s i e b e n

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Ich starre auf das blinkende Display in meinen Händen und nage mit den Zähnen an meiner Unterlippe. Lautes Klingeln erfüllt den Raum und sorgt dafür, dass Brie mir einen genervten Blick zuwirft. Da ich das Handy während der Arbeit meist irgendwo liegenlasse, mich aber auch geschäftliche Anrufe auf diesem erreichen, habe ich einen extra lauten, und extra nervigen Klingelton gewählt.

„Corinn, bitte geh' ran. Ich halte es nicht mehr aus.“ Brianna stellt eine dampfende Tasse auf den kleinen Wohnzimmertisch und lässt sich dann mit ihrer eigenen auf der Couch nieder. Sie zieht die Beine auf die Couch und wendet sich mir mit dem Oberkörper zu. Ihre freie Hand schlingt sie um ihre Beine.

Mit dem Kopf deutet sie erneut auf mein Handy, das sich nicht beruhigen möchte. Meine Eltern sind wirklich hartnäckig und das sind sie nur, wenn es dringlich ist.

Dringlich ist in ihrem Wortgebrauch allerdings ein weit dehnbarer und sehr undefinierter Begriff. In diesem Fall scheint die Lage aber klar zu sein. Vielleicht ziere ich mich deswegen mehr als sonst, den Anruf entgegenzunehmen.

Ich seufze, drücke auf Annehmen und lehne mich zurück. Den ganzen Tag haben Brie und ich damit verbracht, die Scherben zu beseitigen und zu retten, was zu retten ist. Mehrmals haben wir dabei Kunden vertrösten müssen, die sich eigentlich auf einen Kaffee oder ein Stück Kuchen gefreut hatten. Ich habe irgendwann aufgehört mitzuzählen, wie oft ich mich dafür entschuldigt habe, dass sie ihre Ware heute nicht bei mir kaufen konnten und wie oft ich mitleidige Blicke geerntet habe. Jeder unserer Besucher war durchweg verständnisvoll. Manche haben uns sogar ihre Hilfe zugesagt. Sie alle waren unglaublich lieb, aber das hat die Sache für mich nicht vereinfacht.

„Hallo?“, nuschle ich ins Telefon. Ich höre leises Knacken am anderen Ende der Leitung und schließlich die Stimme meiner Mutter, die meinen Vater auffordert, ebenfalls an den Hörer zu kommen.

„Corie, Liebling. Uns haben heute Mittag ganz schlimme Nachrichten ereilt. Stimmt es, dass Feuer in deinem Café alles verwüstet hat? Eine Bekannte hat mich angerufen und es mir erzählt. Sie redet immer sehr viel und meistens auch über Dinge, die nicht wahr sind. Aber dann habe ich in den Nachrichten gehört, dass es wirklich gebrannt hat. Das ist ja furchtbar.“ Der Schwall an Worten überfordert mich und aufgrund der schrillen Stimme meiner Mutter halte ich das Handy zu meinem Ohr ein wenig auf Abstand. Als ich das erste Mal in Bries Gegenwart mit meiner Mutter telefoniert hatte, hatte meine Freundin mich gebeten, den Lautsprecher auszumachen. Nur dass ich diesen gar nicht benutzt hatte.

Besonders schlimm ist ihre Stimme, wenn sie sich aufregt oder Sorgen macht, wie in diesem Fall. Oder wenn sie mir ihre Meinung aufdrücken möchte. Alles sehr passende Szenarien für diesen Moment, wenn man mich fragt.

Nachdenklich ziehe ich die Beine auf das weiche Polster und zupfe mit den Fingern kleine Fussel von meiner schwarzen Leggins. Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Meine Mutter ist ausgezeichnet darin, Fragen zu stellen und sich diese im gleichen Atemzug selbst zu beantworten. Ich komme mir idiotisch dabei vor, das Gesagte zu Bejahen. Also warte ich ab, bis sich ihre Atmung ein wenig beruhigt hat.

„Schatz, warum hast du uns nicht früher angerufen? Es ist bald halb sieben und es soll heute Nacht gebrannt haben. Statt dass du uns einen Überblick gibst, müssen wir dich anrufen. Und das gleich mehrmals.“ Ich kann förmlich hören, wie meine Mutter den Kopf schüttelt.

„Ich war den ganzen Tag damit beschäftigt, gemeinsam mit Brie das Chaos zu beseitigen. Mir fehlte die Zeit, um euch darüber in Kenntnis zu setzen und letztendlich auch die Kraft“, gestehe ich leise. Ich spüre, wie Bries Hand sich auf meine Schulter legt und diese sanft drückt. Ich schenke ihr ein vorsichtiges Lächeln.

Zimtherzen ₂₀₂₁ | ✓Where stories live. Discover now