KAPITEL 02 | WARREN

980 106 272
                                    

Eine halbe Flasche Wein, zwei Shots und einen Tequila ― das alles habe ich gestern Nacht getrunken, um Gefühle zu unterdrücken und mich selbst in Mitleid im Sinne von Alkohol zu baden.

Damit ist es auch nicht verwunderlich, dass ich es immer noch nicht schaffe aufzustehen. Meine Wange ist gegen den harten Boden gedrückt und neben mir steht ein umgekipptes, leeres Glas Wein, das im nächsten Moment von jemandem zur Seite gekickt wird. Es ist zu hell im ehemaligen Haus der Sinclairs, als dass ich irgendetwas sehen kann, aber dafür fühle ich das eiskalte Wasser, das jemand über mein Gesicht schwappt, nur allzu gut auf meiner Haut.

»Wer auch immer das gerade war«, fest kneife ich meine Augen zusammen, während die Tropfen mir über die Wangen laufen, »ich schwöre, ich bringe dich um. Vielleicht nicht jetzt, weil ich kaum meine Beine spüre und mir kotzübel ist, aber morgen bist du tot. Stell dich schon mal darauf ein.«

Daniels grinsendes Gesicht taucht plötzlich vor meinen Augen auf. »Und ich dachte, du hasst meinen Bruder viel mehr als mich. Ich versuche dich seit zehn Minuten zu wecken, Warren, deshalb musste ich zu drastischeren Mitteln greifen.«

Langsam setze ich mich auf und stelle fest, dass ich den Teppich im Gästezimmer vollgekotzt habe. Daniel sagt nichts dazu, sondern hat bereits einen Eimer Wasser sowie einen Schwamm neben mich gestellt, damit ich wenigstens versuche die Flecken herauszubekommen. Kylers Zwillingsbruder ist ihm vielleicht wie aus dem Gesicht geschnitten, aber Daniel verurteilt mich nicht für mein Alkoholproblem. Natürlich heißt er es nicht gut, aber er macht mir auch keine Vorwürfe, weil er der Einzige ist, der weiß, warum es in letzter Zeit immer schlimmer wird.

»Wo ist mein Handy?« Panisch suche ich den Boden danach ab. Ruby könnte mir längst geschrieben haben, dass Nova Hilfe braucht und ―

»Ich habe darauf aufgepasst«, versichert mir Daniel und legt es behutsam auf den Boden. »Niemand hat dir geschrieben, außer deine Mom, die gefragt hat, ob du Lust auf eine Pediküre hättest.«

Ich rümpfe die Nase und greife nach Lappen und Eimer. Als mir beim Aufwischen schon wieder schlecht wird, ruft Daniel zur Tür: »Abby, wir brauchen einen leeren Eimer. JETZT!«

Abraham Lewis ist sofort zur Stelle und hält mir den Eimer in dem Moment unter die Nase, in dem ich den restlichen Alkohol in meinem Magen auskotze. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn und meine Kehle kratzt, nachdem ich mich übergeben habe, aber niemand von ihnen sagt etwas. Wortlos gibt mir Abraham ein Handtuch, was so viel heißt wie: Dusch dich bitte, du stinkst.

Ich atme beim Verlassen des Gästezimmers schwer und bekomme nur noch mit, wie Daniel besorgt die Stirn in Falten legt und Abraham ihn umarmt. Ich hasse es, dass meine Freunde mitbekommen, wie ich zu jemandem werde, der ich eigentlich gar nicht sein will. Jemand, den nicht einmal ich im Badezimmerspiegel ansehen will.

Kyler, Auden und die anderen kriegen es natürlich auch mit, aber noch spricht mich niemand darauf direkt an. Es gibt nur eine Person, die nicht locker lassen will, aber es ist leider auch gleichzeitig die Person, die mir am wenigsten helfen kann.

Stacey.

Es gibt ungefähr eine Million Dinge, die ich an ihr hasse und gleichzeitig liebe, was keineswegs normal ist und auch mich oft verwirrt. Sie merkt es nicht, aber wäre sie manchmal nicht so extrem kompliziert und ihre Handlungen nicht so unnachvollziehbar, dann hätte ich sie die letzten Wochen ganz sicher nicht ignoriert.

Die Wahrheit ist, dass ich sie und Kyler in der Nacht des Homecoming-Balls gesehen habe. Natürlich war mir da schon klar, dass sie streiten, aber allein dass Stacey mal wieder bewiesen hat, dass Kyler für sie an erster Stelle steht, hat mir samt meinen anderen Problemen den Rest gegeben.

Die Sex-DeadlineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt