The Wrong Man

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Remus stand einige Meter vor dem großen Haus in Godric's Hollow, seine Hände zitterten, die Knie waren weich und sein Herz raste vor Panik und Angst und Unglauben. Auroren liefen hin und her, gingen rein und raus, suchten alle Räume ab und befragten verschiedene Leute. Remus hatte sich schon ausgewiesen, ihnen alles erzählt, was er wusste und war jetzt nur noch dazu verdammt, zusehen zu müssen, wie Lilys und James' Körper aus dem Haus getragen wurden. Er wollte näher treten, ein letztes Mal seine Freunde ansehen, ihnen die Augen schließen, wenn er musste, doch er war wie festgewachsen. Es fühlte sich an, wie in einem Traum, einem Albtraum, um genau zu sein, in dem alles, was Remus befürchtet hatte, wahr wurde.

Irgendwo schrie ein Baby, es war klar, wer es war. Harry wurde rüber gereicht, bis er in den Armen eines Halbriesen landete, wo er allmählich zur Ruhe kam. Remus sah sich nicht einmal um, er hoffte nur, gleich aufzuwachen. Er kniff sich bloß in den Arm, schloss die Augen und versuchte alle Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen.

Doch eine, ihm zu sehr bekannte Stimme ließ Remus herumfahren und er erblickte Sirius, welcher versuchte, sich an den Auroren vorbei zu quetschen, um Lily und James zu erreichen. „Bitte, lassen Sie mich durch", flehte er.

Auch, wenn sich alles in Remus dagegen sträubte, dem schwarzhaarigem Mann näher zu treten, war seine Neugierde stärker und er ging einige Schritte vor, um mitzuhören. Sirius' Anblick erschreckte Remus, denn seine Ärmel waren voll mit Blutflecken, die Hände rot, die Haare durcheinander und in den grauen Augen lag ein solcher Schmerz, der selbst Remus schockierte.

Normalerweise würde Remus Sirius in solchen Momenten in den Arm nehmen, ihn an sich drücken und halten, bis das Herz wieder ruhig schlug, doch jetzt nicht mehr. Nicht nach allem, was passiert war. Remus hasste Sirius nicht, im Gegenteil, er liebte ihn. So sehr. Und genau deshalb war sein Verrat so schmerzhaft, fast folternd. Nicht nur, dass Sirius James und Lily betrog, ihr Vertrauen gnadenlos ausnutze und ihnen dann beim Sterben zusah, nein, Sirius ermordete auch noch einen weiteren ihrer Freunde und zwölf unschuldige Muggel, die nichts mit dem Krieg zutun hatten.

Und, dass er jetzt so auftauchte, als wäre nichts gewesen, als wäre er es wert James und Lily die letzte Ehre erweisen zu dürfen, machte Remus wütend, wie noch nie in seinem Leben. Fast wünschte er sich, dass Vollmond war, um sich bei Sirius ohne Bedenken und schlechtes Gewissen zu rächen. Ein brutaler und herzloser Gedanke, doch Remus fand Sirius' Taten schrecklicher. Wie er immer davon redete, anders als seine Familie zu sein, niemals ein Todesser zu werden und dann, um sein Schauspiel zu vollenden, von Zuhause weg lief. War Walburgas Missbrauch eine Lüge? Hatte Sirius diesen Tag seit Jahren geplant? Was hatte er noch verschwiegen? War alles, was er ihnen je erzählt hatte, erfunden? Remus war an einem Punkt angekommen, wo alle Wörter aus Sirius' Mund für ihn wie eine Lüge wirkten.

„Mr. Lupin", rief ein Auror Remus näher. „Kennen Sie diesen Mann?"

Remus blickte Sirius emotionslos an, von oben bis unten, stockte kurz an den tränengefüllten Augen und wandte den Blick dann ab.
„Ja, es ist Sirius Black, der Mann, den Sie suchen."

Es war fast schon amüsant, wie Sirius' gebrochener, trauriger Ausdruck sich in blanke Panik umänderte, als zwei Auroren ihn an den Armen packten.
„Du denkst doch nicht wirklich- ich würde sowas niemals tun, Remus!"

