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Mit den Fingerspitzen streiche ich über den goldenen Stern, der zwischen den Tannenzweigen gebettet auf dem Tisch liegt.

Mittlerweile sind alle Scherben beseitigt. Einen Großteil der Dekorationen habe ich in Boxen verpackt und in meine Wohnung getragen, wo sie nun die Hälfte meines Schlafzimmers einnehmen.

Der vordere Teil des Cafés wirkt ordentlich aber durch die fehlende Dekoration wenig einladend. Seit einer guten Stunde lungere ich auf der Couch herum und habe bis jetzt nicht viel zustande gebracht, außer mich um die Heizung zu kümmern und den ein oder anderen Kunden an die Konkurrenz in der Nachbarstadt zu verweisen.

Am Morgen habe ich aber tatsächlich, im Beisein von meinen Freunden, den Mut aufgebracht, meine Prinzipien beiseite geworfen und Rafael angerufen. Nachdem ich die Nacht mehrmals aufgeschreckt war, in der Annahme, mein Café zu verlieren und mich nach einem neuen Job umsehen zu müssen, habe ich das Ganze noch einmal mit Nolan und Brie durchgesprochen. Es geht hierbei nur um ein Gespräch. Das hat mir Brie mehrmals klargemacht. Ich muss nichts unterschreiben, das mir zuwider ist. Aber ich will ihm zuhören. Es bleibt keine andere Wahl.

Während ich dem monotonen Piepen in der Leitung gelauscht hatte, war ich mir dennoch nicht sicher gewesen, ob ich hoffte, er würde abheben und sich mit mir treffen, oder ob ich mir wünschte, er würde mich ignorieren und mich zu einer anderen Möglichkeit drängen. Die Sache mit ihm war mir nicht Geheuer und war nicht besser geworden, als er sich verschlafen gemeldet hatte. Dabei schien er ziemlich überrascht über meinen Anruf und es hat unendlich lange Sekunden gedauert, bis er sich erinnert und einem Treffen zugestimmt hat.

Seitdem habe ich wenig Hoffnung und muss gegen die Enttäuschung ankämpfen, die sich trotz meiner Prinzipien in meinem Körper eingenistet hat. Meine Gefühle sind dabei, mich seit Tagen nur selbst zu verwirren. Mein Kopf scheint nicht zu wissen, was er will und mein Körper ist erschöpft davon, sich hin und her entscheiden zu müssen.

Ein leises Glöckchen kündigt einen Besucher an und ich will gerade die Platte abspielen, die alle Kunden seit dem Feuer zu hören bekommen, als ich Rafael erkenne.

Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss, gleichzeitig schüttelt er seine Kapuze aus und lässt diese danach langsam sinken. Seine Haarspitzen sind feucht und stehen ihm wirr vom Kopf ab, was mich an unser erstes Aufeinandertreffen erinnert. Anders als bei diesem jedoch wirkt er ausgeschlafen und frisch. Sein 3-Tage-Bart ist nur noch ein leichter Schatten und die Ringe unter seinen Augen sind verschwunden. Er wirkt aufmerksam und vorsichtig, bis er mich auf der Couch lungern sieht. Sein Blick wird ein wenig weicher und mein Herz macht einen Satz nach oben, erstarrt jedoch augenblicklich, als sich ein selbstgefälliges Grinsen auf seinen Lippen breit macht.

„Ich muss zugeben, dass ich nicht davon ausgegangen bin, dass du auf mein Angebot zurückkommst.“ Er streift sich den Mantel von den Schultern und zum Vorschein kommt ein athletischer Körper, der in ein weit ausgeschnittenes schwarzes Shirt gehüllt ist. Eine Gänsehaut legt sich auf meine Arme.

Die Jeanshose sitzt tief auf seiner Hüfte und an der Stelle, an der sich das Shirt ein wenig nach oben geschoben hat, kann ich einen Blick auf gebräunte Haut werfen. Ein schwarzer Schriftzug stört die ebene Optik. Ich verenge die Augen ein wenig.

„Ich auch nicht.“

Rafael lässt sich gegenüber von mir in einem Sessel nieder, wirft den Mantel über die Lehne eines anderen und stützt die Unterarme auf den Oberschenkeln ab.

Zimtherzen ₂₀₂₁ | ✓Where stories live. Discover now