»Guten Morgen Mel, komm doch rein«, flötete Feyre und winkte mich mit der Hand hinein. Mit dem Blick auf den freien Stuhl neben Mor - und gegenüber von Azriel - ging ich die paar Schritte hinein und setzte mich.

Ich blickte stumm durch die Runde - Mor hatte sich wieder ihrem Essen gewidmet, Feyre und Rhysand hatten ein Gespräch angefangen, und Azriel... Nunja, er sah mich wie erwartet an. Ich erlaubte es mir, kurz in sein Gesicht zu schauen und zu lächeln. Erleichtert blinzelte ich, als mein Lächeln erwidert wurde. Zumindest war es nicht ganz so komisch zwischen uns, wie ich gedacht hatte.

Stumm reichte er mir einen Korb mit Gebäck, den ich stumm dankend annahm. Ich legte mir etwas auf den Teller, ehe ich zu Mor schaute und sie fragte, ob sie noch mehr wolle. Sie grinste nur schief und griff in den Korb. Ich gab ihn Azriel zurück, der ihn wieder an seinen Platz stellte.

»Möchtest du Tee?« Ich blickte zu Feyre auf, die mir eine Tasse hinhielt. Meine Antwort erübrigte sich also.

»Danke«, sagte ich lächelnd und nahm ihr die blumige Porzellantasse ab. Es roch nach Pfefferminz und Limette. Derselbe Tee, den es auch am Tag unseres Brunchs gab. An dem Tag, wo ich Azriel das erste Mal begegnet war. Mein Blick huschte kaum merklich zu ihm. Er schaute gerade auf sein Gebäck, als er beim plötzlichen Aufsehen, meinem Blick begegnete. Ein Funkeln trat in seine Augen und seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss, sodass ich ruckartig den Blick zurück auf meinen Teller richtete. Schon wieder ein Ziehen in meiner Brust, ein Holpern meines Herzens. Nein, ich musste wirklich wieder nach Hause.

»Wo sind denn Nesta und Elain?«, fragte ich und hob den Kopf, um Feyre in die Augen zu blicken. Rhysand lachte neben ihr in sich hinein und Mor verschluckte sich an ihrem Kaffee. Selbst Azriels Grinsen wurde breiter.

»Habe ich was verpasst?«, fragte ich verwirrt, aber amüsiert. Feyre biss sich auf die Lippe und schüttelte langsam den Kopf. Ich hatte das Gefühl, dass sie alle vor Belustigung platzen würden, wenn ich weitere Fragen stellte. Deswegen sah ich meine Freundin nur mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Elain ist im Garten«, sagte Feyre nur mit gepresster Stimme und schlug die Lider nieder. Ein lahmer Versuch, ihr Lachen zurückzuhalten.

»Und Nesta?« fragte ich vorsichtig, konnte mir angesichts der belustigten Grimassen das Lächeln nicht verkneifen.

Mor war diejenige, die mir antwortete. »Cassian und Nesta sind für eine Weile nicht erreichbar.« Ich sah sie verwirrt an. Ich hatte eine Ahnung, worum es gehen könnte, doch es war unmöglich, dass die anderen davon wussten. Mor wandte sich an Feyre: »Was denkst du, wie lange deine Schwester der illyrianischen Ausdauer standhalten kann?«

Das war wohl der letzte Tropfen, denn auf der Stelle verfielen alle in lautes Gelächter. Selbst ich konnte mich nur schwer zurückhalten. Feyre wischte sich Tränen aus dem Augenwinkel weg, während Mor sich den Bauch hielt.

»Dann hat sie es ihm also endlich gesagt«, sagte ich kichernd und zuckte mit den Schultern, während ich nach einem Gebäckstück auf meinem Teller griff.

Alle Köpfe schossen in meine Richtung, ohne jedoch das Grinsen zu verlieren. »Du wusstest davon?«, fragte Feyre unter Gekicher.

Ich legte die Teigtasche ungerührt zurück auf den Teller und nickte lächelnd. »Im Grunde haben Nesta und ich es gemeinsam rausgefunden.«

Rhysand zog die Augenbrauen in die Höhe. »Wie das?«

Ich hob meine Hand, hielt sie knapp über die Mitte des Tisches und ließ meine Magie an die Spitzen meiner Fingerkuppen treten. Auf der Stelle ging Licht davon aus. »Ich weiß nicht, wie ich es gemacht habe, aber es war, wie als hätte sich das Band ihrer Seelenverbindung offenbart, als ich nach Nestas Hand gegriffen habe.« Ich schielte zu Azriel, der einen undurchdringlichen Blick aufgesetzt hatte. Auf der Stelle senkte ich meine Hand und schluckte, bevor ich mich wieder an meinen High Lord wandte. »Ihr ging es an dem Tag nicht gut. Und plötzlich war da diese Einsicht.«

Der Ruf des SchattensängersWhere stories live. Discover now