KAPITEL 06 | STACEY

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Mehr als fünf Monate. So lange ist es her, seit ich mit Kyler in einem Auto saß und wir uns dabei nicht wie kleine Kinder gestritten haben.

Ich hätte ihn vermutlich nicht zu mir einladen sollen, aber ... aber ich vermisse ihn. Er fehlt mir als Freund, der mich zum Lachen bringt und meine Französischkenntnisse verbessert, auch wenn Letzteres nicht so gut klappt, wie ich es eigentlich will. Obwohl ich lieber nach Warren sehen möchte, tue ich es nicht, weil es offensichtlich ist, dass ich die Letzte wäre, mit der er über seine Probleme reden würde. Irgendetwas sagt mir, dass er spätestens an Porters Überraschungsparty auftauen wird ― bei dem Gedanken, dass er betrunken wieder Schluckauf bekommt und seine Finger zählt, muss ich irgendwie lächeln.

Die Fahrt zu mir nach Hause verläuft größtenteils schweigend. Französische Musik dröhnt durch das Radio, zu der Kyler fröhlich singt und ich peinlich mit den Händen herumfuchtele. Tatsächlich brennt kein Licht im Haus, als wir ankommen, woraufhin ich erleichtert ausatme. Kyler und ich werden wohl heute Abend allein sein.

»Was hältst du davon, wenn du mir etwas von deinen Kochkünsten zeigst?«, frage ich, als er seine Jacke auszieht und ich währenddessen das Licht im Flur anmache.

Kys Mundwinkel heben sich vergnügt. »Auf was hast du denn Lust, Minette?«

Nachdenklich puste ich mir eine schwarze Haarsträhne aus der Stirn. »J'aime la baguette, le croissant ... ähm ... les Nudeln?«

Kyler folgt mir leise lachend in die Küche. »Französisch auf höchstem Niveau.«

Ich zähle weiterhin wahllose französische Wörter auf, während ich mich an die Kochinsel setze und Kylers geschickten Händen beim Kochen zusehe. Er lacht hin und wieder über meine Aussprache, verbessert mich dann aber erstaunlich geduldig und grinst stolz, als ich wie eine waschechte Muttersprachlerin klinge. Natürlich sagt er das nicht, aber ich gehe jetzt einfach mal davon aus.

Es ist fast wie früher. Mit Kyler zu lachen ist leicht, wenn ich ihn nicht gerade so sehr will, dass ich meine Hände in meine Hosentaschen stecken muss, damit sie nicht ihren Weg zu ihm finden. Trotz dessen glaube ich manchmal wirklich, dass er und ich es schaffen könnten befreundet zu sein, auch wenn Maya und viele andere mich dafür auslachen würden. Immerhin haben sie und Porter es auch geschafft, nicht wahr?

Apropos Porter.

Ich halte inne und frage: »Vermisst du ihn eigentlich sehr?«

Kyler weiß sofort, wen ich meine, und nickt langsam. »Leider schon.«

»Leider?«, hake ich nach. Dann verstehe ich aber, was er meint. Immerhin ist Porter nicht nur für die Kuss-Deadline, sondern auch für die Sex-Deadline zuständig gewesen und treibt all seine Freunde mit solchen Spielchen ziemlich in den Wahnsinn. Ich würde ihn ja gerne hassen, ihn anrufen und am Telefon anschreien, aber irgendwie schaffe ich es nicht mehr so wütend auf ihn zu sein wie heute Morgen.

Porter ist eben ... Porter. Insgeheim akzeptieren wir ihn alle so, wie er ist.

Ky seufzt. »Habe ich dir jemals erzählt, wie er und ich uns kennengelernt haben?«

Ich schüttle den Kopf und hebe neugierig den Blick.

»Es war am Anfang des école primaire oder wie ihr Amerikaner es nennt: Elementary School. Wie du weißt, haben Daniel und ich bis zur ersten Klasse noch in Montréal gewohnt und Auden hat sich mit Porter bereits im Kindergarten angefreundet. Wir alle sind in eine Klasse gekommen und Daniel hat sich sofort neben Auden gesetzt, weil er der Einzige war, den er kannte. Weichei.«

Grinsend lehne ich mich in meinem Stuhl zurück.

»Porter war die Ruhe in Person an diesem Tag«, redet Kyler weiter. »Manchmal glaube ich echt, er wurde mit diesem Selbstbewusstsein geboren, Stace. Ich bin jedenfalls mit hängenden Schultern und zitternden Händen zu ihm gegangen, habe mich neben ihn gesetzt und mich nicht einmal getraut Hallo zu sagen.«

Die Sex-DeadlineWhere stories live. Discover now