19. Succubus

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„Sorry, Schwester. Ich kann dich nicht reinlassen", erklärte der Junge, der vor der Lagerhalle des alten Hotels saß und mir den Weg versperrte.

„Ich will bloß mein Handy!", protestierte ich, doch er zuckte nur mit den Achseln.

„Ich bin nicht dazu befugt, Kleine."

Die Typen am Eingang der Lobby, die, genauso wie der hier, Wache schoben, hatten mich auch nicht reingelassen. Ich schaute grimmig zu ihnen, während sie sich Zigaretten ansteckten. Es musste einen anderen Weg geben...
Nach kurzem Nachdenken, ging ich zurück auf den Waldweg und lief ein Stück, damit sie keinen Verdacht schöpften. Dann sprang ich ins Dickicht und kehrte wieder zum Loch zurück, darauf bedacht unten zu bleiben, so dass sie mich nicht sahen. Die Leute vor den Eingängen hatten sich nicht gerührt. Das Einzige was sich verändert hatte war, dass die Glimmstängel jetzt zur Hälfte runtergebrannt waren. Ich ging gebückt entlang des Geäst und machte einen großen Bogen um das alte Gebäude. Bei jedem Knacksen kleiner Äste unter meinen Füßen warf ich ihnen einen panischen Blick zu, doch sie schienen nichts zu ahnen.

Bei der Hinterseite angekommen, prüfte ich kurz ob jemand zu sehen war und trat erleichtert hinaus. Hier sah es längst nicht so prunkvoll aus wie vorne, doch trotzdem erinnerte das Gebilde an ein kleines, altes Schloss, durch die große emporragende Säule in der Mitte, dessen nach oben spitzzulaufendes Dach, den Himmel zu berühren schien. Ich überquerte die kleine, offenliegende Wiese und tatsächlich fiel mir eine verrostete Eisentür auf, doch sie stellte sich schnell als verschlossen heraus. Ich rüttelte einige Male daran, bis ich in meine Tasche griff und meine Spange herausholte. Ein Kinderspiel, dachte ich, doch ich hatte mich zu früh gefreut. Egal, wie ich das Metall in meinen Fingern drehte oder wendete, der Schlossmechanismus wollte nicht nachgeben. Frustriert trat ich gegen die Tür und raufte mir durch die Haare. Ein neues Handy würde ich so schnell nicht wieder bekommen bekommen.

Niedergeschlagen trat ich einige Schritte zurück, um nach anderen Möglichkeiten zu suchen, in das Gebäude reinzukommen. Alle Fenster waren viel zu hoch, um hineinzuklettern und es gab auch keine Balkone. Ich war kurz davor aufzugeben und nach Hause zu gehen, als ich etwas entdeckte. Eine kleine Steintreppe, die fast vollkommen von hohem Gras zugewachsen war, führte zu einer unterirdisch liegenden Tür, die offensichtlich in den Keller führte. Sie war mit einem großen Eisenschloss verriegelt, welches ich mit Leichtigkeit aufknackte, was diesmal reibungslos klappte. Als ich die Tür aufschwang, schlug mir ein ekelerregender Gestank entgegen.

Scheisse, will ich das wirklich? Wer wusste schon, was da drinnen auf mich wartete? Ich zog es kurz in Erwägung, wieder umzukehren, doch entschloss mich kurzerhand dagegen. Allein schon des Adrenalins wegen, wollte ich da rein, denn es hatte irgendwie das gewisse Etwas, in einen fremden, dunklen Keller zu steigen. Das Licht welches in den kleinen Raum fiel, beleuchtete nur bis zum Türansatz, der in den nächsten Raum führte. Was dahinter lag, konnte ich nicht erkennen. Mehrere verstaubte Besen und vergilbte Wäschelakenhaufen lagen auf dem Boden. In der Ecke stand eine Waschmaschine, die so aussah, als wäre sie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden.

Ohne weiter darüber nachzudenken hielt ich mir die Nase zu und lief hinein. Einen letzten Blick zurück nach draußen werfend, näherte ich mich der nächsten Tür und öffnete sie. Der Geruch intensivierte sich und ein Hauch von rostendem Metall lag in ihm. Ich machte einen Schritt vor, so dass das Licht es nur noch bis zu meinen Fußspitzen schaffte, sonst war es stockdunkel. Ich konnte nur die schwachen Umrisse alten Gerölls erkennen. Der Schatten eines Fahrrads da und das Aufleuchten eines weißen Plastikstuhls dort. Ich tastete die Wand nach einem Lichtschalter ab, fand und betätigte ihn schließlich.

Schwaches, flackerndes Licht ergoss sich über den Raum und die Umrisse nahmen Form an. Ich befand mich in einem weiteren, etwas größeren Raum. In der Mitte stand ein großer Heizkanister, dessen Anzeigen völlig verstaubt waren. An ihn waren Objekte aller Art gelehnt. Ein rotes Bobbycar, ein zugezogener Sonnenschirm und mehrere Holzbalken, die wahrscheinlich irgendwann mal zusammengebaut einen Schrank darstellen sollten. Wo man auch hinsah, waren Spinnenweben und ich fragte mich, wann hier wohl zuletzt eine Menschenseele gewesen war. Ich entdeckte eine zweite Tür, als plötzlich im selben Moment hinter mir ein lautes Scheppern und Knallen ertönte. Ich fuhr erschrocken herum.

Ich sehe dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt