22: Strom der Zeit

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Was Zeitreisen anging, existierten in der Welt der Manyeos viel mehr Gesetze als sich Jimin je vorgestellt hatte.

Wie einst sein Vorgänger war Wu - Chong ebenfalls sehr belesen auf diesem Gebiet und erzählte den Dreien alles, was sie vor dem Zeitsprung wissen mussten.

Da bestimmte Zeitlinien wie beispielsweise die Jungfernfahrt der Titanic oder die Krönung der englischen Queen sehr kostbar waren und unter keinen Umständen beschädigt oder verändert werden durften, musste Jimin dem Meister hoch und heilig versprechen, seine Hexkraft nicht einzusetzen.

Außer, wenn es dringend nötig war und es sonst keinen anderen Weg gab.

Zudem war es äußerst wichtig, dass sie mit absolut niemandem in der entsprechenden Periode sprachen oder ihn gar berührten, denn dies konnte zu sogenannten Paradoxen führen und die Zukunft womöglich negativ beeinflussen.

Eine dritte und oberste Regel war die, niemandem in der entsprechenden Zeitlinie auch nur einen Hauch davon zu verraten, wer man war und was man vorhatte.

Am besten war es, sich möglichst unauffällig unter das Geschehen zu mischen und die Leute so agieren zu lassen, wie es dem steten Fluss der Zeit entsprach.

Nachdem Wu - Chong ihnen diese spezifischen Regeln bis ins kleinste Detail eingeschärft und sie mehrmals abgefragt hatte, konnte es los gehen.

Der Hexenmeister führte Jimin, Suga und Hoseok in sein kleines Studierzimmer, welches sich im Westflügel des Anwesens befand.

Dort hatte er ein vergilbtes, rissiges Pergament auf dem riesigen Schreibtisch ausgebreitet und schwang ein an einem seidenen Faden befestigtes Pendel behutsam hin und her.

"Ihr müsst wissen, dass jeder einzelne Schritt durch die Zeit Spuren hinterlässt.", murmelte Wu - Chong in einem beschwörenden Unterton.

"Spuren im unerschöpflichen Sand des Gefüges, Spuren, die sich ohne jegliches Wissen nie mehr gerade rücken ließen...wählt eure Schritte mit Bedacht, sonst kommt ihr ganz schnell vom Weg ab und niemand kann euch mehr retten - so sprecht, ihr tapferen Drei: Seid ihr dieser Herausforderung gewachsen? Noch könnt ihr euch dem entziehen und die womöglich fatalen Folgen eures leichtsinnigen Handels ungeschehen machen, noch ist nichts verloren...ich bitte nun um eure Antwort!"

Jimin war sich sofort sicher und nickte, während Suga und Hoseok mit der Entscheidung rangen.

Was Hoseok betraf, kam ihm ein kleines, spontanes Abenteuer gerade recht, was natürlich viel interessanter war als Schularbeiten erledigen oder gar den Abwasch machen.

Auch er war sich nun sicher und warf sich theatralisch in Pose:

"Ich bin bereit. Lasset uns beginnen!"

Suga konnte überhaupt nicht verstehen, wieso man so viele Regeln beachten musste, nur um mal eben durch die Zeit zu springen.

Es war doch so viel interessanter, wenn man in die Zeit eingreifen und bestimmte, unschöne Dinge verändern konnte.

Die Titanic wäre nie gesunken.

Tschernobyl hätte man verhindern können.

Die ganzen schrecklichen Kriege hätten nie stattgefunden und Millionen unschuldige Menschen wären nun noch am Leben.

Der Seelenbrecher hätte Jin und Shin - La nichts anhaben und sie verschonen können.

Es gab so viele Möglichkeiten und wenn  man diese nicht nutzte, was dann?

Suga fühlte sich mehr und mehr angestachelt, ballte die Fäuste und ließ seine Fingerknöchel knacken.

Dann rief er:

"Ich bin bereit, Meister!"

Wu - Chong nickte und bedeutete den Dreien, sich im Kreis aufzustellen und die Hände zu reichen.

"Sprecht mir nach!", wisperte der Hexenmeister nach einer Weile und berührte nacheinander die Stirn der Drei, legte seine Fingerkuppen aneinander.

Durch die Zeit sollt ihr nun reisen,
unterwegs euch ja nicht entgleisen.
Ist der Weg dorthin auch beschwerlich,
so ist das Ziel keineswegs unentbehrlich.
Gebt Acht, meine Freunde, wählt mit Bedacht,
den Weg, den das Feuer in euch hat entfacht!

Amu Jo - Ki,
Amu Ko - Li,
Amu Ho - Ji.

Die mit Magie angefachten Worte hallten von den Wänden des Zimmers wider wie ein ewig währendes Echo, klangen plötzlich wie aus weiter Ferne.

Ein starker Wind frischte auf, riss an den Klamotten der Drei und trug sie im nächsten Moment sanft wie eine Feder durch den unendlichen Strom der Zeit davon.






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