. Ich versuche mich zu befreien, aber noch ein weiteres Paar Hände greift mich und hält mich fest. 

Dann wird mir schwarz vor Augen.

~*~*~

Schwerfällig öffne ich die Augen. Mein Körper fühlt sich so unheimlich schwer und schwach an. Ich habe unheimliche Kopfschmerzen. Nur mühsam und langsam schaffe ich es, mich aufzurichten. Gerade als ich aufstehen will, wird die Tür geöffnet. Sherlock kommt herein. "Bleib liegen. Ich bin jetzt der Arzt. " sagt er und drückt mich zurück in eine liegende Position. "Was ist passiert?" frage ich. Sherlock setzt sich neben mich: "Du hattest eine schwere Panikattacke als die Feuerwerke begannen. Wir konnten dich nicht beruhigen. Du warst zu panisch. Ich habe dir ein starkes Beruhigungsmittel gespritzt. Wir haben dich ins Krankenhaus gebracht, um zu überprüfen, ob du es gut überstanden hast. Das letzte Mal, als ich eine Spritze in der Hand hatte, habe ich mir eine Überdosis initiiert. Aber es war alles okay. Also habe ich dich nach Hause gebracht. Du hast den kompletten 1. und 2. Januar verschlafen. Du musst hungrig sein." "Jetzt, wo du es sagst... Ja, sehr." "Moment, ich hole dir etwas." 

Er verlässt den Raum. Wenige Minuten später kommt er zurück und reicht mir einen Teller. Ich beginne sofort zu essen. "Du hast Angst vor Feuerwerk." stellt er dann fest. "Ja. Also eigentlich nein." "Was nun?" "Ich... Feuerwerke erinnern mich an den Krieg. An Bombenangriffe. Es weckt einfach schlimme Erinnerungen. Erinnerungen, die mich schon oft dazu gebracht haben, mir eine Waffe in den Mund zu stecken. Ich... Es tut mir leid, dass ich Probleme gemacht habe." "Hast du nicht. Geht es dir besser?" "Ja, danke." Sherlock setzt sich zu mir und legt einen Arm um meine Schulter. Ich lehne mich gegen ihn. 

"Deswegen sind wir also immer über Silvester aufs Land gefahren." Ich nicke. "Gut. Dann machen wir das nächstes Jahr auch wieder. Ich will dich nie wieder so leiden sehen." Ich lächle leicht und kuschle mich enger an ihn: "Danke, Sherlock." Er antwortet nicht, legt einfach sein Kinn auf meinem Kopf ab und schweigt.

Johnlock OneshotsWhere stories live. Discover now