Six

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Seine Zelle brachte Yoongi dazu, sich zu beruhigen. Nachdem Namjoon ihm erlaubt hatte, sich ausruhen zu dürfen und seine Gedanken zu ordnen, hatte Hoseok ihn hier her begleitet. Der Beta hatte ihm ein Grinsen geschenkt, bevor er dann auch gegangen war.

Die leichte Kühle des Raumes und das weiche Bett halfen enorm dabei, richtig nachdenken zu können. Einerseits hatte er immer noch Probleme, Namjoon's Worten Glauben schenken zu können, aber andererseits machte sein Leben nun endlich einen Sinn. Plötzlich erschien ihm auch seine Zukunft nicht mehr so dunkel wie zuvor.

Es gab eine Chance, eine ehrliche Chance, hatte er gesagt. Frieden, etwas, wonach sich offensichtlich jeder gesehnt hatte, auch sein eigener Clan, nur nicht sein Vater und auch seine Mutter, die das alles anscheinend zugelassen hatte. Yoongi erkannte nun, warum auch ihre Augen immer so emotionslos auf ihn geblickt hatten. Das Bild ihres regungslosen Körpers auf dem Boden trat ihm wieder vor Augen. Nun, dass war der erste und einzige Moment, in dem sie ihm jemals irgendeine Emotion gezeigt hatte.

Yoongi wusste, dass er die Wahrheit nicht weiter verdrängen konnte. Er musste akzeptieren, dass sein altes Leben eine Lüge gewesen war und er jetzt neu anfangen musste.

Für den Rest des Tages wälzte er sich auf seiner Matratze hin und her, wartete und lauschte in die Stille, in der Hoffnung, irgendjemand würde ihm jetzt helfende Worte zuflüstern - aber es blieb still.

Sein Magen fing an zu knurren, aber er versuchte, es zu ignorieren. Er musste sich fokusieren, auf das, was jetzt vor ihm lag. Er musste Namjoon eine Antwort geben.

Seine Gedanken schweiften allerdings schnell wieder ab, zu seinem Clan, der gerade, während er hier lag, bestimmt ums überleben kämpfte. Sie brauchten eine Leitfigur.

Ihm blieb nicht länger Zeit zum grübeln, denn Hoseok stand nun wieder vor der Gittertür. Yoongi hatte ihn gar nicht kommen hören und erschrak sich fast zu Tode, als er ihn ansprach.

"Ich wollte dich zum Essen abholen. Die Sonne geht bald unter."

Yoongi raffte sich auf, rieb sich über die Augen und sah Hoseok dann etwas verwirrt an.

"Essen? Du meinst, alle?"

"Wir alle. Namjoon und ich dachten, das würde dir helfen, um alles hier besser kennen zu lernen. Natürlich zwingt dich niemand, ich kann auch jemanden herschicken-"

"Nein, schon gut.", unterbrach Yoongi ihn schnell. "Ich komme."

Hoseok grinste ihn daraufhin breit an und öffnete die Tür.

Yoongi trottete hinter ihm her, den ganzen Weg von den Zellen bis zur Halle. Das Dorf war wie leer gefegt, Yoongi vermutete, dass sie alle bereits zum Festmahl gegangen waren.

Seine Vermutung bestätigte sich, als er hinter Hoseok die Halle betrat. Sie war vollgestopft mit Menschen, die ihre Portionen vertilgten, und dabei eine Menge Lärm veranstalteten.

Die Festmähler in seinem eigenen Clan waren niemals so laut gewesen - aber es gab auch kaum nennenswerte Feste oder dergleichen, also konnte man das vermutlich gar nicht vergleichen.

Yoongi ließ seinen Blick durch die Halle fliegen. Seine Augen blieben an einem langen Tisch fast am Ende des Raumes kleben, an dem Namjoon neben Seokjin saß und sich zu amüsieren schien. Yoongi erkannte auch Taehyung und Jeongguk, die ebenfalls nebeneinander saßen und scheinbar gerade über igendetwas lachen mussten, so wie Taehyung mit der Faustauf den Tisch schlug und sich an einem Bissen von dem Teller vor ihm verschluckte.

