Prolog

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Yoongi war mit dem Stolz eines Alphas aufgewachsen. Der Clan, in dem er lebte, befand sich hoch in den Baekdu-daegan, einer Bergkette, die sich über das ganze Land erstreckte. Er hatte früh gelernt, was Kälte anrichten konnte, die langen Winter und erbarmungslosen Temperaturen forderten alljährlich ihren Tribut, und nicht selten starben nicht nur die Babys, sondern die Eltern gleich mit.

Aber der Clan war groß und stark, wie sein Vater ihm immer wieder klar machte, diese Kleinigkeiten würden also nichts ausmachen. In seinen Augen musste das Rudel allen Widrigkeiten widerstehen, selbst wenn das bedeutete, hohe Opfer zu zahlen. Ein Menschenleben war in de Bergen nicht viel Wert, es war eine Arbeitskraft, die das Gemeinwohl stützte, nicht mehr, nicht weniger. So etwas wie ein Recht besaß man hier nicht.

Nun, man muss wissen, das es Ausnahmen gab, so musste Yoongi selbst nie frieren oder an Hunger leiden, er war immerhin der Sohn des Rudelalphas, dem Oberhaupt ihres Clans und seine Mutter war nicht viel geringer gestellt. Ein Vorteil, der ihm zugute kam. Er hatte Privilegien, die es ihm ermöglichten, zu tun und zu lassen, was er wollte, abgesehen von den Lehrstunden seines Vaters, um ihn auf die Übernahme seines Vermächtnisses vorzubereiten.

Für Yoongi waren die unfairen Verhältnisse notwendig, ein Übel, das von allen in Kauf genommen werden musste. Er glaubte den Worten seiner Eltern, schließlichen waren sie es, die alles am laufen gehalten hatten, während er heranwuchs. Sie hatten die Verhältnisse geschaffen, in denen er sich schon immer sehr wohl gefühlt hatte.

Vorräte waren immer knapp, aber Yoongi's immer vollen Bauch kümmerte das wenig, besonders wenn er in die prachtvollen Felle gehüllt or dem Kamin saß und tagträumte. Nur selten befasste er ich mit den Leiden der anderen, die schuffteten, damit er es warm unter seinem Hintern hatte, schließlich benahm sich sein Vater ganz genau so.

Yoongi zweifelte nicht an den Methoden, mit denen die Ordnung im Clan bebeihalten werden sollte. Er hatte kein Mitleid mit dem Beta, der seinen Pflichten nicht nachgekommen war und deswegen in der Kälte zum sterben zurückgelassen wurde. Er empfand keine Zwiespalte in seinem Innern, als die alleinerziehende Omega-Mutter, die Essen für ihre Kinder hatte stehlen wollen, in die Kerker geworfen wurde und dort schließlich der Unterernährung erlag, ihre Kinder wenig später.

Es war das Gesetz der Natur: nur der Stärkere überlebt. Friss, oder du wirst gefressen.

Es geschah Ende Januar.

Die Temperaturen lagen konstant unter 0, die Außenwelt war komplett zugefroren, die Bäume knackten in der Kälte und kein Tier zeigte sich länger als nötig am Wasserlauf. Es war ein besonders harter Winter. Aufgrund der vielen Geburten des letzten Jahres, wären ihre Vorräte noch knapper als in den Wintern zuvor, die Jäger kehrten immer häufiger mit leeren Händen zurück.

Die Unruhe wuchs, während Yoongi sich kaum vom Kamin wegbewegte.

Stimmen wurden laut, über die unfairen Taten des Anführers, über die zahlreichen Tode und die Untätigkeit des Head-Omegas - Yoongi's Mutter, die eigentlich für die Population verantwortlich war.

Yoongi's Welt wurde innerhalb von Minuten zerstört, niedergebrannt, in den Boden gestampft. Er hörte den Schrei seiner Mutter, als die Eindringlinge die Tür ihres Hauses einschlugen.

Er hörte die aggressiven Rufe seines Vaters, der versuchte, sie zurückzudrängen.

Als Yoongi es schließlich die Treppe nach unten geschafft hatte, wurde ihm ein grausamer Anblick geboten. Seine Mutter wurde von einem großen Mann gegen die Wand gedrückt, sein Vater von zwei fremden Männern festgehalten.

Zwei weitere standen mitten im Raum. Sie gehörten nicht zu ihren Clan, trugen Felle von Tieren, die hier nicht lebten Zudem waren sie stämmiger gebaut, größer, schwerer, gefährlicher. Yoongi war verwirrt, er hatte Aufständische ihres eigenen Clans erwartet. Einer der Männer starrte Yoongi unentwegt an, bevor er zu sprechen began.

"Fall ihr unsere Forderungen annehmt und erfüllt, geschieht niemandem hier etwas!"

In Yoongi wuchs die Wut, aber er war zu feige um anzugreifen. Außerdem wäre es Selbstmord, sich einem ausgewachsenem Alpha entgegenzustellen, während er gerade erst achtzehn geworden und um einiges schmächtiger war.

Yoongi's Vater aber schien den Ernst der Lage nicht verstanden zu haben. Er riss sich mit einem Ruck von den Männern los und stürmte auf den Mann zu, der eben noch gesprochen hatte.

Dieser aber schlug ihn ohne weiteres zurück. Ein hässliches Knacken erfüllte den Raum, als sein Vater hinten überfiel und sein Genick auf der Tischkante aufkam. Der Körper fiel reglos zu Boden und eine schreckliche Kälte erfasste Yoongi's Herz, als er begriff, was soeben passiert war.

Er hörte den Schrei seiner Mutter kaum. Er stand wie eingefroren da, starrte auf den den toten Körper und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Es gelang ihm nicht.

Er bemerkte nicht, wie seine Mutter sich in einem Ausflug purer Verzweifelung ebenfalls losriss. Es dauerte nur eine Sekunde, dann war sie bei ihm. Sie fasste seine Schultern mit beiden Händen und drückte so fest, dass Yoongi ins hier und jetzt zurückkehrte.

"Es tut mir Leid!", rief sie, unter Tränen, bevor sie ein Messer aus ihrem Ärmel zog.

Bevor Yoongi oder einer der Männer verstehen konnte, was geschah, hatte seine Mutter bereits einige Schritte rückwärts gemacht.

Ein letzter Blick ihrer braunen Augen - und dann zog sie das Messer in einer schnellen Bewegung durch ihre Kehle.

Yoongi konnte nicht schreien. Er sah, wie seine Mutter sich an den Hals griff, das Messer fallen ließ, zu Boden ging und dann wenige Sekunden zuckte, bevor auch sie regungslos auf dem kalten Boden liegen blieb.

Alles um ihn herum schien plötzlich zu schwanken. Der Boden wurde zu Pudding, er fürchtete, einzusinken. Schwarze Flecke breiteten sich in seinem Sichtfeld aus, wurden größer, wuchsen unaufhaltsam, bis sie schließlich alles einnahmen.

Er spürte den Fall nur dumpf. Es fühlte sich an, als würde er auf weicher Wolle landen. Sein Kopf schmerzte, aber auch der wurde in Watte getaucht.

Er fiel - tief, sehr tief, bis schließlich das Nichts alles nahm.

Er verlor sein Bewusstsein.

ICED HEARTSTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon