#3 Blake

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Am Montag waren die Schüler der 9c noch unruhiger als sonst sowieso schon. Jeder hatte mittlerweile dank dem Klassenchat von der Anzeige erfahren und die Frist war logischerweise nur bis heute. Es klingelte und pünktlich betrat ein junger Lehrer den Klassenraum. Niemand saß auf seinem Platz, niemand war leise, manche bekamen nicht mal mit, dass jemand zur Tür reinkam.

Er musterte die Klasse, während er zum Pult ging. Immer mehr Schüler sahen ihn neugierig an. Irgendwann begaben sie sich alle auf ihre Plätze. „Guten Morgen, ich bin Connor Blake, euer neuer Mathe-, Sport- und Klassenlehrer. Mehr müsst ihr über mich soweit nicht wissen und hat euch auch nicht zu interessieren!". Seine Stimme war sanft aber doch fest. Die Klasse war beinahe komplett leise. Der Lehrer öffnete seine Tasche und zog einen Stapel mit Arbeitsblättern hervor. „Da ich davon ausgehe, dass die Tafel anfängermäßig mit Seife oder so beschmiert ist habe ich mir die Mühe gemacht und Blätter ausgedruckt", meinte er und begann, jedem Schüler die Aufgaben vor die Nase zu legen. „Boa, hat irgendwer ne Ahnung davon?", rief ein Junge aus der zweiten Reihe. Blake nahm sich einen freien Stuhl und tauschte ihn mit dem, der vor dem Pult stand, denn die Sitzfläche war auffällig glänzend. Er setzte sich also auf den anderen Stuhl und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja, ich. Also, wenn ihr Fragen habt, meldet euch", rief er zurück. „Melden ist was für Loser!". Desinteressiert lehnte Blake sich zurück. „Deshalb habe ich's ja gesagt". Viele Schüler sahen ihn verblüfft an. Also mit so einem Typ hatte niemand gerechnet. Da wurde in der hintersten Reihe jemand wach. „Na, gut geschlafen?", fragte der neue Klassenlehrer. Sofort funkelten ihn grüne Augen an. Seine Pupillen weiteten sich und er musste schlucken. „Ja, aber mein Bett ist mir lieber, also wundern sie sich nicht, wenn ich mal zu spät komme. Habe ich sonst noch was verpasst?". Der Lehrer winkte ab: „Ein paar Sätze meinerseits unter anderem meinen Namen". Die Schülerin schnaubte. „Okay, bis zu ihrer Kündigung wäre es eh verschwendete Mühe, ihren Namen zu lernen". Blake schmunzelt belustigt. „Wenn du Fragen hast, melde dich einfach!"

Schon in seiner ersten Stunde merkte man, wie der Lehrer die Klasse mit seiner Art veränderte. Tatsächlich arbeiteten manche mehr oder weniger. Währenddessen putzte Blake die Tafel, die, wie vermutet, schmierig war. Zum Glück war die 9c so freundlich, nur Seife zu nehmen. Mit Öl wäre die Tafel komplett hinüber.

„So, hat schon jemand Lösungen?", fragte er an die Klasse gewandt. Ein paar Schüler redeten zwar, aber nur mit dem Sitznachbarn über privates Zeug. „Dann machen wir das jetzt gemeinsam", beschloss Blake, „Also, die Formel für den Flächeninhalt eines Kreiszylinders müsstet ihr ja eigentlich kennen". Irgendjemand rief die Antwort rein und der Mathelehrer schrieb die Formel nickend an die Tafel. Dann sah er kurz wieder auf das Arbeitsblatt, wo bei ihm bereits die Lösungen standen. „Wenn ein Baum jetzt 25 Meter hoch ist und ein Durchmesser von 40cm hat, wie muss dann die Formel heißen?". Ein Schüler in der ersten Reihe meldete sich doch tatsächlich. Er hatte sogar ein Namensschild auf dem Tisch stehen. Wahrscheinlich war das der Streber, wobei dieses Wort in so einer Klasse relativ ist. „Ja, Noah", nahm er den Jungen dran. Die Antwort war zwar richtig, aber bereits jetzt hörte aus mehreren Ecken „Hä". Wissend erklärte der Lehrer geduldig die meist gemachte Fehlerquelle und fuhr fort. „Nächste Aufgabe... Wie viel Kilogramm Holz stecken in einem Eukalyptusbaum?", da niemand reagierte fuhr er fort, „Ich habe euch die passende Formel daneben geschrieben und auch die Rohdichte, die 1040kg/m³ beträgt!". Er schrieb die Formel von dem Blatt an die Tafel ab. „Wenn also das Volumen * die Rohdichte das Gewicht des Holzes entspricht muss man einfach nur einsetzen und ausrechnen!". Der junge Lehrer schrieb die Angaben ab, auf die Tafel und rechnete eigenständig. „Antwort?", er sah die Schüler an. „Ein Eukalyptusbaum hat ein Holzgewicht von 3265,6kg", las jemand gelangweilt die Zahl von der Tafel ab. „Exakt", sein Blick fiel wieder in die Notizen, „1kg Papier benötigt 2,2kg Holz... das ist einfach", damit wandte Blake der Klasse wieder den Rücken zu und schrieb auch dies unter den Rest. Dabei las er laut mit: „3265,6kg: 2,2kg =". „1484,36kg Papier", fiel ihm ein Mädchen ins Wort. Er nickte. „Ihr habt's fast geschafft. Letzte Aufgabe...", Blake sah in erleichterte Gesichter, „Durchschnittlich verbraucht eine Person 243kg Papier im Jahr. In eurer Klasse sind 25 Schüler, also ergibt das...?". Der Lehrer sah hoch und nahm willkürlich eine Person dran, da sich niemand meldete. „5589kg", nuschelte das Mädchen mit den grünen Augen. „Richtig und davon habt ihr mit diesem Arbeitsblatt schon 55kg verschwendet". Das Mädchen machte Anstalten, noch etwas zu sagen, also sah Blake abwartend in ihre Richtung. „Was ist Claire?", fragte er grinsend. Das Mädchen stockte, genauso wie der Rest der Klasse. „Woher wussten sie, wie viele Schüler wir sind... Und woher kennen sie meinen Namen?". Das Grinsen des Lehrers wurde breiter. „Ich weiß mehr über euch, als ihr denkt".

Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so leise war es. Was für ein Psycho muss er sein, schon am ersten Tag alle Namen zu kennen? Die Klingel durchbrach die merkwürdige Spannung, die in der Luft lag. Verblüfft packten die Schüler ihre Sachen und verließen den Raum. Als Claire am Lehrerpult vorbeikam blieb sie kurz stehen und sah ihren Lehrer an. Dann folgte sie den Anderen wortlos nach draußen.

„Was ist das denn für ein Lehrer?", fragte Linda immer noch total baff. Während sie, Claire, Florian und ein paar andere nebeneinander über die Schulflure liefen hatte lange niemand etwas gesagt. „Keine Ahnung, eigentlich macht er ja einen recht netten Eindruck, aber das am Ende war schon irgendwie gruselig", meinte Tobias nachdenklich. „Claire", Linda stieß ihrer besten Freundin in die Seite, „Was sagst du zu ihm?". „Komisch... Er ist komisch", sie zuckte mit den Schultern. „Vielleicht lernen wir ja was bei ihm", sagte Florian ironisch. Claire schnaubte. „Soweit kommt's nicht. Er wird kündigen. Früher oder später wird er kündigen..."

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Das ist mal ein etwas längeres und ausnahmsweise komplizierteres Kapitel.

Danke fürs Lesen

I love you | SchülerxLehrerWhere stories live. Discover now