Die Mutti

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„Mir geht es wirklich gut, Mama." Warum wollte sie jetzt noch einmal anrufen? „Bist du allein? Wo bist du im Moment untergekommen?" Nicole denkt kurz nach, ehe sie entgeistert das Gesicht verzieht. „Bei... Arbeitskollegen." Stille in der Leitung. „Nicole? Warum die Pause?" Ihre Mutter kennt sie. Aber sagen kann sie einfach nichts! „Weil es nicht direkte Arbeitskollegen sind, sondern eher Leute von einem befreundeten Unternehmen und ich nicht wusste, ob ich die als Arbeitskollegen direkt deklarieren kann." Immer noch scheint ihre Mutter so ein wenig misstrauisch. „Erzählst du mir die ganze Wahrheit?" Nein, die halbe! Wenn man so darüber nachdenkt, nicht einmal die halbe. Um der direkten Frage auszuweichen und trotzdem irgendwie glaubhaft zu klingen, seufzt Nicole. „Sie sind wirklich von einem befreundeten Unternehmen und ich konnte bei einem von ihnen unterkommen. Es ist hier wirklich nett, willst du Bilder? Ich hab sogar ein riesiges Zimmer! Zum Schluss frage ich vielleicht, ob ich hier bleiben kann." Nun scheint die Skepsis endlich besiegt worden zu sein. „Also gut. Aber sonst ist wirklich alles in Ordnung?" Die braunhaarige lächelt und lehnt sich mit dem Rücken an die nächste Wand. „Mir geht's hier super, Mama. Ein bisschen viel Papierkram ist noch zu erledigen und ein paar Entscheidungen zu treffen, aber ansonsten läufts." Alucard sieht schlussendlich nach ihr, da ihm das dann doch ein wenig lange gedauert hat. „Moment, Mama." Sie lässt das Handy sinken und sieht zu dem Vampir. „Brauchst du was?" Sein Blick zu seinem Handy. „Wer?" Nici schmunzelt. „Meine Mutter. Willst du auch noch Hallo sagen?" „Nici? Was ist los? Halte ich dich auf?" Doch anstatt die Stimme ihrer Tochter zu hören, ertönt nun eine dunkle und tiefe Stimme. Sie klingt schon älter und scheint nur Englisch zu sprechen. „Ihre Tochter sollte mal ein bisschen benehmen lernen. Ziemlich frech!" Für einen Moment ist sie sprachlos und muss erst einmal die wenigen Englischkenntnisse hervorkramen, die sie noch hat. „Hat sie etwas angestellt? Mit wem spreche ich?" Nicole legt sich nur eine Hand auf das Gesicht und schüttelt leicht den Kopf. Jetzt weiß sie, wie zumindest, wie sich der Pater gestern gefühlt haben muss. „Mein Name ist Alucard, ich bin für sie zuständig und kümmere mich um sie. Angestellt hat sie viel! Leider aber nur zu unseren Gunsten." Das erleichterte Lachen von ihrer Mutter kann sie sogar bis zu sich hören. „Dann ist es ja gut! Benimmt sie sich sonst gut? Kann sie ihren Mund halten was die dummen Kommentare angeht?" Alucard grinst breit, dreht sich um und geht zurück in das Speisezimmer. Nicole folgt ihm skeptisch dreinblickend. „Wollen Sie das wirklich mit den dummen Kommentaren wissen?" Ein geseufztes: „Nein...", entkommt der Mutter und Alucard setzt sich wieder auf den Stuhl, stellt das Handy auf laut. „Die Mutter von unserem Kiddo. Sehr nette Dame und sie kann ihre Tochter wunderbar einschätzen. Sie sind jetzt auf Lautsprecher, Ma'am." Anderson sieht auf das Handy und dann zu Nici, die aber nur ihre Arme verschränkt hat. „Es tut mir echt leid wegen gestern. Ist ein scheiß Gefühl." Wenigstens sieht sie es ein. „Miss Foychtner? Mein Name ist Pater Alexander Anderson. Zumindest in meiner Anwesenheit verhält sich Ihre Tochter ausgezeichnet." Dankbar grinst die braunhaarige und er nickt ihr zu. „Na wenigstens etwas." Von dem leicht gebrochenem Englisch schwenkt sie wieder auf Deutsch um. „Nici-Schatz? Halt doch wenigstens einmal die Klappe, hast du verstanden? Ich hab dir oft genug gesagt, dass du dir niemals jemanden holen wirst, wenn du weiterhin das Maul so weit aufreißt!"