Plötzlich wollte Yoongi zurück in seine Zelle. Er wollte die muntere Stimmung mit seiner Anwesenheit nicht vermiesen. Aber es war sowieso zu spät dafür. Er stolperte hinter Hoseok hinterher, um nicht zurückzufallen und wie ein Trottel im Raum zu stehen.

Namjoon entdeckte sie bald von seinem Platz aus und winkte ihnen zu, deutete auf die freien Plätze zu seiner rechten Seite.

Und da erkannte Yoongi ein weiteres Gesicht. Es war der Omega - Jimin, wenn er es sich richtig gemerkt hatte. Sofort schlug Yoongi's Herz zweifach schneller. Sollte er etwa neben ihm sitzen?

Es blieb keine Zeit um sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn Hoseok hatte sich bereits neben Namjoon gesetzt und sich einen Teller gegriffen. Yoongi folgte seinen Bewegungen steif, setzte sich neben ihm und bemerkte sofort, wie Jimin neben ihm festzufrieren schien.

Yoongi fühlte sich schlecht. Er hätte wirklich in seiner dämlichen Zelle bleiben sollen.

Namjoon unterbrach schließlich seine Gedanken.

"Schön, das du hergekommen bist."

Seokjin nickte ihm zu und lächelte, gab Namjoon einen Kuss auf die Wange und stand dann auf, mit den Worten, er wolle sich noch etwas von dem Braten holen.

Yoongi fühlte sich außerordentlich fehl am Platz. Mit betont langsamen Bewegungen griff er nach etwas Brot und Käse, das er sich hinunterzwang. Ihm war der Appetit vergangen.

"Hey Jiminie, gib mir doch mal das Salz hier rüber.", rief Taehyung, der ihm gegenüber saß.

Jimin schien aus seiner Starre zu erwachen. Yoongi beobachtete aus den Augenwinkeln, wie er aufstand, Taehyung das Salz reichte, ohne ein einziges Wort, und sich dann wieder setzte.

"Was meinst du, sollen wir morgen früh an den Fluss gehen, Jeonggukie hat keinen Wachdienst und wir dachten, wir kosten das aus?", redete Taehyung weiter, immernoch an Jimin gewandt.

Anstatt einer verbalen Antwort erhielt er aber nur ein Schulterzucken.

"Ach komm schon, das wird lustig! Du kannst auch Minho mitbringen, der sabbert dir schon seit Monaten hinterher."

Jimin verzog angewidert das Gesicht und deutete etwas hektisch mit seinen Händen.

Taehyung lachte daraufhin.

"Okay, okay, tut mir Leid. Ich weiß ja, du kannst ihn nicht ausstehen, ich wollte dich nur ärgern."

Jimin stieß angestrengt die angehaltene Luft aus, der Ärger schien verflogen. Wieder deutete er ein paar Zeichen und hatte nun einen fragenden Ausdruck im Gesicht.

"Keine Ahnung. Es sah seit Tagen nicht nach Schneefall aus, ich denke das wir auch morgen noch davon verschont bleiben. Kommst du nun mit?"

Yoongi erkannte einen bettelnden Unterton in Taehyung's Stimme und ein Schmunzeln auf Jeongguk's Lippen, der immer noch neben ihm saß. Sie mussten gute Freunde sein. Aber es irritierte Yoongi immernoch, warum Jimin nicht sprach, und wie zur Hölle es Taehyung möglich war, nur anhand der Zeichen Jimin zu verstehen.

Jimin fuhr sich kurz durch die Haare - Yoongi hätte sie gern auch angefasst - und seufzte, nickte dann schlussendlich.

Taehyung flog fast von seinem Stuhl, so sehr freute er sich, und musste sich an Jeongguk festhalten damit er nicht umfiel.

Während Yoongi an seinem Brot knabberte und Gespräch weiterhin lauschte, tauchte ein fast seltsames Gefühl in seiner Magengrube auf. Eines, das er lange nicht mehr gespührt hatte.

Er war zufrieden.

ICED HEARTSTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang