Kapitel 16 - Verrat

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„Ich würde gerne sagen, dass es mir leid tut, aber das kann ich nicht." Mit traurigen Augen blickte Jack mich an. Er stand hinter mir und schnürte das hautenge, lachsfarbene, trägerlose Kleid zu, das mir bis zu den Kniekehlen reichte. Ich wusste, was er hören wollte. Ein "Ist schon ok." Oder ein "Es wird schon alles wieder gut werden. " und obwohl ich wirklich nicht wütend auf ihn war, kam kein Wort über meine Lippen. Die einzige, auf die ich wirklich sauer war, war ich selbst. Mein ganzes Leben wollte ich nur frei sein und doch hatte ich mich dieser Familie angeschlossen. Ich hätte viel früher gehen sollen. Jack war hier mit Kira glücklich gewesen und ich. .. ich hätte mein Glück in der Weite suchen sollen. Irgendwo. Nur nicht hier. „Vielleicht kommt er ja gar nicht", flüsterte ich leise. Glaubte ich doch selbst nicht daran. Klaus war nicht nur neugierig, eine Ansammlung von so vielen Vampiren konnte über kurz oder lang auch eine Gefahr für ihn darstellen. Die Gelegenheit, sich das alles anzusehen, würde er sich niemals entgehen lassen.„Fertig", murmelte Jack. Er wusste, was er hier tat, aber die Zeit, in der ich den höchsten Stellenwert bei ihm eingenommen hatte, war schon längst vorbei. Dieser Platz gehörte ganz allein Kira. Missmutig betrachtete ich mich im Spiegel. Ich sah sicherlich gut aus in diesem knappen Kleid, doch ich erkannte mich selbst nicht mehr im Spiegel. Und das machte mir angst.„Wie lange ist es wohl her?", fragte Jack mich leise, "Da ich dein Sklave war und unsere einzige Angst darin bestand, dass dein Vater dich nie wieder aus dem Internat heraus holen würde. "„Damals dachte ich, dass die Welt untergehen würde", gab ich zu. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Wie naiv ich doch gewesen war. „Sam, ich..." Ich unterbrach Jack, indem ich meine Hand hob. Genau in diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Eric trat ein. Er trug einen schwarzen Smoking und dazu ein blass grünes Hemd. Diese Aufmachung und die Tatsache, dass er grinste, ließen jedwede Hoffnung schwinden. „Dein Glück, Samantha. Klaus und seine Familie haben zugesagt. Sie werden uns heute Abend beehren. Deine Schwestern sind schon dabei, die Halle vorzubereiten." „Wie... wunderbar", zwang ich mich zu sagen. Eric lachte. „Du siehst übrigens entzückend aus." Mit diesen Worten verließ das Vampiroberhaupt den Raum. Seufzend ließ ich mich auf meine Matratze fallen. Jack kniete sich vor mich und obwohl ich nichts – wirklich nichts – von ihm erwartet hatte, trafen mich seine Worte doch härter, als ich es zulassen wollte:„Komm, ich mache dir noch deine Haare."Als auch Jack endlich aus meinem Zimmer verschwunden war, freute ich mich, noch etwas alleine zu sein. Klaus und seine Familie waren nicht mehr fern und es beunruhigte mich, den Urvampir nach unserer letzten Begegnung wiedersehen zu müssen. Seufzend schlenderte ich durch die Gänge der riesigen Villa. Alle anderen waren mit den Vorbereitungen beschäftigt, sodass ich mich hier zum ersten Mal seit langem allein und unbeobachtet fühlte. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, als ich in ein Zimmer huschte, das ich schon lange nicht mehr betreten hatte. In ihm befand sich nichts außer ein alter Flügel, der mit einer großen Plane abgedeckt worden war. Erst einmal hatte ich auf ihm gespielt, was Eric nicht gerade erfreut hatte. Er hasste Musik. Zumindest die meine. Lächelnd zog ich die Plane von dem Instrument und setzte mich daran. Sorgsam strich ich über die Tasten. Früher hatte ich oft gespielt. Lange bevor ich ins Internat musste und mein altes Leben hinter mir gelassen hatte. Noch einmal sah ich mich um, ehe ich die erste Taste nach unten drückte. Ein vertrautes Geräusch erklang. Sofort riss es mich mit sich.[link]https://www.youtube.com/watch?v=-lO-qe-eL7A[/link]Als ich fertig war, fühlte ich mich nicht gut, aber besser. Es tat immer noch gut, einfach nur zu singen. Ein Klatschen ertönte, was mich erschrocken herumfahren ließ.„Du vergisst noch immer die Welt um dich herum, wenn Musik ertönt, nicht wahr?" Ich musste lächeln, als ich Rebecca sah. Sie sah immer noch so wunderschön aus, wie ich sie in Erinnerung hatte und das weiße, figurbetonte Kleid bestätigte dies noch einmal.„Rebecca", murmelte ich, als mich die Blondine auch schon in den Arm nahm. „Du lebst, Sam." Ich musste lachen.„Ich weiß."„Aber wieso bist du dann nicht zu uns zurück gekommen? Wieso nicht zurück zu Klaus?"„Das ist eine lange Geschichte, Becca."„Wirst du sie mir erzählen?"„Irgendwann."„Ich habe Zeit."„Ich auch." Ich musste lachen. Becca hatte ich wirklich vermisst. Sie war eine sehr gute Freundin von mir geworden damals und hatte sogar einige Zeit mit Klaus und mir in unserer Villa am Meer gewohnt. „Was machst du hier?", fragte ich meine Freundin leise, als mir klar wurde, dass dann wohl auch ihre Brüder nicht weit waren. „Dieser Eric schien nicht gerade gut gelaunt, als er dich rufen ließ, du aber nicht in deinem Zimmer warst. Da nahm ich ihm mal den Weg zu dir ab." Stöhnend fuhr ich mir durch die Haare.„Ich habe ... ich war..."„In der Musik versunken?" Kol betrat das Zimmer. Er sah immer noch so gut aus wie immer und die schwarze Lederjacke unterstrich sein Macho-Image nur noch mehr. Lächelnd legte ich meinen Kopf schief.„So kennt ihr mich doch." Wir drei begannen zu lachen. Wie ich es doch vermisst hatte. Dieses Unbeschwerte. Dieses Leichte.„SAM!" Erics Stimme donnerte durch das Haus und streifte meine Haut wie Schmirgelpapier. „Ein Wort von dir und ich bring ihn um", gab Kol kalt von sich. Seufzend legte ich ihm eine Hand auf die Schulter.„Ich gebe dir Bescheid." So hakte ich mich bei ihm ein und ließ mich von ihm aus dem Zimmer führen. Dort wartete schon Jack. Er hielt mir seinen Arm entgegen. Verwundert blickte ich ihn an. Kol teilte meinen Blick.„Sieh an, der Sklave versucht, sich die Herrin zu Angeln. Meinen Respekt hast du ja, aber ich bin mir da bei meinem Bruder nicht so sicher." Zögerlich ließ ich Kols Arm los und fasste Jack an.„Sam", flüsterte Becca erschrocken. Entschuldigend sah ich sie an, als Jack mich die Treppe nach unten führte. Seine Blicke brannten auf mir. Seine Wut schien den Raum zu erfüllen und mir die Kehle ab zuschnüren. Ich traute mich nicht, ihn anzusehen, als ich den ersten Fuß auf den Hallenboden setzte. Meine „Familie" hatte große Tische aufgestellt, die zusammen ein „U" bildeten. Vor Kopf saßen Eric und rechts von ihm Klaus. Neben ihm Elijah. Links von unserem „Familienoberhaupt" stand ein leerer Stuhl, der geradezu nach mir zu schrien soll.„Schön, Samantha, dass du es noch einrichten konntest." Wortlos nickte ich, als Eric neben mich trat und seine Hand an meinen Rücken legte. Die Stelle schien zu brennen. In diesem Moment fühlte mich so unwohl wie noch nie. Jack und Eric direkt neben mir zwangen mich, meinen Kopf endlich zu heben. Direkt vor mir saß Klaus. Sein Blick schien mich zu durchbohren.„Meine verehrte Urfamilie, es ist mir eine Ehre, euch hier in meinen Hallen empfangen zu dürfen. Auch wenn der Grund nicht der ehrenwerteste ich. Ich muss mich für meine Tochter Samantha entschuldigen, die sich so benommen hat, wie sich manche Kinder eben einmal benehmen. Widerspenstig und uneinsichtig, doch nun hat sie euch etwas zu sagen." Eric schubste mich ein Stück nach vorn. Nur schwerlich konnte ich ein Knurren unterdrücken.„Es tut mir leid", murmelte ich leise.„Was war das? Ich konnte dich hier hinten so schlecht verstehen", rief Kol durch den Raum. Natürlich machte er sich einen Spaß aus meiner Demütigung.„Es tut mir leid", sagte ich lauter, ehe ich Klaus ansah, „Wirklich." Etwas in seiner Miene änderte sich, als ich ihn direkt anblickte, aber gerade, als ich noch etwas sagen wollte, schob Eric mich auch schon zur Seite. „Wo das nun endlich geklärt wäre, schiebt die Tische beiseite und lasst das Essen hinein." Eine Gänsehaut zog sich über meinen Körper, als die schwere Tür sich öffnete und junge Menschen - sowohl männlich als auch weiblich - den Saal betraten. Die Musik begann. Die Menschen schienen manipuliert zu sein, denn sie begannen sofort zu tanzen und sich zu amüsieren, während die Vampire damit begannen, sich an ihnen zu laben.„Widerlich", murmelte ich leise.„Stimmt." Jack stellte sich neben mich.„Was sollte das?", flüsterte ich, „Musste dieser Auftritt sein?" Mein bester Freund nickte.„Du weißt, warum ich das alles mache. Du hast nicht das recht, mir irgendetwas vorzuwerfen. Nicht nach dem, was ich alles für dich getan habe." Mit diesen Worten packte Jack mich und tat etwas, dass alles andere vollkommen in den Schatten stellte. Er küsste mich und während ich dabei in Klaus wütendes Gesicht sehen konnte, wusste ich, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis jemand sein Leben verlor. Wie recht ich doch damit haben sollte...

Never forget the past... (VampireDiaries - FF)Where stories live. Discover now