Zum ersten Mal sehen die beiden Männer sie so ein wenig sprachlos. Sie hebt die Hand, senkt sie aber wieder. Setzt zum Sprechen an, bleibt aber still. Was auch immer da gesagt wurde, scheint sie so ein wenig schockiert zu haben. „Du kannst froh sein, dass die beiden kein Deutsch verstehen.", brummt die braunhaarige und schüttelt nur leicht den Kopf. „Wenn ich wüsste was es auf Englisch heißen würde, würde ich es auch so sagen! Sie sollen wissen, mit welchem Großmaul sie es zu tun haben!" „MAMA!" Das letzte verstehen sogar Alexander und Alucard und sehen sich neugierig an. „Willst du uns das nicht übersetzen?", fragt der Urvampir und schmunzelt. „Nein." Die Antwort kommt schnell und ist ohne jegliche Emotion. „Ich könnte mir die Übersetzung auch aus deinem Kopf holen." Nicole starrt ihn warnend an, ehe sie zu ihm geht und sich hinter den sitzenden schwarzhaarigen stellt. Ein wenig beugt sie sich nach vorn, sodass ihr Mund an seinem Ohr ist. „Solltest du das wirklich machen, dann wird das von heute Früh nicht so professionell gehandhabt, wie es im Moment läuft. Ich weiß nicht was das genau war, ob mit Gefühlen oder ohne. Aber sollte es mit gewesen sein dann solltest du daran denken, dass ich auf deinem Herz herumspringen kann wie ein Trampolin. Ich bin körperlich nicht in der besten Verfassung, kann aber mit der Psyche um einiges mehr anstellen. Ich hoffe du bist dir bewusst, dass ich nicht das kleine Kätzchen bin für welches du mich vielleicht hältst. Ich hab dich gern, Alucard. Wirklich. Aber verscherz es dir nicht." Die Worte sind gehaucht, sodass Anderson nichts davon mitbekommt. „Hallo? Bist du noch da, Nicole?" Kurz drückt sie ihre Nase gegen seinen Kopf und richtet sich lächelnd wieder auf. „Klaro! Gibt's noch etwas?" Alucard sieht währenddessen zu der braunhaarigen, die so nah und doch so fern zu sein scheint. Mit seinen Gefühlen spielen, würde sie das wirklich? Er hätte sie nicht so eingeschätzt. Vielleicht als letzte Möglichkeit, aber- Wow. Mit Nicole ist wohl wirklich nicht zu spaßen. Aber zumindest steht für ihn fest, dass sie sich seiner Gefühle nicht bewusst ist. Macht die Sache im Augenblick ein wenig einfacher. Diese Menschenfrau hat ihn eiskalt in der Hand und er macht einfach so mit. Was für einen Bann die Kleine doch hat. Sie droht ihm mit etwas Empfindlichem und vor allem Zerbrechlichem herum zu spielen und doch scheißt sie auf die Konsequenzen. Warum ist sie nur ein Mensch mit so einer kurzen Lebensdauer? Warum hat er sie nicht früher kennen gelernt? Sie scheint sich zu verabschieden und ihre Mutter ruft ihnen ein englisches: „Tschüss!" zu, ehe sie auflegt. Seufzend lässt sie den Kopf hängen und schiebt das Handy zu dem Vampir. „Sorry. Meine Mutter ist- Sagen wir, dass sie ziemlich speziell ist." Anderson hingegen sieht von dem Handy zu Nicole und lächelt. „Sie ist wirklich eine nette Frau und ihr scheint es gut zu gehen! Das ist die Hauptsache. Eltern können durchaus anstrengend sein, aber das wirst du verstehen wenn du selbst Kinder hast." Entgeistert blickt Nici erst an sich runter und dann zu dem Pater. „Das Ding wäre halb ich und halb wer auch immer mit mir gevögelt hat. Nein, das tun wir der Welt nicht an. Außerdem... hab ich so meine Probleme mit Kindern. Sie sind süß! So lange sie von mir weg bleiben." So schlimm kann ihre Abneigung doch nicht sein. Anderson legt den Kopf leicht schief und zieht eine Augenbraue hoch. „Solltest du mich besuchen kommen, dann wird das aber ein Problem. Denn ich lebe in einem Waisenhaus, Nicole." Stille. Sie muss tatsächlich nachdenken, bevor sie seufzt. „Temporär sollte es auch gehen." Ein amüsiertes Schnauben von Alucard ist zu hören. „Vielleicht gewöhnst du dich sogar so daran, dass du selbst eins willst?" Die braunen Augen starren ihn eine Weile an, bevor sie das Lachen beginnt. Ist die jetzt komplett durchgedreht? Mit einem Mal wird sie still. „Ach du meintest das ernst?"

Zwar ist das für beide Männer so ein kleines Minuspünktchen, aber was nicht ist kann ja noch werden. „Wie auch immer. Ich setz mich dann wieder mal an meinen Schreibtisch und versinke darin. Wenn jemand nach Hilfe oder Erlösung ruft, dann bringt mich einfach um." Anderson hat den Gedanken dazu und Alucard spricht ihn aus. „Also bei Erlösung könnte man sicherlich anders helfen." Sie ist die sexuellen Anspielungen von ihm schon so gewohnt, dass sie nicht einmal mehr das Gesicht verzieht oder es als besonders ansieht. Es ist Teil der normalen Konversation geworden. „Das wäre ne Entspannung über die man nachdenken könnte, aber im Moment kann ich das nicht weil mein Hirn in Papier versinkt. Sayonara." Sie geht aus dem Zimmer und hinterlässt die beiden Männer in einer angespannten Stille. „Du kannst es nicht lassen, oder?", zischt der Pater als er hofft, dass sie weit genug weg ist. „Was meint Ihr?" Alucard nimmt sich ihre Tasse und trinkt den lauwarmen Kaffee, den sie hinterlassen hat. Sie muss vielleicht echt mit dem Kaffee zurückschrauben. Nicole ist ein Mensch und das kann vielleicht irgendwann Probleme geben. „Die ganzen Anspielungen, das zu sich ziehen. Was willst du mit ihr? Du bist ein Vampir! Sie ist für dich nicht mehr als nur Futter für zwischendurch!" Der schwarzhaarige lässt die Tasse in aller Ruhe sinken und stellt sie auf den Tisch. Sieht dem Pater ernst in die Augen. „Wir wissen beide, dass der andere sie genau so gern vernaschen will wie man selbst. Ich sehe es Euch an und offensichtlicher könnt Ihr es nicht machen. Aber im Gegensatz zu Euch bin ich in der Offensive. Sie sieht mir nicht nach einer Person aus, die auf einen zukommt." Alexanders Griff um seine eigene Tasse wird fester, bevor er sich wieder entspannt. „Außerdem seid Ihr ein Mann Gottes. Wie war das mit der Abstinenz?" Der angesprochene Pater sieht auf die Seite und presst die Kiefer aufeinander. Scheiße, wenn er recht hat. Er hat Iskariot, der Kirche und somit dem Herrn persönlich einen Eid geschworen, den er nicht einfach brechen kann! Zum ersten Mal bereut er es, dies getan zu haben. Wobei das Zölibat schon lange in der Kirche umstritten ist und vielleicht könnte er sich persönlich darum kümmern, dass zumindest dieses Gesetz ein wenig gelockert, wenn nicht sogar aufgehoben wird. „Wir werden sehen, was sich alles diskutieren lässt. Die neue Generation wird sich sicherlich damit einverstanden sehen wenn ein paar Ding gelockert werden und es muss vielleicht einmal ein wenig frische Luft reingebracht werden." Alucard schnaubt und steht auf. „Solange die Luft nicht mit Ananas voll ist, dürfte es ja noch passen." Ihre Tasse trinkt er noch aus und stellt sie sogar selbst in die Spülmaschine. „Besser als nach Tod und Verderben zu riechen." Langsam richtet sich der schwarzhaarige wieder auf und denkt kurz nach, ehe er sein Handy rausholt und sich noch etwas auf Amazon bestellt. „Lieferzeit ist wenigstens kürzer.", brummt er zufrieden und steckt das Handy wieder weg. „Was hast du bitte bestellt?" Anderson, der sich jetzt nicht wirklich vorstellen kann für was er denn jetzt bitte wieder das Geld der Organisation ausgibt, runzelt die Stirn. „Badesalz." Er hat aber nicht- Seufzend schüttelt der Geistliche den Kopf. „Wald oder Kokos?" Amüsiert erwidert Alucard den Blick, während er breit grinst. „Waldbad." Die Namen für solche Produkte werden aber auch immer bescheuerter, oder? „Gibt's da noch so etwas wie Feenzauber oder so?" Das wäre doch was für den Pater, nicht wahr? Nur zum Spaß sucht Alucard noch einmal auf Amazon danach, findet aber nichts dazu. Also sieht er nach, was es für Kinder gibt und schmunzelt. „Ich kann Euch Prinzessin Lillifee besorgen." Da verzichtet der Pater lieber auf alles und bleibt bei der Ananas. Den Bottich muss er aber immer noch zurückgeben, fällt ihm aber gerade ein! Der blondhaarige Mann steht auf, räumt sein Zeug weg und will aus dem Zimmer, als Alucard ihn noch einmal anstarrt. „Habe ich Euer Wort, dass das zwischen uns bleibt?" Anderson mustert ihn kurz, ehe er nickt. „Wir können es erst einmal zwischen uns belassen, durchaus." So etwas wie das Gespräch am Tisch muss jetzt nicht wirklich an die breite Öffentlichkeit und vor allem Nicole sollte jetzt nichts mitbekommen. Die ist mit ihrem Kopf bei ihren Ordnern und Akten und hätte wahrscheinlich so oder so keine Zeit für so etwas. „Um die Jugend von heute zitieren zu dürfen, Ihr seid ein Ehrenmann." Anderson zieht eine Augenbraue hoch, bevor er ohne ein weiteres Wort zu sagen an ihm vorbei nach draußen geht. Was hat dieser Vampir bitte mit der Jugendsprache zu tun? Er sollte es lassen. Sich etwas aufzuzwingen was man nicht ist, das bringt überhaupt nichts und Alucard ist sicherlich keiner von der heutigen Jugend mehr! Das war er vielleicht einmal vor... was weiß er wie viel hundert Jahren. Über 500 waren es sicherlich, er hat sich die Zahl nicht gemerkt die er ihm damals gesagt hatte. Hat ihn aber auch nicht ganz zu interessieren, Alucard ist und bleibt alt. Steinalt. Steinzeitalt. Dinoalt! 

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