24. Xastur

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„Aus diesem Grund habe ich statt Sahne, Joghurt benutzt und das Tolle daran ist, dass man das überhaupt nicht rausschmeckt. Einfach einen Esslöffel in den Auflauf, umrühren und ich sag‘s dir, Amy, das wird dich umhauen.“

Mercella, Tante Ams übergewichtige Freundin, redete seit gut 20 Minuten ununterbrochen über ihren Nudelauflauf. Blake und meine Tante hörten ihr gespannt zu, während ich kurz davor war, einzuschlafen. Ich hatte mich auf das Sofa gesetzt und zählte die Blätter aller Pflanzen im Zimmer. Das Bild mit der Wunde vom letzten Mal, war nicht mehr da. Die drei saßen hinter mir am Esstisch, während sie Kaffee tranken und Kuchen aßen. Blake rührte natürlich nichts davon an, doch das Rezept für den Auflauf interessierte ihn sowieso viel mehr. Ich war gerade bei 217 Blättern, als sich jemand neben mich setzte und die Zahlen in meinem Kopf durcheinander gerieten. Genervt sah ich auf. Tante Am lächelte mich an. Blake war nicht mehr da. Wahrscheinlich ging er gerade sein neu erlerntes Gericht ausprobieren. Auch Mercella war nicht zu sehen.

„Wann sind sie gegangen?“, fragte ich.

„Sie?“ Verdutzt sah sie mich an.

Anfängerfehler. „Wann ist sie gegangen, meine ich.“

„Jetzt eben gerade.“

Ich nickte verstehend.

„Du wirkst bereits den ganzen Abend so bedrückt, Süße. Was ist denn los?“, fragte sie plötzlich und ich sah überrascht auf.

„Es ist nichts“, antwortete ich lächelnd. „Ich bin ein rundum glücklicher Teenager. Was soll denn schon sein?“

Ha-ha.

Sie musterte mich prüfend. „Gibt es da vielleicht etwas, worüber du mit mir reden willst?"

Nein, nicht wirklich. Außer vielleicht dass meine letzten Woche wahrscheinlich die seltsamsten meines bisherigen Lebens waren. Ich einen Jungen mit eiskalten, warmen Augen getroffen habe, der ein verdammt guter Schauspieler und Küsser ist. Drei ausgewachsene Männer mich angegriffen haben, woraufhin ich blutüberströmt im Müll aufgewacht und von einem fröhlichen Mädchen in ein halbverlassenes Hotel, in dem Jugendliche und ein Psychopath namens Ghul hausen, gebracht worden bin, wo ich am Ende jedoch unerwünscht war. Außerdem glaube ich, ich habe so etwas wie einen Freund gewonnen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob er mich nur ausnutzt, um auf irgendwelche Partys zu kommen. Ah, und bevor ich es vergesse, da ist so ein unsichtbarer Typ, der mit mir abhängt seit ich sieben bin und sich teleportieren kann.

„Erzähl mir von meiner Mutter", war das Einzige, was mir über die Lippen kam.

Tante Am richtete sich im Sofa auf und blickte verwundert drein. Meine Mutter war ein Thema, was ich normalerweise stets mied.

„Rachel?", fragte sie nach und ich nickte. „Wie kommst du jetzt darauf?"

Ich zuckte die Achseln. „Manchmal denke ich, ich weiß einfach viel zu wenig über sie."

Tante Am biss sich auf die Lippe und dachte nach.

„Du musst nicht, wenn du nicht darüber reden willst", versicherte ich ihr schnell. Sie war immerhin ihre Schwester, es hatte sie wahrscheinlich hart getroffen, als sie verschwand. Jemand anderen hatte sie nicht, da meine Großeltern noch vor meiner Geburt gestorben sein sollen. Die Eltern meines Vaters habe ich nie kennengelernt, da er keinen Kontakt mehr zu ihnen pflegte.

„Nein, das ist es nicht, Herzchen. Nur kommt es sehr plötzlich, dass du überhaupt etwas über sie wissen willst. Du hast jahrelang kaum darüber geredet und jetzt auf einmal scheint es dich zu interessieren."

Ich antwortete nicht, woraufhin mich Tante Am nachdenklich betrachtete. „Bist du verliebt?"

WAS?! NEIN!" Entgeistert wich ich ein Stück zurück.

Ich sehe dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt