18. Julia und ihr Romeo

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Peter weiß nicht, wo Steve, Tony und Bruce sind. Aber er weiß ziemlich gut, wo Thanos ist: Wenige Schritte von ihm entfernt in der Eingangshalle. Dr. Strange schwebt ihm Gegenüber und scheint mit seinen Kräften fast am Ende.

Also macht Peter das Erste, das ihm einfällt: Er schießt ein Netz auf Thanos Gesicht, schwingt durch den Raum und schnappt sich den Magier.
„Los, machen sie ein Portal! Hauptquartier!“, keucht er.
Zu seiner Überraschung zögert Strange keine Sekunde. Doch kaum dass sie in der Küche gelandet sind, macht er schon wieder kehrt.
„Bleib hier und schütze deinen Stein.“
Peter sieht den Bruchteil einer Sekunde zu dem Fleck, wo das Portal gerade wieder verschwunden ist. Dann springt er auf und läuft in den Flur und von dort direkt in das erste Zimmer auf der linken Seite. Sein Zimmer.
Und da liegt er, auf dem Bett. Diesmal nicht als Peter.

Seine Haut hat einen seltsamen Blauton angenommen, das Gesicht ist ausdruckslos, die Augen schauen stumpf an die Decke. In seiner rechten Hand hat er ein Buch mit roten, feuchten Flecken. Romeo und Julia. 
Peter vergisst wie man atmet oder steht. Wie hypnotisiert taumelt er auf das Bett zu. Der Anblick ist eindeutig zu viel für ihn doch er kann nicht weg sehen.
„L-Loki...“

Keine Reaktion.
Peter fragt sich, ob er ihn hätte retten können. Vielleicht. Wenn er nicht bei Tony und Steve geblieben wäre sondern ihn sofort gesucht hätte. Vielleicht hatte Loki damit gerechnet. Und wurde am Ende dann doch einmal so enttäuscht wie der Junge mehrfach von ihm.

'Du hast auf dich warten lassen' waren die Worte von seinem Abbild gewesen. Loki hatte auf ihn gewartet.
„Nein... Loki? Hey, Loki?!“
Das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Loki ist ein Eisriese. Ein Außerirdischer. Der schon hunderte Welten gesehen hat und noch mehr Jahre. Der doch mächtig ist und stark und klug und clever und zynisch und schön. Letzteres ist er immer noch aber auf eine Weise, die Peter wahnsinnig macht.

Neben dem Bett bleibt er stehen, beugt sich hinunter und schließt Lokis Augen. Berührt mit der Hand sein Gesicht. Eiskalt.
Dann zögert er. Würde Loki wollen, dass er ihn küsst?
Unmöglich für den Jungen zu sagen. Bis zum Ende wusste er nicht, woran er an Loki war.

War Peter nur eine Spielfigur? Teil eines größeren Plans, der am Ende irgendwie misslungen ist?
Oder hat er wirklich die Wahrheit gesagt, all diese Male? Hat er immer logische Beweggründe für seine Taten gehabt, wie mit dem Stein?
Peter wünschte, er wüsste es. Er wüsste, was er jetzt tun soll. Das einzige was er weiß, ist, dass das hier falsch ist. Völlig falsch. Und dass er Loki küssen möchte.

Also entschließt er sich, es zu tun.
Wenn der Gott ihn wirklich auch mochte, würde es ihn freuen.
Und falls nicht, sieht Peter es als Rache. Als den Wetteinsatz. Denn Loki hat verloren.

Rückblickend kann der Junge kaum noch sagen, was danach geschehen ist. Es ist als wäre er nur noch körperlich anwesend gewesen, während sein Kopf ganz woanders war. Als hätte er die ganze Zeit gedöst.

Er kann sich erinnern, dass er irgendwann aus dem Zimmer herausgetaumelt ist. Entschlossen, Thanos dafür bezahlen zu lassen. Aber am Ende hat Thor Thanos getötet, noch bevor Peter überhaupt wieder zurück war.

Tony schwebt eine Weile in Lebensgefahr und Steve verlässt in der ganzen Zeit kein einziges Mal den Platz neben dessen Bett.
Vision hat es nicht geschafft.
Allerdings ist Peter optimistisch, dass sie ihn Wakanda wieder hinbekommen werden. Wanda wartet dort.
Und für den Rest geht das Leben weiter.

Außer für ihn und Loki.
Thor schien von der Nachricht über seinen Bruder auch mitgenommen, doch im Gegensatz zu dem Jungen ist er optimistisch, dass der Tod nicht endgültig ist.
„Er kommt immer wieder“, waren seine Worte. „Loki  wird auch dieses Mal wieder kommen.“
Aber als die Tage und Wochen vergehen, wird Peter bewusst, dass der Gott diesmal falsch liegt.
Und er weiß einfach nicht, wie er damit umgehen soll.

Die Spinne und der Eisriese / ~Abgeschloseen~Where stories live. Discover now