Sirius kämpfte eine Arm frei und versuchte Remus' Hand zu ergreifen, doch dieser zog sie rasch weg. „Ich würde lieber sterben, als einen meiner Freunde zu töten, das weißt du."

„Weiß ich das?", fragte Remus zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Von Peter hast du nur einen Finger zurückgelassen und James und Lily liegen hier. Tot, falls du es noch nicht bemerkt hast. Alles dank dir."

„Nein, Remus, du hast alles falsch verstanden. Ich-", Sirius keuchte überrascht auf, als ihm die Arme hinter den Rücken gedreht und die Hände mit einem Zauber zusammengebunden wurden. Er sah zu Remus hoch, verzweifelt und kraftlos:
„Lass es mich erklären", flüsterte er. „Bitte"

Remus kam auf Sirius zu, blieb kurz vor ihm stehen, sodass sie sich genau in die Augen sehen konnten und kämpfte mit den Tränen.
„Ich dachte, ich kannte dich", seine Stimme brach bei den Worten und Remus war wütend auf sich selbst, weil er so schwach war. „Aber wie es aussieht habe ich mich getäuscht."

Dann senkte er den Kopf, drehte Sirius den Rücken zu und ließ den Tränen freien Lauf.

„Nein, Remus, das ist alles ein großes Missverständnis!", hörte er Sirius hinter sich, wusste es aber besser, als sich ihm wieder zuzuwenden. Er würde nachgeben, dass wusste Remus, er würde Sirius nicht standhalten können. Man sagt Liebe mache stark, doch in solchen Situationen machte sie einen nur angreifbar.

„Bitte", flehte Sirius, nun auch mit heißen Tränen auf den Wangen. „Ich schwöre es dir, ich war das nicht."

Remus würde ihm zu gerne glauben, Sirius verzeihen, doch er hatte Peters Reste mit eigenen Augen gesehen und Lilys und James' Körper lagen leblos neben ihm. Das war Beweis genug.

„Du kannst mich so sehr hassen, wie du willst, nur bitte, bitte Remus, schieb mir nicht die Schuld für ihre Tode hin", Sirius versuchte ein letztes Mal sich frei zu kämpfen, bekam aber nur eine Zauberstabspitze gegen den Rücken, weshalb er aufhörte sich zu wehren. „Ich bin kein Mörder, Moony, glaub mir."

Im nächsten Moment wurde Sirius von den Auroren schmerzhaft gepackt und weggezerrt, während er immer wieder Remus' Namen schrie, um dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Remus drehte sich nicht um, auch wenn sein Herz dabei in tausend kleine Teilchen zerbrach. Er fühlte sich verraten und enttäuscht, ausgenutzt und betrogen, weshalb er weinend auf die Knie fiel, die Arme um seinen eigenen, zitternden Körper geschlungen und verfluchte sich selbst, für sein blindes Vertrauen und seine Gefühle zu Sirius, die ihn daran gehindert hatten, die Wahrheit zu erkennen.

Remus fühlte sich leer und gefühllos, zurückgelassen und alleine. Alle seine Bekannten waren tot und sein Freund war ein Mörder, welcher nach Askaban verschleppt wurde. Erneut war Remus nur auf sich allein gestellt, niemand, der ihn während Vollmond tröstete und die Wunden säuberte, niemand, der ihm vorsichtig das Buch aus der Hand nahm, falls er mal wieder beim Lesen einschlief, niemand, der mit ihm gemeinsam Muggel TV-Shows verfolgte, auch wenn nur Remus sie verstand, niemand, der ihn nach einem langen Tag mit Abendessen überraschte und ihn dann auf der Couch knuddelte.

Ersetze man „niemand" mit „Sirius", so erkenne man Remus' Leben vor dem 31. Oktober, welches nun offiziell der Vergangenheit angehörte.

Remus wischte sich die Tränen von den Wangen, stand auf und fragte sich, während er ohne ein Ziel zu haben durch die Straßen schlenderte, warum es sich so falsch anfühlte, obwohl er das Richtige getan hatte, als er Sirius gehen ließ.

drarry & wolfstar & jily oneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt